VwGH 89/02/0117

VwGH89/02/011718.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Stoll als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Honsig‑Erlenburg, in der Beschwerdesache der H Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. AR, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 16. Februar 1988, Zl. MA 70‑12/53/87, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 89 a Abs. 7 StVO 1960, sowie über den damit verbundenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist den Beschluss gefaßt:

Normen

AVG §45 Abs2
AVG §71 Abs1 lita
BAO §308
FinStrG §167
VwGG §46 Abs1
ZustG §13 Abs3
ZustG §17
ZustG §17 Abs3
ZustG §21 Abs2
ZustG §22

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989020117.X00

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Vorauszuschicken ist, daß der angefochtene Bescheid zwar an die „Firma“ E Gesellschaft mbH in Wien, F‑Gasse, adressiert ist, jedoch ‑ im Sinne einer dementsprechenden Beschwerdebehauptung ‑ von einer mit der Beschwerdeführerin bestehenden Personenidentität auszugehen ist, weil laut Eintragung vom 26. Februar 1988 im Handelsregister des Handelsgerichtes Wien zu HRB nn (dessen beglaubigte Abschrift dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde) eine Firmenänderung auf die Beschwerdeführerin vorgenommen worden ist.

Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, daß die Frist für die (am 17. Juli 1989 zur Post gegebene, zur hg. Zl. 89/02/0117 protokollierte) Beschwerde nicht versäumt worden sei, weil die Zustellung des angefochtenen Bescheides im Wege der Hinterlegung am 29. Februar 1988 nicht gesetzmäßig erfolgt und der Zustellmangel erst am 3. Juli 1989 durch die Ausfolgung der Sendung bei der Erstbehörde an den nunmehrigen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, FH, geheilt worden sei. In dem auf Grund dieses Vorbringens vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften, die gegenständliche Verwaltungssache betreffenden Verwaltungsakt erliegt ein Rückschein (Formular 4 zu § 22 des Zustellgesetzes im Sinne der Zustellformularverordnung 1982), aus dem sich ergibt, daß die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die E Gesellschaft mbH, F‑Gasse, Wien, erfolgen sollte, diese Adressenangabe auf A‑Gasse, Wien, geändert wurde, sowie vom Zusteller E des Postamtes in 1080 Wien am 29. Februar 1988 nach einem (erfolglosen) Zustellversuch die Verständigung über die Hinterlegung in das betreffende Hausbrieffach eingelegt und die Hinterlegung bei dem genannten Postamt, mit Beginn der Abholfrist 29. Februar 1988, vorgenommen wurde. Weiters geht daraus hervor, daß die Sendung am 23. März 1988 als nicht behoben an die die Zustellung veranlassende belangte Behörde zurückgelangt ist und an FH am 3. Juli 1989 ausgehändigt wurde.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß ihre damalige (alleinige) Geschäftsführerin, nämlich die Beschwerdevertreterin Dr. R, sich im Hinterlegungszeitpunkt im Ausland aufgehalten habe und „eine Hinterlegungsanzeige zu keinem Zeitpunkt, auch nicht nach deren Rückkehr, vorgefunden“ worden sei. Auf Grund der Zeugenaussage Dris. R (deren Geschäftsführereigenschaft zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls zufolge der bereits erwähnten beglaubigten Abschrift aus dem Handelsregister feststeht) bestehen keine Bedenken gegen die (auch sonst der Aktenlage nicht widersprechende) Annahme, daß sie am 29. Februar 1988 verreist war. Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz galt daher die hinterlegte Sendung zunächst nicht als zugestellt, weil der Vertreter des Empfängers im Sinne des § 13 Abs. 3 leg. cit. wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Die Zustellung wurde aber nach derselben Gesetzesstelle ‑ sollte nicht ein weiterer Zustellmangel vorgelegen sein ‑ an dem der Rückkehr Dris. R an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden konnte. Das war der 3. März 1988, zumal Dr. R anläßlich ihrer Zeugenvernehmung angegeben hat, am 2. März 1988 an die Abgabestelle zurückgekehrt zu sein. Bemerkt sei in diesem Zusammenhang auch, daß die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Sendung sei an sie zu Handen des FH adressiert gewesen, aktenwidrig ist, sodaß jedenfalls die Beschwerdeführerin selbst als Empfänger der Sendung anzusehen war und die damit verbundenen Rechtswirkungen eingetreten sind.

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, eine Hinterlegungsanzeige sei „zu keinem Zeitpunkt ...... vorgefunden“ worden, enthält implizit die Bestreitung der Richtigkeit der Angabe im Rückschein, die Verständigung von der Hinterlegung sei in ihr Hausbrieffach eingelegt worden. Die Beschwerdevertreterin hat es als Zeugin unter Hinweis darauf, daß sie damals für die Beschwerdeführerin alleine tätig gewesen sei, es (weitere) Angestellte im Unternehmen nicht gegeben und FH sich zu dieser Zeit nicht um die Angelegenheiten des Unternehmens gekümmert habe, praktisch für unmöglich erachtet, daß eine solche Anzeige vor ihrer Rückkehr von einer anderen Person dem Hausbrieffach entnommen worden sei. Bei dem Postrückschein im Sinne des § 22 Zustellgesetz handelt es sich aber um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG 1950 in Verbindung mit § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, wobei die gegenteilige Behauptung entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1981, Slg. Nr. 10523/A, und dessen Beschluß vom 22. März 1982, Slg. Nr. 10687/A). Dies hat die Beschwerdeführerin getan, ohne daß ihr aber der erforderliche Gegenbeweis gelungen wäre. FH, dessen Vernehmung beantragt wurde, hätte auf Grund der Zeugenaussage Dris. R dazu keine zweckdienlichen Angaben machen können. Deren Aussage, eineHinterlegungsanzeige nach ihrer Rückkehr nicht vorgefunden zu haben, ist nicht ausreichend, die Angabe des Postzustellers im Rückschein, es sei eine solche Anzeige im Hausbrieffach der Beschwerdeführerin eingelegt worden, zu entkräften, wurde doch durch die Zeugenaussage des Postzustellers E die Richtigkeit dieser Angabe bestätigt. E konnte sich zwar auf Grund des inzwischen verstrichenen langen Zeitraumes naturgemäß nicht mehr konkret an diesen Zustellvorgang erinnern; dem Teil seiner Aussage, in dem er betont hat, es wäre damals das erste Mal in seiner bis dahin vierunddreißigjährigen Tätigkeit als Postzusteller der Fall gewesen, daß er nicht die entsprechenden Zustellvorschriften beachtet und in derartigen Fällen eine Hinterlegungsanzeige nicht bzw. falsch eingelegt hätte, kommt aber besonderes Gewicht zu. Dem steht nicht entgegen, daß eine Hinterlegung nach § 17 Abs. 1 Zustellgesetz infolge des Auslandsaufenthaltes der Beschwerdeführerin nicht hätte vorgenommen werden dürfen, waren ihm doch dieser Umstand nicht bekannt. Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Anlaß zur Annahme, daß im vorliegenden Beschwerdefall eine Verständigung im Sinne des § 17 Abs. 2 Zustellgesetz nicht erfolgt ist. Hingegen kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die Beschwerdevertreterin bei ihrer Nachschau im Hausbrieffach die Hinterlegungsanzeige übersehen hat, abgesehen davon, daß nach der bereits wiedergegebenen Behauptung der Beschwerdeführerin (wenn auch nicht im Einklang mit der Zeugenaussage ihrer Vertreterin) eine solche Anzeige auch nicht vor der Rückkehr Dris. R an die Abgabestelle „vorgefunden“ werden konnte, was bedeuten würde, daß sie doch schon zu einem früheren Zeitpunkt von jemanden aus den Hausbrieffach entfernt worden sein konnte.

Demnach wurde aber die Beschwerde verspätet eingebracht.

In dem „lediglich vorsichtshalber“ gestellten (zur hg. Zl. 89/02/0118 protokollierten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führt die Beschwerdeführerin aus, daß sie ‑ „sollte die Zustellung gültig erfolgt sein“ ‑ „höchstens auf Grund eines minderen Grades an Versehen von der Hinterlegung keine Kenntnis erlangt“ habe. Damit nimmt die Beschwerdeführerin erkennbar auf die Bestimmung des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG Bezug, wonach der Umstand, daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindert, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt aber voraus, daß eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein solches maßgebliches Ereignis hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan. Daß sie dazu nicht in der Lage ist, ergibt sich aus ihrem Vorbringen, daß „mit der Umstellung“ (gemeint: im Zusammenhang mit dem „bei der Gesellschaft erfolgten Rechtsübergang sowie der Übersiedlung“) „derart viele Wege, Formalitäten, Papierkrieg und Anstrengungen verknüpft“ gewesen seien, „daß es heute unmöglich ist nachzuforschen, wieso von der Hinterlegung keine Kenntnis erlangt wurde“. Die Beschwerdeführerin stellt diesbezüglich nur Vermutungen an, die überdies alle darauf hinauslaufen, daß Zustellmängel vorgelegen seien, wobei sie übersieht, daß sie dann, wenn nicht von einer ordnungsgemäßen Zustellung ausgegangen werden könnte, gar nicht die Beschwerdefrist versäumt hätte und daher eine Wiedereinsetzung gar nicht in Betracht käme. Nur der Vollständigkeit halber sei gesagt, daß damals allenfalls vorhandene Schwierigkeiten bei der Postzustellung an die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem von ihr erteilten Nachsendeauftrag an die neue Adresse in den Bereich des Postamtes 1010 und nicht in jenen des Postamtes 1080 Wien gefallen wären und im vorliegenden Beschwerdefall diesem Auftrag entsprochen wurde, sowie daß kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß ‑ wie die Beschwerdeführerin meint, daß dies auch „denkbar“ sei ‑ „der Zusteller mit unserer neuen Adresse noch nicht vertraut war und die Anzeige daher falsch anbrachte“. Solange nicht auf Grund eines bestimmten zugrunde liegenden Sachverhaltes feststeht, worin das Versehen auf seiten der Beschwerdeführerin tatsächlich bestanden hat, ist auch die Schlußfolgerung, daß es sich nur um einen minderen Grad des Versehens gehandelt habe, nicht möglich.

Es konnte daher dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG nicht stattgegeben werden. Dies führt weiters dazu, daß die Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.

Damit erübrigte sich eine Entscheidung über den (zur hg. Zl. AW 89/02/0021 protokollierten) Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 18. Oktober 1989

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