VwGH 88/14/0096

VwGH88/14/009626.4.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der RW in H, vertreten durch Dr. Reinhard Anderle, Rechtsanwalt in Linz, Jahnstraße 10, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 9. März 1988, Zl. 12/11/1-BK/D-1987, betreffend Einkommensteuer für 1982 und 1983, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §24 Abs3;
EStG 1972 §28 Abs1 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988140096.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.782,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin führte bis einschließlich 1982 einen Gastgewerbebetrieb. Zu Ende dieses Jahres legte sie ihre Gewerbeberechtigung zurück und bezog ab 1. Jänner 1983 eine vorzeitige Alterspension gemäß § 131 GSVG. Schon mit dem Pachtvertrag vom 16. Dezember 1982 hatte die Beschwerdeführerin den Gastgewerbebetrieb ab 1. Jänner 1983 an ihre Tochter verpachtet. Die Verpachtung endete nach diesem Vertrag mit 30. April 1984, wurde aber durch mündliche Vereinbarung bis 31. Dezember 1985 verlängert. Mit Vertrag vom 23. Jänner 1986 kam es dann zum 1. Jänner 1986 zur Übergabe des Betriebes an die Tochter.

Die belangte Behörde unterstellte mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid, gestützt auf die Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung (BP), daß die Beschwerdeführerin den Gastgewerbebetrieb anläßlich der Verpachtung an die Tochter zum 31. Dezember 1982 im Sinne des § 24 Abs. 3 EStG 1972 aufgegeben hätte. Sie bestätigte den von der BP ermittelten Aufgabegewinn in Höhe von S 5,220.771,--, der nach der vorliegenden, sowohl wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch wegen dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach - nämlich hinsichtlich des Entnahmewertes des Betriebsgebäudes - strittig ist. Kein Streit besteht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens darüber, daß die Pachteinnahmen des Jahres 1983 bei fehlender Betriebsausgabe zu Einkünften aus Gewerbebetrieb und bei anzunehmender Betriebsaufgabe zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Verpachtung eines Betriebes bewirkt in der Regel keine Betriebsaufgabe im Sinne des § 24 Abs. 3 EStG 1972. Betriebsaufgabe liegt aber ausnahmsweise dann vor, wenn das Gesamtbild der Verhältnisse für die Absicht des Verpächters spricht, den Betrieb nach Auflösung des Pachtvertrages nicht mehr weiterzuführen. Es muß dann aber die Gesamtheit der dafür maßgebenden Tatsachen mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hinweisen, daß der Verpächter selbst den Betrieb nie mehr wieder auf eigene Rechnung und Gefahr führen wird, wobei es allerdings nicht nötig ist, daß letzteres wegen rechtlicher oder sachlicher Unmöglichkeit für immer völlig ausgeschlossen ist (siehe insbesondere die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1982, Zl. 82/14/0041, vom 15. Februar 1983, Zlen. 82/14/0118, 130, und vom 3. Oktober 1984, Zl. 83/13/0004). Wurde keine Sachlage geschaffen, nach der mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit objektiv darauf zu schließen ist, daß eine neuerliche Führung des Unternehmens durch den Verpächter nicht mehr in Betracht kommt, so liegt auch keine Betriebsaufgabe vor (siehe nochmals das Erkenntnis Zl. 82/14/0041).

Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall wohl zwei Indizien für sich, die auf eine Betriebsaufgabe hindeuten, nämlich die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung und die Zuerkennung der "Gewerbepension" an die Beschwerdeführerin gemäß § 131 GSVG (vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer) anläßlich der Betriebsverpachtung. Es handelt sich dabei aber nach der zitierten Rechtsprechung eben nur um Indizien, die allein nicht von ausschlaggebender Bedeutung, sondern im Rahmen des Gesamtbildes der Verhältnisse zu würdigen sind. Dazu kommt im Beschwerdefall, daß beide Indizien auf einen einzigen Beweggrund, nämlich den der Erlangung der Alterspension, zurückzuführen sind, weil bei dieser Pension der Pensionsanspruch voraussetzt, daß die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes erloschen ist (siehe § 130 Abs. 2 lit. a im Zusammenhalt mit § 131 Abs. 1 lit. d GSVG). Unwidersprochen blieb seitens der belangten Behörde, daß für die Beschwerdeführerin keine Hindernisse bestanden hätten, die Gewerbeberechtigung wieder zu erlangen. Die vorzeitige Alterspension wäre zwar, wenn die Beschwerdeführerin ihre Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen hätte, zunächst weggefallen, sie wäre aber wieder aufgelebt, wenn die Beschwerdeführerin die Erwerbstätigkeit später neuerlich eingestellt hätte (§ 131 Abs. 2 GSVG). Obgleich der Zurücklegung der Gewerbeberechtigung und der Inanspruchnahme der Alterspension Indiziencharakter in Richtung einer Betriebsaufgabe nicht abzusprechen ist, standen doch diese beiden Umstände einer allfälligen Wiederaufnahme der gastgewerblichen Tätigkeit durch die Beschwerdeführerin - ohne schwerwiegende Beeinträchtigung ihrer Interessen - jedenfalls nicht entgegen.

Im Alter und im Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin vermag der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Auffassung der belangten Behörde keine Indizien für eine Betriebsaufgabe zu erkennen. Die am 3. April 1925 geborene Beschwerdeführerin war bei Abschluß des Pachtvertrages vom 16. Dezember 1982 57 und bei dessen zunächst vorgesehenem Ende mit 30. April 1984 59 Jahre alt. Ein solches Alter steht der Wiederaufnahme einer gewohnten Tätigkeit in einem früher selbst geführten Betrieb nicht entgegen. Bezüglich des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin enthält der angefochtene Bescheid nicht viel mehr als die Behauptung, er spreche (im Zusammenhang mit dem Alter) für die Betriebsaufgabe. Warum dies und ob dies unabänderlich so gewesen sein sollte, ist im angefochtenen Bescheid in keiner, und schon gar nicht in nachprüfbarer Weise dargetan. Die Berufung bestritt noch dazu, daß der Gesundheitszustand die Beschwerdeführerin zur Betriebsaufgabe zwang.

Vor allem brachte die Beschwerdeführerin in der Berufung durchaus glaubhaft und von der belangten Behörde unwiderlegt vor, daß der Betrieb der Tochter (der späteren Pächterin) zum 1. Jänner 1982 übergeben werden sollte, und zwar in Erwartung einer erfolgreichen Betriebsführung durch sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten (Schwiegersohn der Beschwerdeführerin). Vor Unterzeichnung des Übergabsvertrages habe sich jedoch herausgestellt, daß die Ehe der Tochter in einer Krise steckte, weshalb die vorgesehene Übergabe nicht stattgefunden hätte. Im Herbst 1982 habe sich die Beschwerdeführerin zu einer kurzfristen Verpachtung des Betriebes (vom 1. Jänner 1983 bis 30. April 1984) an die Tochter entschlossen, weil sie einerseits die Möglichkeit, den Betrieb im Familienbesitz zu übergeben, nicht habe verschließen wollen, sie andererseits jedoch starke Zweifel hegte, ob die Tochter den Betrieb ohne ihren Ehegatten - dieser hätte inzwischen in einem anderen Ort einen gastgewerblichen Betrieb gepachtet - werde erfolgreich führen können. Da diese Zweifel zum vorgesehenen Pachtende noch bestanden hätten, sei abgesprochen worden, die Pacht letztmalig bis Ende 1985 zu verlängern. Die Ehe der Tochter sei schließlich am 10. Mai 1984 geschieden worden. Bei Abschluß des Pachtvertrages habe die Beschwerdeführerin damit rechnen müssen, den Betrieb bei dessen Ablauf wieder selbst führen zu müssen. So sei dem auch im Pachtvertrag bestimmt, daß der Warenbestand der Pächterin bei Vertragsende von der Verpächterin übernommen und ausbezahlt werde, was nur einen Sinn habe, wenn der Betrieb wieder selbst geführt werden solle. Die kurze Dauer des Pachtvertages von 16 Monaten und die im Vertrag enthaltene Betriebspflicht sprächen eindeutig gegen eine Betriebsaufgabe.

Die Ausführungen der Berufung über eine geplante Betriebsübergabe an die Tochter zum 1. Jänner 1982 bestätigt ein aktenkundiger Aktenvermerk eines Notars, das Vorbringen über die Ehekrise der Tochter erhärtet die Ehescheidung am 10. Mai 1984.

Letztlich läßt der Pachtvertrag vom 16. Dezember 1982 keineswegs im Sinne des schon mehrfach erwähnten Erkenntnisses vom 4. Mai 1982, Z1. 82/14/0041, den Schluß zu, daß - bezogen auf den 1. Jänner 1983 als den Tag der angenommenen Betriebsaufgabe - eine neuerliche Betriebsführung durch die Beschwerdeführerin nicht mehr in Betracht kam. Vielmehr steht schon die zunächst bloß 16 monatige Pachtdauer dieser Annahme eindeutig entgegen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1975, Zl. 1303/75). Der Pachtvertrag nimmt auch durchaus auf eine Betriebsführung durch den Verpächter nach Ende des Pachtverhältnisses Bedacht, wenn er der Pächterin eine Betriebspflicht auferlegt, sie verpflichtet, das Pachtobjekt in gutem, gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten, der Verpächterin das Recht einräumt, bewegliche Anschaffungen der Pächterin abzulösen, wenn er die Pächterin dazu verhält, beschädigte oder verlorene kurzlebige Wirtschaftsgüter zu ersetzen, mit Ablauf des Pachtvertrages das Pachtobjekt der Verpächterin in betriebsbereitem Zustand zurückzustellen und der Verpächterin die bei Ablauf des Pachtvertrages vorhandenen Waren zu verkaufen. Nach der Aktenlage handelt es sich gleich dem hg. Erkenntnis vom 21. November 1961, Zl. 1064/61, um einen Fall, in dem ein Gewerbebetrieb zunächst verpachtet und erst wenn die nötige Vertrauensgrundlage zwischen den Vertragspartnern geschaffen ist, dem Pächter übergeben werden soll; in einem solchen Fall bewirkt die Verpachtung noch nicht den endgültigen Zustand einer Betriebsaufgabe.

Das Begründungselement des angefochtenen Bescheides, die Beschwerdeführerin hätte den Betrieb mit Ablauf des Pachtvertrages zum 30. April 1984 selbst wieder übernommen und nicht eine Verlängerung bis 31. Dezember 1985 durchgeführt, falls die Tochter den Betrieb im Sinne der Berufungsausführungen nicht erfolgreich geführt hätte, widerlegt nicht das Berufungsvorbringen, daß sich die Beschwerdeführerin über die geschäftlichen Fähigkeiten der Tochter nach der 16 monatigen Pacht (am 30. April 1984) noch kein endgültiges Bild machen konnte, wobei in diesem Zusammenhang auch in Rechnung zu stellen ist, daß zum 30. April 1984 die Ehescheidung der Tochter (10. Mai 1984) unmittelbar bevorstand.

Bei dem im angefochtenen Bescheid erwähnten Gespräch des Betriebsprüfers mit der Beschwerdeführerin dürfte es sich um jene Unterredung handeln, die im Aktenvermerk der BP vom 29. Oktober 1985 festgehalten ist. Diese Unterredung fand im Zuge der BP im Oktober 1985 statt. Eine Aussage der Beschwerdeführerin zu dieser Zeit, sie werde den Betrieb auf keinen Fall noch einmal selbst weiterführen, sagt nichts über die Absicht der Beschwerdeführerin im Jahre 1982 (Jahr der als Betriebsaufgabe gewerteten Verpachtung). Im übrigen läßt selbst dieser Aktenvermerk darauf schließen, daß die Verpachtung an die Tochter nur als solche auf Probe im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 21. November 1961, Zl. 1064/61, gedacht war. Nur am Rande sei noch vermerkt, daß sich den Akten des Verwaltungsverfahrens nicht entnehmen läßt, ob besagter Aktenvermerk der Beschwerdeführerin auch zur Kenntnis gebracht wurde.

Die belangte Behörde unterstellte somit zu Unrecht eine Betriebsaufgabe zum 1. Jänner 1983. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Mangels Betriebsaufgabe konnten Erörterungen über die Höhe des Aufgabegewinnes bzw. den Entnahmewert des Betriebsgebäudes unterbleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 26. April 1989

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