VwGH 89/07/0029

VwGH89/07/002919.9.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des Mag. jur. HG in R, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 14. Dezember 1988, Zl. 512.267/02-15/88, betreffend nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung einer Wasserversorgungsanlage (mitbeteiligte Partei: Gemeinde R), zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §111 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Gemeinde (MB) ersuchte am 12. Oktober 1982 um wasserrechtliche Bewilligung einer geplanten und zum Teil schon vorgenommenen (neuerlichen) Erweiterung ihrer Wasserversorgungsanlage. Diese Bewilligung wurde der MB mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol (LH) vom 16. Mai 1983 nach Maßgabe des eingereichten Bauentwurfes erteilt. Die mit diesem Bescheid erfaßten Maßnahmen sahen noch keine Inanspruchnahme eines Grundstücks des Beschwerdeführers vor. Im Zuge des Ausbaus der Wasserleitung erachtete die MB dann die Führung eines Leitungsstranges über die im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstücke Nr. 1043/1 und 1043/2 KG. R als zweckmäßig. Dieser Grundinanspruchnahme stimmte der Beschwerdeführer im Mai 1983 unter bestimmten Voraussetzungen mündlich zu, worauf tatsächlich diese Leitungsverlegung vorgenommen wurde. In der Folge kam es aber wegen der Kosten für einen Schieber und wegen der ordnungsgemäßen Wiederherstellung des Weges, unter dem die Leitung verlegt worden war, zu Unstimmigkeiten zwischen dem Beschwerdeführer und der MB; der Beschwerdeführer urgierte deshalb die Durchführung einer wasserrechtlichen Verhandlung, zu welcher es jedoch erst am 24. Februar 1988 kam.

In dieser Verhandlung sprach sich der Beschwerdeführer gegen die vorgenommene Verlegung der Leitung über seine Grundstücke wegen der damit für ihn verbundenen Nachteile aus und stellte den Antrag, "den seinerzeitigen Zustand wieder herzustellen und die R-Wasserleitung so zu führen wie ursprünglich geplant". Die MB verwies dazu auf die vom Beschwerdeführer erteilte Zusage sowie darauf, daß der frühere Zustand wiederhergestellt und daß der Beschwerdeführer für erlittene Nachteile entschädigt worden sei.

Im Bescheid vom 29. Februar 1988 ging der LH davon aus, daß durch die vorgenommenen Änderungen der Anlage u.a. die Grundstücke Nr. 1043/1 und 1043/2 zusätzlich berührt worden seien. Mit Spruchpunkt I dieses auf die §§ 9, 11, 12, 21, 99 Abs. 1 lit. c, 111 und 121 WRG 1959 gestützten Bescheides erteilte der LH die (nachträgliche) wasserrechtliche Bewilligung für die im Befund näher beschriebenen Änderungen gegenüber dem mit Bescheid vom 16. Mai 1983 bewilligten Projekt sowie für die im Zuge der Bauausführung erfolgten Erneuerungen bestehender Leitungen auf teilweise geänderten Trassenführungen. Mit Spruchpunkt II wurde die ausgeführte Anlage für wasserrechtlich überprüft erklärt; die Spruchpunkte III und IV betrafen die Dauer der erteilten Bewilligung und Nebenbestimmungen. Hinsichtlich der durch die Anlage zusätzlich berührten fremden Grundstücke wurde in Spruchpunkt V festgehalten, daß nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 die zusätzlich erforderlichen Dienstbarkeiten für den Bau, Bestand, Betrieb und die Instandhaltung als eingeräumt gelten. Allfällige Entschädigungsansprüche aus diesem Grunde könnten in Ermangelung einer Übereinkunft binnen Jahresfrist nach Fertigstellung der Anlage bei der Wasserrechtsbehörde geltend gemacht werden. Mit Spruchpunkt VIII schließlich wurden die Einwendungen des Beschwerdeführers abgewiesen. Zu diesem letzten Punkt führte der LH in der Begründung seines Bescheides aus, daß der Beschwerdeführer gegenüber der MB bereits nachweislich eine Zustimmung für die Inanspruchnahme seiner Grundstücke erteilt habe. Diese Zusage sei vor der Bauausführung erfolgt und sei anläßlich der wasserrechtlichen Verhandlung nicht bestritten worden. Der Beschwerdeführer sei daher nicht berechtigt gewesen, eine Verlegung der Leitung auf die ursprüngliche Trasse, welche überdies nach dem eingeholten Gutachten von vornherein aufwendiger gewesen wäre, zu verlangen. Der Beschwerdeführer habe die Verlegung der Leitung auf seinen Grundstücken bei "Kostenfreiheit und Ersatz aller Schäden" gestattet. Auf Grund dieser Zusage sei keine Entschädigung festzusetzen gewesen. Die im Zuge der Bauarbeiten erfolgten Beeinträchtigungen und Beschädigungen seien von der MB behoben bzw. entschädigt worden.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer die Zweckmäßigkeit der durchgeführten Trassenverlegung über seine Grundstücke. Außerdem sei der dafür benützte Weg nicht ordnungsgemäß wiederhergestellt worden. Weil die seinerzeit vereinbarte Bedingung der vollkommenen Schadloshaltung seitens der MB nicht eingehalten worden sei, habe der Beschwerdeführer bei der wasserrechtlichen Verhandlung beantragt, die Wasserleitung wieder dorthin zu verlegen, wo sie ursprünglich gewesen sei; diesen Antrag halte er aufrecht. Als Alternative beantrage der Beschwerdeführer, den Weg in den seinerzeitigen Zustand versetzen zu lassen oder dem Beschwerdeführer die dafür noch erforderlichen Kosten zu vergüten.

Die belangte Behörde holte dazu im Berufungsverfahren noch ein Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen ein und gewährte dem Beschwerdeführer dazu das Parteiengehör. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. Dezember 1988 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 AVG 1950 keine Folge. Begründend führte sie dazu im wesentlichen aus, daß die neu gewählte Leitungstrasse nach dem eingeholten Gutachten zweckmäßig sei, weil sie gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Trasse einige im einzelnen dargestellte Vorteile aufweise. Eine Verlegung der Leitung außerhalb des Weges im Ackerland wäre sicher möglich, sei jedoch unzweckmäßig und für einen Landwirt mit Belastungen verbunden. Eine Ausweitung des Baugebietes in diesem Gebiet sei zwar derzeit nicht aktuell, auf Grund der unmittelbaren Randlage zum Baugebiet jedoch jederzeit möglich, weshalb sich die Vorsorge durch die MB in Form von Trinkwassererschließungen als sinnvoll darstelle. Was den Weg außerhalb des Bereiches des Beschwerdeführers anlange, werde ausdrücklich auf die Bestimmungen der §§ 12 Abs. 2 und 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 verwiesen, wonach nur Grundeigentümern und Wasserbenutzungsberechtigten, nicht aber bloßen Servitutsberechtigten wasserrechtliche Parteistellung zukomme. Abschließend setzte sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides noch mit einzelnen Argumenten des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme zum eingeholten Amtsgutachten zur Frage der Zweckmäßigkeit der gewählten Leitungstrasse auseinander. Zur Trassenführung sei grundsätzlich zu bemerken, daß hiebei getrachtet werden solle, diese für Wartungszwecke möglichst leicht zugänglich zu machen. Bei der Wahl der Trasse habe daher sicher auch diese Überlegung zu der vom LH gefundenen Entscheidung geführt, die Wasserleitung unter dem Weg und nicht über landwirtschaftlich genutzte Flächen oder Gärten zu verlegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, "wegen Rechtswidrigkeit und Verfahrensmangel" erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer habe seine mündliche Zustimmung widerrufen, weil er habe erkennen müssen, daß die MB ihrerseits die gemachten Zusagen nicht einhalte. Bei der (viel zu spät anberaumten) wasserrechtlichen Verhandlung habe der Beschwerdeführer eingewendet, daß er der Verlegung der Wasserleitung auf seinem Grund die Zustimmung nicht mehr geben könne, weil die MB die Bedingungen nicht eingehalten habe. Da die Gemeinde sich geweigert habe, den früheren Zustand wiederherzustellen, und sie auch keine volle Entschädigung geleistet habe, sei dem Beschwerdeführer nur der Weg der Einwendungen bei der wasserrechtlichen Verhandlung geblieben. Deshalb sei insbesondere die auf § 111 Abs. 4 WRG 1959 gestützte Feststellung im Wasserrechtsbescheid rechtswidrig.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch die MB erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie neuerlich auf das mit dem Beschwerdeführer erzielte Einvernehmen und auf die diesem geleistete Entschädigung verwies.

Der Beschwerdeführer hat auf die Gegenschrift mit einem weiteren Schriftsatz repliziert und insbesondere darauf hingewiesen, daß er in der wasserrechtlichen Verhandlung der Leitungsverlegung über seinen Grund nicht zugestimmt habe. Er sei auch keineswegs voll entschädigt worden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 111 Abs. 1 WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde nach Beendigung aller erforderlichen Erhebungen und Verhandlungen, wenn das Ansuchen nicht als unzulässig abzuweisen ist, über Umfang und Art des Unternehmens und die von ihm zu erfüllenden Bedingungen zu erkennen. Der Ausspruch über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang von Zwangsrechten (§ 60) hat nach Möglichkeit in demselben Bescheide, sonst mit gesondertem Bescheide zu erfolgen. Alle nach den Bestimmungen dieses Absatzes ergehenden Bescheide sind bei sonstiger Nichtigkeit schriftlich zu erlassen.

Alle im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens getroffenen Übereinkommen sind gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 im Bescheide zu beurkunden. Über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens hat im Streitfalle die Wasserrechtsbehörde zu entscheiden, sofern den Gegenstand des Übereinkommens Rechtsverhältnisse bilden, zu deren Regelung im Entscheidungswege die Wasserrechtsbehörde in Ermangelung eines Übereinkommens zuständig gewesen wäre.

Hat sich im Verfahren ergeben, daß die bewilligte Anlage fremden Grund in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß in Anspruch nimmt, und ist weder vom Grundeigentümer eine Einwendung erhoben noch von diesem oder vom Bewilligungswerber ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 lit. b gestellt noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden, so ist mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung gemäß dem ersten Satz des § 111 Abs. 4 WRG 1959 die erforderliche Dienstbarkeit im Sinne des § 63 lit. b als eingeräumt anzusehen.

Die Inanspruchnahme von Grundstücken des Beschwerdeführers für Zwecke der Wasserversorgungsanlage der MB ist mit dem von der belangten Behörde vollinhaltlich bestätigten Bescheid des LH vom 29. Februar 1988 (nachträglich) wasserrechtlich bewilligt worden. Eine beantragte wasserrechtliche Bewilligung kann aber gemäß den oben wiedergegebenen Gesetzesbestimmungen nur erteilt werden, wenn sich der Bewilligungswerber mit dem Grundeigentümer über den beabsichtigten Eingriff und die dafür zu leistende Entschädigung geeinigt hat oder wenn ein entsprechendes Zwangsrecht begründet worden ist, ausgenommen die Fälle nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 1976, Zl. 2197/75, und die dort angeführte Vorjudikatur)

Der LH ist in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer "nachweislich" seine Zustimmung zur Inanspruchnahme seiner Grundstücke erteilt habe. Ein derartiges Übereinkommen wurde aber - entgegen der ausdrücklichen Anordnung des § 111 Abs. 3 WRG 1959 - nicht beurkundet. Abgesehen davon, daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Bewilligungsverhandlung an eine solche Einigung nicht mehr gebunden erachtete, ist mangels ihrer Beurkundung auch offen geblieben, was ihr genauer Inhalt zur Inanspruchnahme fremden Grundes und insbesondere zu einer dafür zu leistenden Entschädigung gewesen ist.

Das vor der belangten Behörde abgelaufene Berufungsverfahren hat diesbezüglich keine Klärung erbracht, da sich die belangte Behörde ausschließlich mit der Frage der Zweckmäßigkeit der gewählten Leitungsführung befaßt hat, nicht aber mit den rechtlichen Grundlagen ihrer Bewilligung.

Im Beschwerdefall wurde somit hinsichtlich der Inanspruchnahme der Grundstücke des Beschwerdeführers weder ein Zwangsrecht begründet noch ein Übereinkommen beurkundet (§ 111 Abs. 1 und 3 WRG 1959); es wurde aber in dem durch den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich bestätigten Bescheid des LH vom 29. Februar 1988 gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 festgestellt, daß die zusätzlich erforderlichen Dienstbarkeiten für den Bau, den Bestand, den Betrieb und für die Instandhaltung der Wasserversorgungsanlage der MB als eingeräumt zu gelten hätten.

Dabei haben die im Beschwerdefall eingeschrittenen Wasserrechtsbehörden allerdings außer acht gelassen, daß der Beschwerdeführer - abgesehen davon, daß kein Anhaltspunkt für die Annahme vorliegt, es habe sich bei der neuen Leitungsführung um eine für den Beschwerdeführer in einem unerheblichen Ausmaß erfolgende Grundinanspruchnahme gehandelt - in der wasserrechtlichen Verhandlung vom 24. Februar 1988 Einwendungen gegen eine nachträgliche Bewilligung der von der MB projektierten und auch bereits ausgeführten Leitungsführung erhoben hat. In diesem Falle konnte aber die belangte Behörde hinsichtlich der für die Leitungsführung notwendigen Dienstbarkeiten gegenüber dem Beschwerdeführer nicht mehr nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 vorgehen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1980, Zl. 3277/79).

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Wien, am 19. September 1989

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte