VwGH 89/04/0234

VwGH89/04/023427.3.1990

N gegen Landeshauptmann von Wien vom 14. Juni 1989, Zl. MA 63-O 2/88/Str., betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973

Normen

GewO 1973 §74 Abs2;
GewO 1973 §74 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Juni 1989 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, als gewerberechtliche Geschäftsführerin der A-Gesellschaft für Mineralbaustoffe im Standort Wien, B-Weg, in der Zeit vom 13. April 1987 bis 1. Dezember 1987 verantwortlich zu sein, daß diese Gesellschaft zum Handel mit Baumaterialien eine Betriebsanlage dadurch in einem genehmigungspflichtigen Umfang ohne die erforderliche Genehmigung betrieben habe, daß bei der Verladetätigkeit vor der Betriebsanlage der Fließverkehr am B-Weg so wesentlich beeinträchtigt werden könne, daß es zu Stauungen führen könne. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 begangen, weshalb nach dieser Gesetzesstelle über sie eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt wurde. Zur Begründung des Schuldspruches führte der Landeshauptmann im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe eingewendet, die Ladetätigkeit mit Schwerlastfahrzeugen und Fahrzeugzügen erfolge in der Form, daß die Fahrzeuge auf dem Fahrstreifen des B-Weges kurz anhielten, dann auf den aufgeschotterten, der Betriebsanlage gegenüberliegenden Abstellstreifen des B-Weges führen und sodann händisch entladen würden, wobei die einzelnen Blechbündel jeweils über die Fahrbahn auf den offenen Lagerplatz getragen würden. Die Fahrbewegungen dauerten höchstens 2-3 Minuten. Andere Fahrzeuge führen in den Vorplatz der Betriebsanlage ein und würden dort entladen. Eine Verkehrsbeeinträchtigung auf dem B-Weg durch Ladetätigkeiten im Rahmen der Betriebsanlage sei daher ausgeschlossen. Dazu führte der Landeshauptmann aus, die Darstellung der Ladetätigkeit durch die Beschwerdeführerin entspreche den Tatsachen. Die Berufungsbehörde könne sich aber nicht der von der Beschwerdeführerin daraus gezogenen Schlußfolgerung anschließen, die Betriebsanlage sei nicht geeignet, den Verkehr auf dem B-Weg zu beeinträchtigen. Die 2-3 Minuten dauernden Fahrbewegungen zum Abstellen der Schwerlastfahrzeuge und Fahrzeugzüge auf dem Abstellstreifen des B-Weges und der anschließende Transport des Ladegutes von den Fahrzeugen über die Fahrbahn in die Betriebsanlage, der zweifellos einen längeren Zeitraum beanspruche, zwinge die den B-Weg benützenden Fahrzeuge zu langsamem Fahren oder zum Anhalten. Hiedurch könne es zu Stauungen von Fahrzeugen kommen, zumal nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens auf dem B-Weg mit einem starken Verkehrsaufkommen an landwirtschaftlichen Fahrzeugen, insbesondere während der Erntezeit von Ende März bis Ende November jeden Jahres, zu rechnen sei. Stauungen von Fahrzeugen erschwerten erfahrungsgemäß den Fußgängern das Überqueren der Fahrbahn. Die Berufungsbehörde sei daher der Auffassung, daß die gegenständliche Betriebslage wegen ihrer Betriebsweise geeignet sei, die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf dem B-Weg, einer Straße mit öffentlichem Verkehr, wesentlich zu beeinträchtigen. Dies begründe gemäß § 74 Abs. 2 Z. 4 GewO 1973 die Genehmungspflicht der Betriebsanlage. Der Behauptung der Beschwerdeführerin, die Genehmigungspflicht der Betriebsanlage sei für sie nicht erkennbar gewesen, könne nicht gefolgt werden, denn sie hätte bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen und nach ihren persönlichen Verhältnissen gebotenen pflichtgemäßen Sorgfalt erkennen müssen, daß die Ladetätigkeit auf dem B-Weg geeignet sei, den Verkehr auf dieser Straße wesentlich zu beeinträchtigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung mit Beschluß vom 26. September 1989, Zl. B 903/89-3, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im wesentlichen vor, über die Frage, ob die Anlage die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Genehmigungspflicht erfülle, sei das Betriebsanlagenverfahren anhängig, welches bis heute nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Der angefochtene Bescheid gehe auf Ergebnisse des Betriebsanlagenverfahrens nur insofern ein, als er der Beschwerdeführerin zugestehe, insoweit im Recht zu sein, als nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt für eine tatsächlich von der Betriebsanlage ausgehende Verkehrsbeeinträchtigung bestehe. Der angefochtene Bescheid beschränke sich auf eine abstrakte Möglichkeit zur wesentlichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Voraussetzung für ein Straferkenntnis wäre jedoch die im ordentlichen Verwaltungsverfahren getroffene Entscheidung, daß die Anlage genehmigungspflichtig sei, die Genehmigung erteilt bzw. verweigert worden sei und darüberhinaus, daß im Zeitraum davor die Anlage betrieben worden sei. Insolange im Betriebsanlagenverfahren nicht rechtskräftig die Genehmigungspflicht festgestellt worden sei, fehle einem Straferkenntnis, gestützt auf § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973, die Rechtsgrundlage. Die belangte Behörde habe auch nicht begründet, wieso die 2-3 Minuten dauernden Fahrbewegungen zum Abstellen der Fahrzeuge auf dem Abstellstreifen des B-Weges und der anschließende Transport des Ladesgutes in die Betriebsanlage andere Fahrzeuge in einer Weise behindern könnten, daß es zu Stauungen kommen könnte. Das bloße Anhalten oder langsame Fahren auf einem öffentlichen Verkehrsweg wegen eines Verkehrshindernisses sei ein durchaus normaler Vorgang, der in der Regel nicht zu Stauungen führe. Ein die Straße überquerender Hubstapler beeinträchtige den Fließverkehr nicht mehr als ein die Straße querender Fußgänger, im Gegenteil, der Überquerungsvorgang sei in der Regel schneller. Durch das Abladen selbst könne eine Beeinträchtigung nicht erfolgen, da der B-Weg über ausreichende Fahrspuren zum Ausweichen verfüge. Dies gelte auch hinsichtlich der Fahrbewegungen zum Abstellen auf dem Abstellstreifen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, entsprechende Feststellungen über die Straßenbreite des B-Weges zu treffen; es fehlten jegliche Anhaltspunkte dafür, daß durch Abladetätigkeit überhaupt ein Anhalten von Fahrzeugen, selbst bei Gegenverkehr notwendig wäre. Daß Tätigkeiten auf der Straße zum langsamen Fahren veranlaßten, sei ein normaler Vorgang im öffentlichen Straßenverkehr. Hier könne von einer wesentlichen Verkehrsbehinderung keine Rede sein. Soweit die belangte Behörde von einem starken Verkehrsaufkommen spreche, so sei dies relativ auf die Gegend bezogen zu verstehen. Es fehlten Feststellungen über die Art des dortigen Verkehrsaufkommens. Es handle sich tatsächlich um eine Gegend mit landwirtschaftlicher Nutzung; Fahrzeuge führen selten durch den B-Weg. Selbst in der Zeit von Ende März bis Ende November eines jeden Jahres liege der Verkehr mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen weit unter dem, wie es im dichter besiedelten, verbautem Stadtgebiet die Regel sei. Schließlich fehlten im bekämpften Bescheid jegliche Ausführungen, daß die Ladetätigkeit bzw. das Zu- und Abfahren von Lkw zur Betriebsstätte den öffentlichen Verkehr nicht bloß beeinträchtigten, sondern wesentlich beeinträchtigten. Kriterien, die über eine normale Beeinträchtigung des Verkehrs auf der öffentlichen Straße hinausgingen und zu einer wesentlichen Beeinträchtigung führten, seien nicht angeführt worden, geschweige denn daß durch Sachverhaltsfeststellungen die erfolgte Verwirklichung dieser Kriterien behauptet worden wäre. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften trägt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, Erhebungen anzustellen, seit wann die Betriebsanlage bestehe; der inkriminierte Zeitraum sei willkührlich herausgegriffen. Es sei daher von der belangten Behörde nicht geprüft worden, ob die in Rede stehende Betriebsanlage nicht bereits unter der Herrschaft der Gewerbeordnung 1859 betrieben worden sei und deshalb im Lichte der Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 GewO 1973 eine Genehmigungspflicht für die in Rede stehende Betriebsanlage keinesfalls bestehe. Die belangte Behörde habe auch keine Erhebungen darüber angestellt, ob tatsächlich eine wesentliche Verkehrsbeeinträchtigung von der Betriebsanlage ausgehen könne, insbesondere seien keine Beobachtungen über die Frequenz des Verkehrs am B-Weg angestellt worden, noch seien ausreichend Beobachtungen oder Berechnungen darüber angestellt worden, ob Ladetätigkeiten die Flüssigkeit des Verkehrs wesentlich beeinträchtigten.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Tatzeitraum hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, begeht eine Verwaltungsübertretung, die gemäß dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu 6 Wochen zu ahnden ist - , wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche

Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334,

335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der

Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer

Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet

sind, ...... 4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit

des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr

wesentlich zu beeinträchtigen ......

Tatbestandselement nach § 74 Abs. 2 GewO 1973 ist somit die mit der gewerblichen Betriebsanlage verbundene konkrete Eignung, die in der zitierten Gesetzesstelle näher bezeichneten Auswirkungen hervorzurufen, wobei die Genehmigungspflicht schon immer dann gegeben ist, wenn eine derartige Eignung nicht auszuschließen ist. Hingegen ist die Frage, ob solche Auswirkungen tatsächlich auftreten, für die Beurteilung der Genehmigungspflicht nicht von Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1988, Zl. 87/04/0068).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag im Hinblick auf die von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen über die im Rahmen des Betriebes der in Rede stehenden Betriebsanlage erfolgenden Ladetätigkeiten auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr und starkem Verkehrsaufkommen unter Verwendung von Schwerstlastfahrzeugen und Fahrzeugzügen in der Rechtsansicht der belangten Behörde, auf Grund dieser Vorgänge könne die Eignung der in Rede stehenden Betriebsanlage, die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr durch Verursachung von Stauungen wesentlich zu beeinträchtigen, nicht ausgeschlossen werden, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Der Beschwerdeführer irrt auch, wenn er meint, für die Strafbarkeit der ihm zur Last gelegten Tat wäre die im Rahmen des Verfahrens über die Genehmigung der Betriebsanlage getroffene Feststellung über die Genehmigungspflicht der Betriebsanlage Voraussetzung. Die Rechtsfrage der Genehmigungspflicht der Betriebsanlage ist vielmehr eine Vorfrage, welche die Verwaltungsstrafbehörde nach der zufolge § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 38 AVG 1950 selbständig beurteilen kann.

Da, wie eingangs ausgeführt, die Frage, welche Beeinträchtigungen von einer Betriebsanlage tatsächlich ausgehen, für die Beurteilung ihrer Genehmigungspflicht ohne Bedeutung ist, bedeutet es auch keinen Verfahrensmangel, wenn die belangte Behörde Feststellungen über die tatsächlichen Auswirkungen des Betriebes der in Rede stehenden Betriebsanlage auf den Verkehr auf dem B-Weg unterließ.

Schließlich bedeutet es auch keinen Verfahrensverstoß, wenn sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit der Übergangsregelung des § 376 Z. 11 GewO 1973 nicht auseinandersetzte, weil im Verwaltungsstrafverfahren nicht nur kein Anhaltspunkt für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung im konkreten Fall hervorkam, sondern vielmehr - von der Beschwerdeführerin unwidersprochen - in der Verhandlungsschrift vom 13. April 1987 die Feststellung getroffen wurde, der Betrieb sei seit (erst) ca. 4 Jahren im Standort tätig.

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als nicht berechtigt. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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