VwGH 88/15/0015

VwGH88/15/001511.9.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Närr, Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des GW in R, vertreten durch Dr. Andreas Peyrer-Heimstätt, Rechtsanwalt in Wien I, Franziskanerplatz 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 19. November 1987, Zl. B 198 - 3/86, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1982 und 1983, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §1 Abs1 Z1
UStG 1972 §12 Abs1
UStG 1972 §12 Abs1 Z1
UStG 1972 §2 Abs1
UStG 1972 §3 Abs9
UStG 1972 §6 Z8 lita
UStG 1972 §6 Z8 litc

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988150015.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob (im Sinn der Beschwerde) die - Guthaben bewirkenden und daher Zinsen bringenden - Einzahlungen bzw. Spareinlagen des Beschwerdeführers (ein Steuerberater mit Sitz im Ausland, der als Steuerberater ausschließlich im Ausland sonstige Leistungen ausführt) im Inland ihn zum Abzug der von einem inländischen Wirtschaftstreuhänder in dessen Honorarnoten an ihn gesondert ausgewiesene Steuer (Vorsteuerbeträge) für sonstige Leistungen, die der inländische Wirtschaftstreuhänder im Inland für den Beschwerdeführer als ausländischen Steuerberater ausführte, berechtigen oder (im Sinn der belangten Behörde) nicht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf die Streitjahre 1982 und 1983 ist die dargestellte Frage auf Grund des UStG 1972 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 587/1983 (in der Folge: UStG) zu beantworten.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 erster Satz UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Nach § 1 Abs. 2 UStG ist Inland das Bundesgebiet. Ausland ist das Gebiet, das hienach nicht Inland ist.

Auf Grund des § 2 Abs. 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfaßt die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Gemäß § 6 Z. 8 UStG sind u.a. von den unter § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 fallenden Umsätze steuerfrei: a) die Gewährung .... von

Krediten .... c) die Umsätze im Einlagengeschäft und

Kontokorrentverkehr einschließlich Zahlungs- und Überweisungsverkehr .....

Nach § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG kann der Unternehmer, der im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt oder im Inland seinen Sitz oder eine Betriebsstätte hat, die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: Die von anderen Unternehmen in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

Auf Grund des § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. b UStG gelten nicht als für das Unternehmen ausgeführt Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit einer Tätigkeit stehen, die auf Dauer gesehen Gewinne oder Einnahmenüberschüsse nicht erwarten läßt (Liebhaberei).

Da der Begriff des Unternehmens ohne räumliche Begrenzung gilt, umfaßt es alle Betriebe des Unternehmers im In- und Ausland (siehe z.B. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, Band I4, Wien 1989, S. 283 letzter Abs). Die oben angeführte Steuerbefreiung gemäß § 6 Z. 8 lit. a und c UStG (unechte Steuerbefreiung bzw. ohne Vorsteuerabzug) hat nicht die Ausführung dieser Umsätze durch Kreditinstitute zur Voraussetzung (siehe z.B. den letzten Satz der Erläuterungen zu § 6 Z. 8 der Regierungsvorlage zum UStG 1972 - 145 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP).

Die grundsätzlichen Vorschriften darüber, welche Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sind und unter welchen Voraussetzungen sie den Vorsteuerabzug vornehmen können, enthält aber § 12 Abs. 1 UStG (siehe z.B. Abs. 2 erster Satz der Erläuterungen zu § 12 der zitierten Regierungsvorlage). Danach muß

der Unternehmer, der - wie der Beschwerdeführer - im Inland weder Sitz noch Betriebsstätte hat, im Inland Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausführen. Ob dies der Fall ist oder nicht, ist entgegen der von der Beschwerde vertretenen Auffassung isoliert, d. h. losgelöst von der Unternehmertätigkeit im Ausland, zu prüfen.

Nun hat der Verwaltungsgerichtshof das Schwergewicht der Leistungen des Darlehensgebers (einer Bank im Inland) in dem Dulden der Nutzung des Kapitals durch den Darlehensnehmer erblickt (siehe z.B. das Erkenntnis vom 6. November 1980, Zl. 215/78, Slg. Nr. 5526/F). Diese Rechtsansicht steht aber keineswegs in Widerspruch zu der vom Bundesfinanzhof mit Urteil vom 1. Februar 1973, BStBl. 1973 II S. 172, vertretenen Auffassung, der sich auch der Verwaltungsgerichtshof anschließt, wonach es dahingestellt bleiben konnte, welche Art von Leistungen im Rechtssinn in dem damals in Rede stehenden Verhalten der Klägerin zu erblicken sei (z.B. Kreditgewährung, Darlehen); in wirtschaftlichem Sinn lägen jedenfalls nach der Verkehrsauffassung Leistungen nicht vor, da das Verhalten der Klägerin bei der Ansammlung von Kapital nicht über das Nutzen des eigenen und das Einsammeln von Nutzungen hinausgehe und damit den Rahmen des Eigenlebens (der privaten Sphäre) nicht überschreite. Näher liege es vielmehr, in Fällen der Geldeinlage auf Bankkonten, insbesondere auf Girokonten zur Inanspruchnahme der Bank im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, wirtschaftliche Leistungen einer Bank gegenüber dem Kunden zu erblicken. Die gegenteilige Auffassung würde zu einer nicht vertretbaren Ausdehnung des ohnedies schon weit gespannten Unternehmerbegriffs führen mit der unsinnigen Folge, daß im Anwendungsbereich des Umsatzsteuergesetzes die Unternehmereigenschaft praktisch jedermann zugesprochen werden müsse. Das aber könne dem Willen des Gesetzgebers nicht entsprechen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Rechtsansicht des Bundesfinanzhofes und vermag daher keine Rechtswidrigkeit darin zu erblicken, wenn die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides von dieser Auffassung ausging. Entgegen der von der Beschwerde vertretenen Ansicht besteht nämlich wegen der gebotenen, bereits erwähnten isolierten Betrachtung der sonstigen Leistungen des Beschwerdeführers im Inland kein wesentlicher Unterschied zwischen dem vorliegenden und dem damals vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall, in dem die Klägerin in dem entscheidungswesentlichen Zeitraum nur mehr Giro-, Bauspar- und Sparkonten "unterhielt".

Bei dieser - von dem wesentlichen Vorbringen des Beschwerdeführers selbst im Abgabenverfahren ausgehend - nicht rechtswidrigen Beurteilung durch die belangte Behörde bedarf es keiner Erörterung weiterer Fragen, wie z.B. des Spareinlagenvertrages mit einem Kreditinstitut als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag, der durch §§ 18 f KWG sowie AGB weitgehend geregelt ist (siehe z.B. Schubert in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 1. Band, Wien 1983, Rz 3 zu § 959), des Girogeschäftes (siehe z.B. Fremuth-Laurer-Pötzelberger, Handkommentar zum Kreditwesengesetz, Wien 1984, Rz 24 zu § 1), der durchlaufenden Posten - in der Beschwerde wird betont, die Bankkonten würden nämlich ausschließlich dazu benutzt, die Vorsteuererstattungen der ausländischen Klienten des Beschwerdeführers zahlungstechnisch abzuwickeln (siehe z.B. Doralt-Ruppe, a.a.O., S. 274 letzter Abs., und S. 314 Abs. 4), der Liebhaberei, der Zulässigkeit eines Umkehrschlusses zu § 12 Abs. 3 Z. 3 UStG und ob es im Sinn des Gesetzgebers liegt oder nicht (siehe z.B. die allgemeine Begründung in den zitierten Erläuterungen S. 22 rechts Abs. 1 und S. 23 rechts Abs. 2), den zur Kürzung der aus den Umsätzen errechneten Steuer gedachten Vorsteuerabzug auch in Fällen anzuwenden, in denen eine solche Kürzung von vorherein nicht denkbar ist, wie z.B. bei sonstigen (im Inland als einzige ausgeführten) steuerbaren, aber unecht steuerbefreiten Leistungen (an dieser Stelle ist im Hinblick auf das zu Punkt 85 Abs. 2 des Durchführungserlasses zum Umsatzsteuergesetz 1972 angeführte Beispiel zu bemerken, daß dieser Erlaß schon mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine für den Verwaltungsgerichtshof verbindliche Rechtsquelle darstellt).

Im Hinblick auf das klare Vorbringen des Beschwerdeführers im Abgabenverfahren war die belangte Behörde auch nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet. In der Unterlassung einer Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem zitierten Urteil des Bundesfinanzhofes liegt keine Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs.

Aus den dargelegten Erwägungen war die vorliegende Beschwerde als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 11. September 1989

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