VwGH 89/01/0086

VwGH89/01/00864.4.1990

A gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 1. Februar 1989, Zl. WA 14-16/89, betreffend Verfallserklärung einer Waffe

Normen

VStG §17 Abs3;
VStG §31 Abs3;
VStG §7;
WaffG 1986 §39 Abs1;
VStG §17 Abs3;
VStG §31 Abs3;
VStG §7;
WaffG 1986 §39 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte dieses Beschwerdefalles wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1987, Zl. 86/01/0264, und vom 21. Dezember 1988, Zl. 88/01/0211, verwiesen. Mit dem letztangeführten Erkenntnis war der die Berufung des Beschwerdeführers gegen das seinen Bruder betreffende Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 23. Mai 1985 - mit diesem war gleichzeitig der Verfall der dem Beschwerdeführer gehörigen Waffe ausgesprochen worden - wegen entschiedener Sache zurückweisende Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. Februar 1989 wies die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 23. Mai 1985 als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, bei der für verfallen erklärten Waffe handle es sich im Hinblick auf das dem Bruder des Beschwerdeführers gegenüber in Rechtskraft erwachsene, durch die Berufung des Beschwerdeführers bekämpfte Straferkenntnis offenkundig um eine solche, die den Gegenstand einer nach § 37 Waffengesetz strafbaren Handlung gebildet habe. Die Verfallserklärung der Waffe sei aus Gründen der öffentlichen Sicherheit geboten gewesen, um einer neuerlichen mißbräuchlichen Verwendung (mit der Waffe sei bereits zweimal "gewildert" worden) vorzubeugen. Die vom Beschwerdeführer geleugnete Mitschuld am strafbaren Verhalten seines Bruders ergebe sich daraus, daß der Beschwerdeführer durch "bedingt vorsätzliches" Überlassen des Gewehres an seinen Bruder diesem die von ihm begangenen Übertretungen erst ermöglicht habe. Die sowohl vom Beschwerdeführer wie auch von seinem Bruder gebotene Erklärung für das Überlassen der Waffe - der Bruder des Beschwerdeführers solle die Waffe verkaufen - erweise sich als völlig unglaubwürdig und lasse "dieses uneinsichtige und beharrliche Verharren auf dieser Verantwortung (die daraus ersichtliche Nichtbereitschaft des Berufungswerbers, die rechtskräftigen Entscheidungen zu akzeptieren) einen Rückschluß auf die Einstellung des Berufungswerbers zur Rechtsordnung und auf seine Glaubwürdigkeit an sich zu". Naheliegender sei es, daß der Beschwerdeführer es ernstlich für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe, daß sein Bruder die Waffe zum "Wildern" verwenden werde. Dieser bedingte Vorsatz reiche für Beihilfe im Sinne des § 7 VStG 1950 aus. Entgegen den Berufungsausführungen sei es für die Erklärung der gegenständlichen Waffe als verfallen nicht erforderlich gewesen, daß der Beschwerdeführer als deren Eigentümer rechtskräftig bestraft worden sei. Dem Berufungsvorbringen komme auch insoweit, als von einer mangelhaften Begründung, von der Nichtfeststellung des Waffeneigentümers und vom Mangel der Feststellung einer Mitschuld des Beschwerdeführers die Rede sei, keine Berechtigung zu. Da der Verfall der Waffe den Zweck habe zu verhindern, daß damit wieder "gewildert" werde, sei darin nicht nur eine Nebenstrafe, sondern auch eine Sicherungsmaßnahme zu erblicken, die ungeachtet der allenfalls eingetretenen Vollstreckungsverjährung angeordnet werden dürfe (Hinweis auf hg. Erkenntnis vom 12. September 1984, Slg. NF 11.506/A). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers könne auch nicht davon gesprochen werden, daß nach Verjährung der Tat seines Bruders ein neues Verwaltungsstrafverfahren eröffnet worden sei, weil der Beschwerdeführer in das gegen seinen Bruder durchgeführte Verwaltungsstrafverfahren durch Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses einbezogen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren verletzt. Die belangte Behörde habe eine Feststellung der Mitschuld des Beschwerdeführers in Form einer "Aburteilung" nach §§ 37 oder 38 Waffengesetz unterlassen. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Verfallsentscheidung ihm gegenüber gewesen. Der Bruder des Beschwerdeführers sei gemäß § 37 Abs. 1 lit. a Waffengesetz wegen unberechtigten Führens einer Schußwaffe bestraft worden, sodaß eine maßgebliche Mitschuld des Beschwerdeführers sich nur auf das Führen der Schußwaffe, nicht aber auf deren Überlassung beziehen könne. Eine Mitschuld des Beschwerdeführers am Führen der Schußwaffe durch seinen Bruder liege nicht vor, und enthalte der angefochtene Bescheid keine Begründung in dieser Richtung. Die belangte Behörde sei auch zu Unrecht vom Nichtvorliegen der Verjährung ausgegangen, weil es sich bei dem in § 10 VStG 1950 angeführten Verfall eindeutig um eine Strafe handle, die infolge des Verstreichens von weit mehr als drei Jahren seit dem in § 31 Abs. 2 VStG 1950 bezeichneten Zeitpunkt nicht mehr Gegenstand eines Straferkenntnisses sein bzw. nicht mehr vollstreckt werden dürfe. Das von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang zitierte hg. Erkenntnis sei zum Fernmeldegesetz ergangen und habe daher mit dem Waffengesetz nichts zu tun. In Ausführung der Verfahrensrüge bringt der Beschwerdeführer vor, der angefochtene Bescheid sei ohne eine Aufforderung zur Akteneinsicht bzw. Abgabe einer Stellungnahme ergangen. Das Mitverschulden des Beschwerdeführers habe die belangte Behörde damit begründet, daß er gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis Berufung erhoben habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 VStG 1950, in der Fassung BGBl. Nr. 295/1985, dürfen, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stehen oder ihm vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, daß die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde. Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen dürfen Gegenstände, die nach Abs. 1 verfallsbedroht sind, hinsichtlich derer aber eine an der strafbaren Handlung nicht als Täter oder Mitschuldiger beteiligte Person ein Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht nachweist, nur für verfallen erklärt werden, wenn die betreffende Person fahrlässig dazu beigetragen hat, daß mit diesem Gegenstand die strafbare Handlung begangen wurde, oder bei Erwerb ihres Rechtes von der Begehung der den Verfall begründeten strafbaren Handlung wußte oder hätte wissen müssen. Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen kann auf den Verfall selbständig erkannt werden, wenn keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann und im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung solcher Bescheide kann auch durch öffentliche Bekanntmachung bewirkt werden.

Gemäß § 31 Abs. 2 VStG 1950 ist die Verjährungsfrist - abgesehen vom hier nicht zutreffenden Fall, daß auf den Eintritt eines zum Tatbestand gehörenden Erfolges abzustellen ist - von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

Sind seit dem in Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre verstrichen, so darf nach § 31 Abs. 3 VStG 1950 ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt und eine verhängte Strafe nicht mehr vollstreckt werden. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder dem Verwaltungsgerichtshof ist in diese Frist nicht einzurechnen.

Gemäß § 39 Abs. 1 Waffengesetz 1986, BGBl. Nr. 443/1986, sind Waffen und Munition, die den Gegenstand einer nach § 37 oder § 38 strafbaren Handlung bilden, von der Behörde für verfallen zu erklären, wenn sie dem Täter oder einem Mitschuldigen gehören und die Verfallserklärung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit geboten ist oder wenn ihre Herkunft nicht feststellbar ist.

Das dem Bruder des Beschwerdeführers zur Last gelegte strafbare Verhalten des unbefugten Führens einer Schußwaffe wurde von den Verwaltungsbehörden mit 4. September 1984 angegeben. Auch unter Ausklammerung der Zeiträume, in denen Beschwerden des Beschwerdeführers bei den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts anhängig waren, waren im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides seit der Tat mehr als drei Jahre verstrichen. Dennoch führt die Einrede der Verjährung die Beschwerde nicht zum Erfolg, weil die Zulässigkeit eines Verfallsausspruches auch nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 3 VStG 1950 davon abhängt, ob der Zweck des Verfalles einzig und allein Nebenstrafe ist, oder ob in ihm (auch) eine Sicherungsmaßnahme zu erblicken ist (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3. Auflage, 1987, S 612, Anm. 7 und die dazu angeführte hg. Judikatur). Nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann aber im Ausspruch des Verfalles von Waffen und Munition gemäß § 39 Abs. 1 Waffengesetz keine bloße Strafmaßnahme, die nach Ablauf der Verjährungsfristen nach § 31 VStG 1950 nicht mehr zulässig wäre, erblickt werden, sondern stellt ein derartiger Verfallsausspruch im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der möglichsten Geringhaltung der von Feuerwaffen ausgehenden Gefahren eine Sicherungsmaßnahme dar, die nach § 17 Abs. 3 VStG 1950 ungeachtet der eingetretenen Vollstreckungsverjährung vorgenommen werden darf (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 12. September 1984, Slg. NF 11.506/A).

Dennoch erweist sich die Beschwerde im Ergebnis als berechtigt. Voraussetzung für den auf § 39 Abs. 1 Waffengesetz gestützten Verfall von Waffen und Munition ist, daß diese dem Täter oder einem Mitschuldigen gehören. Im Beschwerdefall steht unbestritten fest, daß der Beschwerdeführer Eigentümer der für verfallen erklärten Waffe ist. Im erstinstanzlichen, den Verfall der Waffe aussprechenden Straferkenntnis finden sich keinerlei Feststellungen darüber, wem die Waffe gehört, geschweige denn darüber, ob und inwieweit der Beschwerdeführer als Mitschuldiger an dem strafbaren Verhalten seines Bruders angesehen werden könne. In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde zwar in diesem Verfahren erstmals zum Ausdruck gebracht, daß sie Beihilfe im Sinne des § 7 VStG 1950 des Beschwerdeführers an der Tat seines Bruders für "glaubwürdiger und naheliegender" erachte, doch können diese lediglich in der Bescheidbegründung enthaltenen - im übrigen ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers getroffenen - Ausführungen nicht zur Feststellung ausreichen, daß der Beschwerdeführer Mitschuldiger im Sinne des § 39 Abs. 1 Waffengesetz ist. Hiefür bedürfe es vielmehr eines der Rechtskraft fähigen und sohin auch vom Beschwerdeführer gesondert bekämpfbaren bescheidmäßigen Abspruches über die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Art der Mitschuld (Anstiftung oder Beihilfe im Sinne des § 7 VStG 1950).

Da die belangte Behörde, indem sie ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen den Verfall der dem Beschwerdeführer gehörenden Feuerwaffe bestätigt hat, die Rechtslage verkannte, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu dessen Aufhebung führen mußte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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