VwGH 89/03/0308

VwGH89/03/030814.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 8. Juni 1989, Zl. 9/01-30657-1988, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §103 Abs2 idF 1986/106;
KFG 1967 §103a Abs1 Z3 idF 1986/106;
KFG 1967 §134 Abs1 idF 1986/106;
VStG §10;
VStG §19;
KFG 1967 §103 Abs2 idF 1986/106;
KFG 1967 §103a Abs1 Z3 idF 1986/106;
KFG 1967 §134 Abs1 idF 1986/106;
VStG §10;
VStG §19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 8. Juni 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Mieter des ihm ohne Lenker beigestellten, dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftwagens unterlassen, der im Zuge eines Administrativverfahrens ergangenen schriftlichen Aufforderung der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 13. November 1987, ihm zugestellt am 18. November 1987, zu entsprechen, nämlich binnen zwei Wochen nach der Zustellung, sohin bis längstens 2. Dezember 1987, darüber Auskunft zu erteilen, wer diesen Kraftwagen in S abgestellt hat, sodaß er dort am 22. Mai 1987 um 11.45 Uhr gestanden ist. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 103a Abs. 1 Z. 3 KFG in Verbindung mit § 103 Abs. 2 leg. cit. verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 2. Oktober 1989, B 882/89-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht, nicht wegen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bestraft zu werden, sowie in dem Recht "auf richtige Anwendung der Bestimmung der §§ 103a Abs. 1 Zif. 3 in Verbindung mit Abs. 3 und 134 Abs. 1 KFG 1967" und auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsstrafverfahren als verletzt. Zur Begründung der so bezeichneten Beschwerdepunkte verweist der Beschwerdeführer auf seine Ausführungen in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde sowie seine Einwendungen in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis im Verwaltungsstrafverfahren und bringt darüber hinaus vor, es entspreche auch die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht den verfahrensrechtlichen Mindesterfordernissen. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, daß die belangte Behörde der (ebenfalls) von ihm im Auftrag der Mietwagendienst Ges.m.b.H., der Zulassungsbesitzerin des Kraftwagens (im folgenden kurz: Gesellschaft), verfaßten Stellungnahme uneingeschränkte Beweiskraft zumesse und daraus ableite, daß das in Rede stehende Fahrzug ohne Lenkerbeistellung vermietet gewesen sei, seine Rechtfertigung hingegen, daß es sich bei diesem Fahrzeug um einen Mietwagen handle, der mit Lenkerbeistellung vermietet werde, offensichtlich für unglaubwürdig halte. Die von ihm für die Gesellschaft abgegebene Erklärung, daß seine Mandantschaft "naturgemäß" keine Angaben über die Person des Lenkers im angeblichen Deliktszeitpunkt machen könne, lasse nicht den daraus von der belangten Behörde gezogenen Schluß zu, daß die Vermietung ohne Lenkerbeistellung erfolgt sei, zumal bei der Auslegung eines routinemäßig im Kanzleibetrieb verfaßten Schreibens nicht dieselben Maßstäbe angelegt werden können wie bei einer Gesetzesauslegung. Im Hinblick auf die ausdrücklichen gegenteiligen Ausführungen des Beschwerdeführers sei dieser Schluß unzulässig.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen. Gemäß § 103a Abs. 1 Z. 3 KFG hat bei der Vermietung eines Fahrzeuges ohne Beistellung eines Lenkers der Mieter die im § 103 Abs. 2 angeführten Pflichten an Stelle des Zulassungsbesitzers zu erfüllen.

Der Wortlaut des Gesetzestextes, so meint der Beschwerdeführer, sehe zwar weder eine konkrete zeitliche Beschränkung der Auskunftspflicht vor noch werde sie ausdrücklich an ein berechtigtes Interesse der Behörde an der Kenntnis des Lenkers gebunden, doch könnten die genannten Bestimmungen bei richtiger Auslegung nicht so verstanden werden, daß der Behörde die Befugnis eingeräumt werde, willkürlich und ohne konkretes Interesse an der Kenntnis des Lenkers eines Fahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort Lenkerauskünfte einzuholen. Geschehe dies dennoch, sei diese Vorgangsweise als rechtswidrig und schikanös zu betrachten. Dadurch werde keine Auskunftspflicht des Zulassungsbesitzers oder Mieters begründet. Die angeführten Bestimmungen dienten nur mittelbar der Aufrechterhaltung der allgemeinen Verkehrssicherheit. Die Normierung der Auskunftspflicht habe nicht den Sinn der direkten Einflußnahme auf die allgemeine Verkehrssicherheit, sondern der geordneten und wirksamen Kontrolle im Straßenverkehr. Sie soll der Feststellung einer etwaigen Verwaltungsübertretung oder der Ausforschung von Zeugen oder Straftätern dienen. Um dieses Ziel zu erreichen, habe der Verfassungsgesetzgeber sogar eine Durchbrechung des Anklageprinzipes, wie es im Art. 90 B-VG verankert sei, hingenommen, weshalb diese Bestimmungen einschränkend auszulegen seien. Nach dem Willen des Gesetzgebers und dem Zwecke der Regelung ergebe sich, daß diese Bestimmungen keine Befugnis zur Einholung solcher Auskünfte darstellen, wenn - wie im Beschwerdefall wegen Verfolgungsverjährung der der Anfrage zu Grunde gelegenen Verwaltungsübertretung - keine Notwendigkeit dazu bestehe, um die Kontrolle im Verkehr sicher zu stellen.

Zu diesem Einwand ist der Beschwerdeführer zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen. So hat der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 11. September 1979, Zl. 1218/79, zu § 103 Abs. 2 KFG in der damals geltenden Fassung ausgesprochen, daß Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht allein darin liegen, den Lenker eines Kraftfahrzeuges wegen einer allfällig begangenen Übertretung bestrafen zu können, mag dies auch für die überwiegende Zahl der nach dieser Bestimmung gestellten Anfragen zutreffen, und daß der Zulassungsbesitzer - dies gilt nunmehr nach § 103a Abs. 1 Z. 3 KFG auch für den Mieter - durch den Eintritt der Verfolgungsverjährung in Ansehung des Vorfalles, der Anlaß zum Verlangen der Behörde um Auskunft war, nicht der ihm nach dieser Gesetzesstelle obliegenden Auskunftspflicht enthoben wird. Das Gesetz sieht - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - keine zeitliche Beschränkung der Auskunftspflicht vor. Hätte dies der Gesetzgeber gewollt, so hätte er eine solche Regelung ausdrücklich getroffen. Der Verwaltungsgerichtshof hielt in der Folge an dieser Rechtsprechung zu § 103 Abs. 2 KFG - und zwar auch in der Fassung der 10. Novelle - fest (vgl. die Erkenntnisse vom 3. Dezember 1980, Zl. 3306/80, vom 28. Jänner 1983, Zl. 83/02/0013, und aus jüngster Zeit die den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnisse je vom 25. April 1990, Zl. 88/03/0236 und Zl. 90/03/0010). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt - und zwar auch nicht in Hinsicht auf das Vorbringen in der vorliegenden Beschwerde - von dieser Rechtsansicht abzugehen.

Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß die Behörde nicht willkürlich vorgehen und grundlos eine Auskunft nach § 103 Abs. 2 KFG verlangen darf. Dies war im Beschwerdefall aber ohnedies nicht der Fall, lag doch der Aufforderung der Behörde an den Beschwerdeführer zur Bekanntgabe des Lenkers eine Anzeige zu Grunde, derzufolge der Lenker des Fahrzeuges eine strafbare Handlung beging, weshalb schon aus diesem Grunde für die Behörde "ein konkretes Interesse an der Kenntnis des Lenkers" bestand, die sie zu einer Aufforderung des Beschwerdeführers als Mieter des Fahrzeuges bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 103a Abs. 1 Z. 3 KFG berechtigte. Die Behörde war hiebei nicht gehalten, dem Beschwerdeführer den Grund des Auskunftsverlangens bekannt zu geben. Denn die Regelung des § 103 Abs. 2 KFG verlangt weder in ihren früheren Fassungen noch in der geltenden Fassung, daß in der Aufforderung zur Auskunftserteilung mitgeteilt wird, ob und zutreffendenfalls welche Verwaltungsübertretung Anlaß zu dieser Aufforderung gegeben hat. Die Kenntnis einer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist für die Verpflichtung des Zulassungsbesitzers, dem Auskunftsverlangen der Behörde nachzukommen, nicht erforderlich (vgl. dazu ebenfalls aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das schon zitierte Erkenntnis vom 11. September 1979, Zl. 1218/79, sowie das Erkenntnis vom 20. April 1988, Zl. 88/02/0013).

Vom Sinn und Zweck der Regelung her, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl. auch dazu das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1983, Zl. 83/02/0013), war es der Behörde ferner nicht verwehrt, selbst wenn die Verfolgung des Lenkers des Fahrzeuges, mit dem die angezeigte Übertretung begangen wurde, der maßgebende Grund des Auskunftsverlangens war, jedenfalls noch innerhalb der Verfolgungsverjährung der dem Auskunftsverlangen zu Grunde liegenden Verwaltungsübertretung ein diesbezügliches Verlangen an den Beschwerdeführer zu richten, um auf diese Weise in Kenntnis des Täters zu gelangen, was im Beschwerdefall unbestritten geschah. Das solcherart zulässige Auskunftsverlangen wurde auch nicht dadurch rechtswidrig, daß die gestellte Frist zur Auskunftserteilung erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährung des der Anfrage zu Grunde liegenden Verhaltens endete, war doch eine Beantwortung der Anfrage noch innerhalb der Verfolgungsverjährung nicht von vornherein auszuschließen. In Hinsicht darauf kann in einer solchen Aufforderung entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch keine bloße Schikane der Behörde erblickt werden, weshalb der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen wäre, dem Auskunftsverlangen der Behörde nachzukommen, was er jedoch unterließ.

Der Beschwerdeführer meint weiters, die Verhängung einer Geldstrafe bei Verletzung einer Auskunftspflicht sei ihrem Wesen nach nicht als Strafe für eine Verwaltungsübertretung, sondern als Zwangs- oder Beugestrafe zu betrachten. Die Verhängung und Vollstreckung einer Zwangsstrafe sei aber dann unzulässig, wenn das damit verfolgte Ziel bereits erreicht sei. Analoges müsse auch für die Bestrafung einer Übertretung der §§ 103 Abs. 2 und 103a Abs. 1 Z. 3 KFG gelten.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer das Wesen der Zwangsstrafe, die keine Strafe im Sinne des Verwaltungsstrafgesetzes für eine begangene Verwaltungsübertretung ist, weshalb auf diese Strafe auch nicht die Bestimmungen des VStG anzuwenden sind, sondern lediglich ein Mittel zur Erreichung eines bestimmten Erfolges darstellt. Demgegenüber liegt bei der Verletzung der Auskunftspflicht ein Verstoß gegen § 103 Abs. 2, hier in Verbindung mit § 103a Abs. 1 Z. 3 KFG vor, der - wie der Beschwerdeführer selbst ausführt - gemäß § 134 Abs. 1 KFG als Verwaltungsübertretung mit den in dieser Bestimmung angeführten Strafen zu ahnden ist, wenn die Anfrage nicht oder unrichtig beantwortet wird. Für eine Analogie bleibt in diesem Zusammenhang kein Raum, ganz abgesehen davon, daß die Schließung von Gesetzeslücken im Wegen der Analogie im Verwaltungsstrafrecht ausgeschlossen ist.

Es kann keine Rede davon sein, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides - nur dieser ist Gegenstand der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof - nicht den "verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen" entspreche. Die belangte Behörde legte ausführlich und schlüssig dar, warum sie ungeachtet des Umstandes, daß im Zulassungsschein des Fahrzuges als Verwendungsbestimmung "Vermietung mit Lenkerbeistellung" eingetragen ist, zur Überzeugung gelangte, daß das Fahrzeug zur fraglichen Zeit an den Beschwerdeführer ohne Lenkerbeistellung vermietet war. Im Rahmen der Beweiswürdigung war es der belangten Behörde entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht verwehrt, auch auf die von ihm in Vertretung der Gesellschaft gegebene Auskunft Bedacht zu nehmen und daraus entsprehende Schlüsse zu ziehen, hat doch der Beschwerdeführer nie - etwa unter Anführung des beigestellten Lenkers - konkret behauptet - auch in der vorliegenden Beschwerde wird eine solche Behauptung nicht aufgestellt -, daß im fraglichen Zeitpunkt das Fahrzeug an ihn tatsächlich mit Lenkerbeistellung vermietet gewesen sei. Gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde bestehen keine Bedenken.

Hinsichtlich der weiteren vom Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof wiederholten Bedenken verfassungsrechtlicher Art, insbesondere im Zusammenhang mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, hat der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt, sondern insoweit lediglich auf sein Vorbringen in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof Bezug genommen, sodaß sich der Verwaltungsgerichtshof nicht zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof veranlaßt sieht.

Die sohin zur Gänze unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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