VwGH 88/15/0131

VwGH88/15/013120.3.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Närr, Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der GR in V, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, Klagenfurter Straße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 22. Jänner 1988, Zl. 102/1- 5/87, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs1
BAO §101 Abs3
BAO §191 Abs3 lita
BAO §273 Abs1 lita
BAO §276 Abs1
BAO §278
BAO §81 Abs2
BAO §97 Abs1
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988150131.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom 12. März 1986 wurde für das Grundstück Nr. 255, EZ. 28, KG. X, der Einheitswert zum 1. Jänner 1980 im Wege einer Nachfeststellung gemäß § 22 Abs. 1 BewG mit S 457.000,-- festgestellt und sieben namentlich angeführten Personen, darunter auch die Beschwerdeführerin, anteilsmäßig zugerechnet. Dieser Bescheid ist an die "Gemeinschaft der Miteigentümer des nachstehend angeführten Grundbesitzes" zu Handen der Beschwerdeführerin gerichtet gewesen und wurde dieser am 25. März 1986 zugestellt.

In der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde der Feststellungsbescheid bekämpft und auch die Rechtsunwirksamkeit der Zustellung eingewendet.

Nachdem die Berufung mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen worden war, beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 278 BAO in Verbindung mit § 273 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurück. Begründet wurde diese Entscheidung unter Hinweis auf Literatur und Rechtsprechung im wesentlichen damit, daß der Einheitswertbescheid zum 1. Jänner 1980 mangels gesetzmäßiger Zustellung nicht rechtswirksam erlassen worden sei, weil es sich bei der Beschwerdeführerin, welcher der Bescheid zugestellt worden sei, um keine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person im Sinne des § 101 Abs. 3 BAO gehandelt habe.

Die Behandlung der zunächst an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG gerichteten Beschwerde wurde von diesem abgelehnt und die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Mit der vorliegenden Beschwerde wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Dem Beschwerdevorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid verstoße in mehrfacher Hinsicht gegen die Vorschriften der §§ 273, 276 und 278 BAO. Zunächst leitet die Beschwerdeführerin aus § 278 BAO in Verbindung mit § 273 BAO ab, sie sei kraft eigenen Rechtes gemäß § 81 BAO berechtigt gewesen, gegen den Einheitswertbescheid vom 12. März 1986 Berufung zu erheben, weil ein Bescheid nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften nicht mit der Zustellung an eine Person, sondern bereits mit der Unterfertigung durch das entscheidungsbefugte Organ und Übergabe an die "Abteilung" erlassen werde. Diese Ansicht findet jedoch in den für das Verfahren vor Abgabenbehörden des Bundes maßgebenden Vorschriften keine Deckung. § 97 Abs. 1 BAO bestimmt vielmehr ausdrücklich, daß schriftliche Erledigungen dadurch wirksam werden, daß sie demjenigen durch Zustellung bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Vom Verwaltungsgerichtshof wurde daher in ständiger Judikatur ausgesprochen, daß ein verwaltungsbehördlicher Bescheid erst mit seiner Bekanntgabe als erlassen gilt. Daher können noch nicht bekanntgegebene Erledigungen subjektiv-öffentliche Rechte nicht berühren und können bis zu ihrer Bekanntgabe jederzeit zurückgenommen, geändert oder durch andere Erledigungen ersetzt werden (siehe auch Stoll, Handbuch der Bundesabgabenordnung5, S. 229).

In diesem Zusammenhang wird von der Beschwerdeführerin zutreffend darauf hingewiesen, daß für die Zustellung des Bescheides vom 12. März 1986 kein Zustellungsbevollmächtigter im Sinne des § 81 Abs. 2 BAO bestimmt worden ist. Dennoch leitet die Beschwerdeführerin aus der zu ihren Handen erfolgten Zustellung des an die Gemeinschaft der Miteigentümer gerichteten Bescheides und aus ihrer Stellung als Beteiligte an dieser Miteigentümergemeinschaft für ihre eigene Rechtssphäre das Vorliegen einer ordnungsgemäß erfolgten Zustellung und daraus resultierend die Rechtswirksamkeit des Bescheides und damit der Zulässigkeit ihrer Berufung ab.

Auch in diesem Punkt vermag der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführerin nicht zu folgen. Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder an eine Personengemeinschaft gerichtet sind, einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird. Diese vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Erledigung gegenüber den vom Spruch Genannten treffen aber im vorliegenden Fall nicht zu. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich mangels entsprechender Namhaftmachung durch die Miteigentumsgemeinschaft einerseits und mangels förmlicher Bestellung durch das Finanzamt andererseits um keine vertretungsbefugte Person im Sinne des § 81 BAO. Der ausdrücklich an die Gemeinschaft der Miteigentümer gerichtete Bescheid vom 12. März 1986 konnte daher gegenüber der Miteigentümergemeinschaft mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht wirksam werden. Er konnte aber auch nicht als gegenüber der Beschwerdeführerin ergangen angesehen werden, weil er, um seine Wirkung im Sinn des § 191 Abs. 3 BAO zu erreichen, nicht nur an die Gemeinschaft zu richten gewesen wäre, sondern eine an eine für die Gemeinschaft vertretungsbefugte Person zugestellt hätte werden müssen.

Auch der Hinweis der Beschwerde, auf das der Beschwerdeführerin nach § 273 Abs. 2 BAO grundsätzlich zustehende Recht, eine Berufung schon vor Erlassung des Bescheides einbringen zu können, ist im gegenständlichen Fall nicht zielführend, weil die Behandlung einer vorzeitig eingebrachten Berufung jedenfalls zur Voraussetzung hat, daß ein entsprechender Bescheid bis zur Entscheidung über die Berufung ergangen ist.

Soweit von der Beschwerdeführerin die Meinung vertreten wird, der angefochtene Bescheid verstoße auch gegen § 278 BAO in Verbindung mit § 273 BAO, weil durch ihn der Bescheid vom 12. März 1986 nicht aufgehoben oder für nichtig erklärt worden sei, obwohl die Beschwerdeführerin ein rechtliches Interesse an der Beseitigung dieses Bescheides habe, übersieht die Beschwerdeführerin, daß dieser Bescheid nachdem vorher Gesagten nicht rechtswirksam ergangen ist und daher auch nicht dem Rechtsbestand angehört.

Auch dem zuletzt von der Beschwerde vorgebrachten Einwand, die belangte Behörde wäre, nachdem die Berufung durch die Abgabenbehörde erster Instanz mittels Berufungsvorentscheidung abgewiesen worden sei, nicht berechtigt gewesen, die Berufung als unzulässig zurückzuweisen, kommt keine Berechtigung zu. Gemäß § 278 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu prüfen, ob ein von der Abgabenbehörde erster Instanz nicht aufgegriffener Grund zur Zurückweisung der Berufung vorliegt. Ist ein solcher Grund gegeben, so hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Zurückweisung mit Bescheid auszusprechen. Einem derartigen Ausspruch durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz steht somit auch eine Berufungsvorentscheidung nicht entgegen, mit der die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung abgewiesen hat (siehe z. B. Stoll, Handbuch der Bundesabgabenordnung5, S. 665, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1954, Zl. 293/54, Slg. Nr. 1065/F).

Aus den dargelegten Gründen erweist sich sohin die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 20. März 1989

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