VwGH 89/07/0045

VwGH89/07/004521.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde der Wassergenossenschaft I in E, vertreten durch Dr. Reinhard Selendi, Rechtsanwalt in Wels, Freiung 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 24. Jänner 1989, Zl. Wa - 5209/1 - 1988/ Fol/Mül, betreffend Mitbenutzung von Wasseranlagen (mitbeteiligte Partei: Gemeinde E, vertreten durch den Bürgermeister, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
WRG 1959 §100;
WRG 1959 §101;
WRG 1959 §19 Abs1;
WRG 1959 §19;
WRG 1959 §64 Abs1 litc;
WRG 1959 §98;
WRG 1959 §99;
AVG §42 Abs1;
WRG 1959 §100;
WRG 1959 §101;
WRG 1959 §19 Abs1;
WRG 1959 §19;
WRG 1959 §64 Abs1 litc;
WRG 1959 §98;
WRG 1959 §99;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Gemeinde E (im folgenden MP) beantragte bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr - Umgebung (im folgenden BH) am 17. Mai 1988 die Einräumung eines Mitbenutzungsrechtes an der Wasserversorgungsanlage der Beschwerdeführerin.

Die Kundmachung der BH vom 3. August 1988, mit welcher über dieses Ansuchen eine mündliche Verhandlung für den 16. August 1988 anberaumt wurde, weist unter Anführung der §§ 19, 98, 105 und 107 WRG 1959 als Verhandlungsgegenstand das Ansuchen der MP um Einräumung eines Mitbenutzungsrechtes an den Anlagen und Einrichtungen der Beschwerdeführerin aus.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 1988 räumte die BH als Wasserrechtsbehörde erster Instanz auf Grund einer am 16. August 1988 durchgeführten mündlichen Verhandlung zugunsten der MP an der Wasserversorgungsanlage der Beschwerdeführerin ein näher bestimmtes Mitbenutzungsrecht ein. Gleichzeitig wurde das bisher der Beschwerdeführerin zugestandene Maß der Wasserbenutzung von 177 m3/Tag eingeschränkt bzw. in einem Ausmaß von 91 m3/Tag als erloschen erklärt und das Maß der Wasserbenutzung insoweit neu festgesetzt, als der Beschwerdeführerin nunmehr 60 m3/Tag und der MP 9,8 m3/Tag zugestanden wurden. Weiters wurden der von der MP an die Beschwerdeführerin zu entrichtende Baukostenzuschuß und die Anteile an den Wartungskosten der Anlage bestimmt. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin - in welchem diese eine Mitbenutzung ihrer Wasserversorgungsanlage durch die MP im wesentlichen mit der Begründung abgelehnt hatte, daß angesichts des geplanten Anschlusses von noch 10 bis 20 Liegenschaften an die Genossenschaftsanlage der dann zu erwartende Wasserbedarf gerade noch gedeckt werden könne - wurde abgewiesen und "soweit es einer Rechtsgrundlage entbehrt" zurückgewiesen. Begründend wurde, soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung, ausgeführt, die mündliche Verhandlung über den Antrag der MP auf Einräumung eines Mitbenutzungsrechtes an der Anlage der Beschwerdeführerin sei trotz eines Vertagungsantrages des Obmannes der Beschwerdeführerin in Abwesenheit eines Vertreters der Beschwerdeführerin abzuhalten gewesen, weil mit der für den Vertagungsantrag gewählten Begründung, vor der mündlichen Verhandlung noch eine Genossenschaftsversammlung einberufen zu müssen, jedes behördliche Handeln willkürlich verschoben oder gänzlich unmöglich gemacht werden könnte. Die von der Beschwerdeführerin nach der Verhandlung erhobenen Einwendungen seien im Hinblick auf das Gutachten eines Amtssachverständigen als unbegründet zu werten.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin in teilweiser Wiederholung ihrer bereits vor der Behörde erster Instanz erhobenen Einwendungen im wesentlichen geltend, mit dem ihr zur Verfügung stehenden Wasserdargebot könnte für die von ihr geplante Erweiterung ihres Versorgungsbereiches gerade noch das Auslangen gefunden werden. Die Einräumung eines Mitbenutzungsrechtes erlaube keinesfalls die Einschränkung des für die mitbenutzte Anlage erteilten Wasserbenutzungsrechtes. Der für die Einschränkung des Wasserbenutzungsrechtes herangezogene § 64 WRG 1959 könne nicht als Rechtsgrundlage für die Ermöglichung des Anschlusses an eine bestehende Wasseranlage dienen. Dafür, daß in der mündlichen Verhandlung vom 16. August 1988 auch eine Einschränkung bzw. das teilweise Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes der Beschwerdeführerin behandelt werden sollte, fehle in der Verhandlungsausschreibung jeglicher Hinweis.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. Jänner 1989 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 AVG 1950 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführerin sei die auf die Präklusionsbestimmungen des § 42 AVG 1950 verweisende Kundmachung für die von der BH für den 16. August 1988 anberaumte mündliche Verhandlung zwölf Tage vor diesem Termin zugestellt worden. Der Gegenstand der Verhandlung und die anzuwendende Gesetzesbestimmung (§ 19 WRG 1959) seien in der Kundmachung ausreichend dargelegt worden, wobei der Beschwerdeführerin das Anliegen, einige Liegenschaften an ihre Wasserversorgungsanlage anzuschließen, schon längere Zeit bekannt gewesen sei. Die Begründung des vom Obmann der Beschwerdeführerin gestellten Antrages auf Vertagung der Verhandlung habe eine solche nicht zu rechtfertigen vermocht, weil der Obmann zur Vertretung der Beschwerdeführerin nach außen berufen sei. Dem Obmann der Beschwerdeführerin wäre sohin die Möglichkeit offengestanden, die durch das Unterlassen der Erhebung von Einwendungen in der Verhandlung eingetretene Verschweigung durch die rechtzeitige Erhebung schriftlicher Einwendungen oder durch Entsendung eines Vertreters zur Verhandlung zu verhindern. Wohl habe die BH in der Verhandlungskundmachung eine Terminverschiebung auf Wunsch in Aussicht gestellt, doch habe dies auf Grund der gewählten Formulierung lediglich für die antragstellende MP Geltung gehabt. Der im Hinweis auf die Verschweigungsfolgen verwendete Ausdruck "Beteiligte" stehe in Übereinstimmung mit dem Gesetzestext, der den Ausdruck "Parteien" vermeide, weil die Parteistellung im Rahmen rechtzeitiger Einwendungen geltend gemacht werden könne. Der Umstand, daß die BH die nach der Verhandlung erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführerin, anstatt sie wegen Verschweigung von vornherein abzuweisen, meritorisch behandelt habe, könne Rechte der Beschwerdeführerin nicht verletzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Einhaltung der Verfahrensbestimmungen des AVG 1950 und des WRG 1959 sowie der Bestimmungen über die Begründung von Zwangsrechten (§§ 60 ff WRG 1959) verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt. Die MP hat in einer im Betreff als Gegenschrift bezeichneten Eingabe Ausführungen gemacht, die sich inhaltlich aber nur mit dem Antrag der Beschwerdeführerin befassen, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die BH habe die Verhandlung vom 16. August 1988 nicht abgeschlossen, sondern vertagt und der Beschwerdeführerin noch Gelegenheit zur Stellungnahme zum Verhandlungsergebnis geboten. Wohl habe die BH in der Folge keine Fortsetzung der Verhandlung anberaumt, doch habe die Beschwerdeführerin innerhalb der ihr eingeräumten Frist eine Stellungnahme abgegeben, die im Hinblick auf die Einheit einer unterbrochenen Verhandlung mit deren Fortsetzung (Hinweis auf Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1978, B 187/78) als rechtzeitig erhoben anzusehen sei. Auch sei der Eintritt der Verschweigungsfolgen des § 42 AVG 1950 dann ausgeschlossen, wenn der Gegenstand der Verhandlungskundmachung mit dem in der Verhandlung tatsächlich behandelten Verfahrensgegenstand nicht übereinstimme. Im Beschwerdefall habe die Verhandlungskundmachung lediglich auf die Einräumung eines Mitbenutzungsrechtes gemäß § 19 WRG 1959 Bezug genommen, während in der Verhandlung selbst darüber hinaus die Einschränkung des Wasserbenutzungsrechtes der Beschwerdeführerin unter Heranziehung der §§ 27 und 64 WRG 1959 behandelt und im erstinstanzlichen Bescheid dann auch verfügt worden sei.

Schon allein auf Grund dieses Vorbringens erweist sich die Beschwerde als berechtigt.

Wie immer die Vorgangsweisen der Verwaltungsbehörden in den einzelnen Verfahrensstadien zu beurteilen sind, ist im Beschwerdefall der Umstand entscheidend, daß in der Verhandlung über den Antrag der MP in umfassender Weise über den durch die Verhandlungskundmachung abgesteckten Rahmen hinausgegangen wurde. Die auf § 19 WRG 1959 gestützte Einräumung eines Mitbenutzungsrechtes kann schon nach dem Wortlaut des Gesetzes, demzufolge der an Stau- und Wasserführungsanlagen Berechtigte verhalten werden kann, die Mitbenutzung zu gestatten, wenn dadurch die Benutzung des Wassers am zweckmäßigsten erzielt werden kann und er hiedurch in der Ausübung des ihm zustehenden Wasserbenutzungsrechtes nicht erheblich beeinträchtigt wird, einen Eingriff in das für eine mitbenutzte Wasserversorgungsanlage erteilte Maß der Wasserbenutzung nicht mitumfassen. Vielmehr handelt es sich bei einem Mitbenutzungsrecht lediglich um die Mitbenutzung bestehender Anlageteile und nicht um eine Einschränkung oder Aufteilung des dem zur Mitbenutzung verhaltenen Berechtigten erteilten Rechtes. Demzufolge konnte der Kundmachung der mündlichen Verhandlung vom 16. August 1988 nicht der Inhalt unterlegt werden, die darin beschriebene beabsichtigte Einräumung eines Mitbenutzungsrechtes umfasse auch die Einschränkung des der Beschwerdeführerin erteilten Maßes der Wasserbenutzung.

Dadurch, daß in der angeführten Verhandlung über die Frage der Einräumung eines Mitbenutzungsrechtes im oben beschriebenen Sinn hinaus auch eine Einschränkung des der Beschwerdeführerin erteilten Konsenses behandelt und in der Folge im erstinstanzlichen Bescheid auch verfügt wurde, kann von einer Identität des in der Verhandlungskundmachung angeführten Gegenstandes und dem tatsächlichen Gegenstand der Verhandlung keine Rede sein. Eine derartige Verfahrenskonstellation schließt aber den Eintritt der Präklusionsfolgen des § 42 AVG 1950 - ungeachtet des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen - aus (vgl. hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1986, Zl. 86/05/0002).

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu dessen Aufhebung führen mußte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, insbesondere deren Artikel III Abs. 2.

Im übrigen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof für das fortzusetzende Verfahren zu der Bemerkung veranlaßt, daß die Zuständigkeit für die Behandlung eines Antrages auf Erteilung eines Mitbenutzungsrechtes im Sinne des § 19 WRG 1959 der Wasserrechtsbehörde zukommt, die für das begünstigte Wasserrecht - im Beschwerdefall somit für die zur Ausübung des Mitbenutzungsrechtes der MP erforderliche Wasserversorgungsanlage zuständig ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1977, Zl. 2335/76). Darüber, ob unter Zugrundelegung dieser Kriterien tatsächlich die BH die zuständige Wasserrechtsbehörde ist, fehlen im Beschwerdefall jegliche Feststellungen.

Wien, am 21. Dezember 1989

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