VwGH 88/15/0068

VwGH88/15/006829.1.1990

N gegen Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 18. Mai 1988, Zl. 42/10-9/Pr-1988 betreffend Kraftfahrzeugsteuer

Normen

AVG §45 Abs2 impl;
AVG §45 Abs2;
AVG §52 Abs1 impl;
AVG §52 impl;
BAO §167 Abs2;
BAO §177;
KfzStG §2 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2 impl;
AVG §45 Abs2;
AVG §52 Abs1 impl;
AVG §52 impl;
BAO §167 Abs2;
BAO §177;
KfzStG §2 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte beim Finanzamt Befreiung von der Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer für den für ihn amtlich zugelassenen Pkw mit der Begründung, er benötige zur persönlichen Fortbewegung auf Grund seiner körperlichen Behinderung dringend ein Kraftfahrzeug. Zum Nachweis der körperlichen Behinderung verwies der Beschwerdeführer auf dem Antrag beigeschlossene ärztliche Zeugnisse und Befunde, die jedoch in den Verwaltungsakten nicht enthalten sind. Der an ihn ergangenen Ladung für den 3. Juni 1987 zum Amtsarzt leistete der Beschwerdeführer keine Folge und teilte in einem Entschuldigungsschreiben vom 23. Juni 1987 dem Amtsarzt mit, daß seine Schmerzen seit einigen Wochen merklich nachgelassen hätten, dadurch sein Antrag um Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer im Augenblick nicht "realisierbar" erscheine. Sollte aber der alte schmerzhafte Zustand wieder eintreten - was ganz sicher früher oder später der Fall sein werde -, würde er sich wieder "in Erinnerung bringen". Bis dahin ersuche er den Amtsarzt um vorläufige "Rückstellung seines Antrages (Verwahrung)".

Mit Bescheid vom 23. Juni 1987 wies das Finanzamt das Ansuchen des Beschwerdeführers im wesentlichen mit der Begründung ab, da sich seine Schmerzen an den Beinen derart gebessert hätten, benötige er zur persönlichen Fortbewegung nicht unbedingt ein Kraftfahrzeug.

In der dagegen erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer ein, die vorübergehend eingetretene Besserung seiner Schmerzen ändere nichts daran, daß er infolge seines Leidens zur persönlichen Fortbewegung unbedingt ein Kraftfahrzeug benötige.

Nachdem das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er betonte neuerlich, daß er nicht nur wegen Diabetes mell. 30 % erwerbsgemindert sei, sondern außerdem wegen dauerndem Ischiasleiden zufolge Linksscoliose der Lendenwirbelsäule mit deformierenden Veränderungen, einer Spina diff. occulta etc. zu 50 % arbeitsunfähig sei. Dies sei ihm vom Amtsarzt Dr K bescheinigt worden. Diese Bescheinigung liege in der Lohnsteuerstelle auf und stütze sich auf ein Gutachten der neurologischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Linz. Auch sein Hausarzt Dr T könne dies bescheinigen.

Nach Aufforderung durch die belangte Behörde legte der Beschwerdeführer ein amtsärztliches Gutachten vom 20. Oktober 1987 vor, mit dem bestätigt wird, daß der Beschwerdeführer an einer höhergradigen Wirbelsäulendegeneration und chronischer Arthritis am linken Fußgelenk leide, und daß die Voraussetzungen für eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung gegeben seien, da der infolge körperlicher Schädigung Körperbehinderte zur persönlichen Fortbewegung ein Kraftfahrzeug verwenden müsse. Der Zustand sei dauernd.

Hierauf ersuchte die belangte Behörde den Amtsarzt um Mitteilung, ob der Beschwerdeführer auf Grund seiner körperlichen Gebrechen tatsächlich ständig ein Kraftfahrzeug zu seiner persönlichen Fortbewegung verwenden müsse. Die belangte Behörde verwies auf das seinerzeitige an den Amtsarzt gerichtete Schreiben des Beschwerdeführers, mit dem er mitgeteilt hatte, daß seine Schmerzen seit einigen Wochen merklich nachgelassen hätten. In Beantwortung dieses Schreibens gab der Amtsarzt folgende ergänzende Stellungnahme ab: "Da ein Befund nur einen Teil des klinischen Bildes eines Leidenszustandes darstellen kann und letzteres im wesentlichen Maße zur Beurteilung herangezogen werden muß, ist ärztlicherseits anzunehmen, daß Obgenannter das Kraftfahrzeug zwar vorübergehend oder zeitweise, jedoch nicht ständig zu seiner persönlichen Fortbewegung verwenden muß".

In der Stellungnahme zu der Gutachtensergänzung wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß dadurch der einmal festgestellte Dauerzustand seines Leidens nicht widerlegt worden sei. Überdies sei dem Amtsarzt bei der Untersuchung bekannt gewesen, daß zu diesem Zeitpunkt eine leichte Besserung eingetreten sei. Schließlich ändere eine minimale Schmerzreduktion in keiner Weise die nach wie vor vorhandene Gehbehinderung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie nach Wiedergabe des § 2 Abs. 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1952, BGBl. Nr. 110 in der Fassung BGBl. Nr. 299/1981 (in der Folge kurz: KfzStG), unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, aus, es könne nach den Angaben des Beschwerdeführers keine Rede davon sein, daß er das Kraftfahrzeug ständig benutzen müsse, da er selbst einräume, daß vorübergehend eine Besserung seines Leidenszustandes eingetreten sei. Dies werde auch durch das Gutachten des Amtsarztes bestätigt. Es fehle sohin an der wesentlichsten Voraussetzung für die Gewährung der angestrebten Steuerbefreiung, da der Beschwerdeführer nur zeitweilig genötigt sei, ein Kfz zu seiner Fortbewegung zu verwenden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Den Beschwerdeausführungen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer wegen körperlicher Behinderung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 2 KfzStG sind für Körperbehinderte zugelassene Kraftfahrzeuge, die von diesen Personen infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden müssen, auf Antrag von der Steuer zu befreien.

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß das Kraftfahrzeug infolge der körperlichen Beschädigung des Steuerpflichtigen ständig und nicht bloß vorübergehend oder zeitweise verwendet werden muß (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. November 1987, Zl. 87/15/0053).

Im Beschwerdefall steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht die Körperbehinderung des Beschwerdeführers an sich, sondern die Frage in Streit, ob der Beschwerdeführer zur persönlichen Fortbewegung ständig ein Kraftfahrzeug verwenden muß. Während dies die belangte Behörde unter Berufung auf das Gutachten samt Nachtrag eines Amtsarztes verneint, hält der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde für unzutreffend bzw. das durchgeführte Ermittlungsverfahren für mangelhaft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde vom Gerichtshof nur in Richtung ihrer Schlüssigkeit (Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut) sowie darauf überprüfbar, ob das Verfahren, auf Grund dessen die Beweiswürdigung vorgenommen wurde, dem Gesetz entspricht (vgl. hiezu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dritte Auflage, S. 548 ff, angeführten hg. Erkenntnisse).

Der belangten Behörde standen für die Entscheidung der Frage, ob der Beschwerdeführer auf Grund seiner unbestritten bestehenden Körperbehinderung ständig gezwungen ist, zu seiner persönlichen Fortbewegung ein Kraftfahrzeug zu verwenden, das diese Frage zunächst bejahende Gutachten eines Amtsarztes und der dieser Aussage widersprechende Nachtrag desselben Amtsarztes zur Verfügung. Obwohl die Richtigkeit des Nachtrages vom Beschwerdeführer entschieden im wesentlichen mit der keineswegs von der Hand zu weisenden Erklärung bestritten worden ist, der Amtsarzt habe die Frage der Notwendigkeit der ständigen Benützung des Kraftfahrzeuges durch den Beschwerdeführer im Nachtrag zum Gutachten abweichend von diesem Gutachten verneint, und, obwohl auch der von ihm selbst bei der Untersuchung festgestellte Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zwischenzeitig keine Änderung erfahren habe, hat die belangte Behörde keinen Versuch unternommen, diesen Widerspruch im Verwaltungsverfahren aufzuklären. Die belangte Behörde hat sich nicht einmal in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit diesem Widerspruch auseinandergesetzt und insbesondere keine Erklärung dafür gegeben, warum sie dennoch den Feststellungen des amtsärztlichen Nachtrages bei ihrer Entscheidung gefolgt ist. Der Amtsarzt hat auf Grund der von ihm vorgenommenen Untersuchung, also in voller Kenntnis des Gesundheitszustandes des 1907 geborenen Beschwerdeführers ein Gutachten erstattet, in dem er den als dauernd bezeichneten Leidenszustand des Beschwerdeführers dahingehend beurteilt hat, daß der körperbehinderte Beschwerdeführer zur persönlichen Fortbewegung ein Kraftfahrzeug verwenden muß. Daher ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum die belangte Behörde dennoch ihrer Entscheidung das das ursprüngliche Gutachten ohne jeden Grund korrigierende Nachtragsgutachten des Amtsarztes zu Grunde gelegt hat. Im übrigen hält der Verwaltungsgerichtshof die Annahme mit dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut unvereinbar, daß bei der beim mehr als 80-jährigen Beschwerdeführer als Dauerzustand festgestellten höhergradigen Wirbelsäulendegeneration und chronischen Arthritis am linken Fußgelenk, eine vorübergehende Schwankung in der Intensität der damit verbundenen Schmerzen, die durch die eingetretene Körperbehinderung ausgelöste Notwendigkeit der Benützung eines Kraftfahrzeuges zur persönlichen Fortbewegung beeinflussen kann.

Da die belangte Behörde es unterlassen hat, die sich aus dem Nachtragsgutachten ergebenden Widersprüche - allenfalls durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens - aufzuklären, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Der aufgezeigte Verfahrensmangel ist wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeiden desselben zu einem anderen Bescheid gelangen hätte können.

Der angefochtene Bescheid war somit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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