VwGH 88/13/0202

VwGH88/13/020211.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des L gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 16. September 1988, Zl. GA 7-1492/88, betreffend Nachsicht von Abgaben, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §212 Abs1;
BAO §212 Abs2;
BAO §4 Abs2 lita Z1;
EStG 1972 §45 Abs1;
EStG 1972 §45 Abs2;
EStG 1972 §45 Abs3;
BAO §212 Abs1;
BAO §212 Abs2;
BAO §4 Abs2 lita Z1;
EStG 1972 §45 Abs1;
EStG 1972 §45 Abs2;
EStG 1972 §45 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Einkommensteuer-Vorauszahlung des Beschwerdeführers für das erste Quartal 1988 betrug laut Vorauszahlungs-Festsetzung S 7,358.000,-- (Jahresvorauszahlung: S 29,432.000,--). Noch vor Fälligkeit dieses Betrages, nämlich am 2. März 1988 beantragte der Beschwerdeführer die Herabsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlung für das Jahr 1988 auf insgesamt S 13,663.000,--. Das entsprach einem Teilbetrag für das erste Quartal von S 3,415.750,--. Gleichzeitig wurde um Stundung des Differenzbetrages in Höhe von S 3,942.250,-- ersucht. Das Finanzamt gab beiden Anträgen statt.

In der Folge kam es durch die irrtümliche Doppelverrechnung von Familienbeihilfe im Ausmaß von S 2.400,-- zu einem Terminverlust, der zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages in Höhe von S 78.845,-- führte. Außerdem waren dem Beschwerdeführer für die bewilligte Stundung des Differenzbetrages an Einkommensteuer-Vorauszahlung für das erste Quartal 1988 Stundungszinsen in Höhe von S 20.925,-- vorgeschrieben worden.

Der Beschwerdeführer ersuchte um Nachsicht des Säumniszuschlages und der Stundungszinsen.

Das Finanzamt gab dem Antrag teilweise Folge. Es bejahte bezüglich der Rechtsfolgen des Terminverlustes das Vorliegen einer unbilligen Härte und sah einen Teilbetrag des Säumniszuschlages im Ausmaß von S 66.577,-- nach. Der Differenzbetrag von S 12.268,-- wurde mit der Begründung nicht nachgesehen, daß der Beschwerdeführer in dieser Höhe Stundungszinsen zu entrichten gehabt hätte, wenn es zu keinem Terminverlust gekommen wäre. In der Vorschreibung von Stundungszinsen erblickte das Finanzamt keine unbillige Härte, weil bereits fällig gewordene Vorauszahlungsteilbeträge durch eine Änderung in der Höhe der Vorauszahlung gemäß § 45 Abs. 3 EStG nicht berührt würden. Das bedeute, daß sie trotz späterer Herabsetzung termingerecht zu entrichten seien. Dieser gesetzlichen Verpflichtung könne nur durch eine Stundung begegnet werden, für die aber auf Grund gesetzlicher Anordnung Stundungszinsen zu entrichten seien. Die Stundungszinsen seien daher das Ergebnis allgemein gültiger Rechtsvorschriften, die auf alle Abgabepflichtigen in gleicher Weise anzuwenden seien und keine unbillige Härte im Einzelfall darstellten.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. In der Vorschreibung einer Einkommensteuer-Vorauszahlung, die den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspreche, sei sehr wohl eine unbillige Härte zu erblicken. Sowohl der Säumniszuschlag als auch die Stundungszinsen seien auf diesen Umstand zurückzuführen und basierten letztlich auf einem nur "fiktiv" gegebenen Abgabenrückstand. Auch sei zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer bisher stets pünktlich und korrekt seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab, indem sie sich der Rechtsansicht des Finanzamtes anschloß.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 1 und 2 EStG hat der Steuerpflichtige auf die Einkommensteuer Vorauszahlungen zu entrichten, die je zu einem Viertel am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember zu leisten sind. Abs. 3 des zitierten Paragraphen bestimmt, daß bereits fällig gewordene Vorauszahlungsteilbeträge durch eine Änderung in der Höhe der Vorauszahlung nicht berührt werden. Vielmehr ist der Unterschiedsbetrag bei einer Herabsetzung der Vorauszahlung anläßlich der der Änderung nächstfolgenden Vierteljahresfälligkeit auszugleichen.

Der Beschwerdeführer erblickt eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Sinne des § 236 BAO darin, daß sowohl der Säumniszuschlag als auch die Stundungszinsen auf einen fiktiven Abgabenrückstand zurückzuführen seien, der "de facto" nicht bestanden habe. "Die gerechtfertigte Herabsetzung der Vorauszahlung" habe nämlich "zu einer Reduktion der Vierteljahresfälligkeit geführt".

Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, wenn sie auf § 45 Abs. 3 EStG verweist, wonach die spätere Herabsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlung keine Änderung des bereits fällig gewordenen ersten Vorauszahlungsteilbetrages bewirkte. Es trifft auch zu, daß gemäß § 218 BAO nur durch die fristgerecht beantragte und gewährte Stundung ein Säumniszuschlag vermieden werden konnte, und daß die Vorschreibung dieses Säumniszuschlages durch den später eingetretenen Terminverlust dem Gesetz entsprach. Die belangte Behörde geht aber, dem Finanzamt folgend, in der angefochtenen Entscheidung davon aus, daß "im Hinblick auf den dargelegten Sachverhalt die eingetretene Säumnis als entschuldbar angesehen" werden könne und daß daher in der Einhebung des hiedurch verwirkten Säumniszuschlages eine Unbilligkeit zu erblicken sei. Diese Unbilligkeit sei jedoch in dem Ausmaß nicht gegeben, in dem es ohne Eintritt des Terminverlustes "zweifellos" zur Vorschreibung von Stundungszinsen gekommen wäre. Die belangte Behörde hält daher die Einhebung des Säumniszuschlages INSOWEIT NICHT für unbillig, als dieser an die Stelle von sonst vorzuschreibenden Stundungszinsen getreten ist. Diese Argumentation setzt voraus, daß für die Stundung des Differenzbetrages zwischen ursprünglich festgesetzter und nachträglich herabgesetzter Einkommensteuer-Vorauszahlung tatsächlich Stundungszinsen zu entrichten gewesen wären. Das trifft aber aus nachstehenden Überlegungen nicht zu:

Gemäß § 212 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Gemäß Abs. 2 des zitierten Paragraphen sind unter bestimmten Voraussetzungen und in bestimmter Höhe Stundungszinsen zu entrichten. Der dritte Satz dieses Absatzes lautet:

"Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Stundungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen."

Auch die Änderung der Festsetzung einer Einkommensteuer-Vorauszahlung, die zu einer geringeren Vorauszahlungsschuld führt, ist eine nachträgliche Herabsetzung der Abgabenschuld und daher bei der Vorschreibung von Stundungszinsen rückwirkend zu berücksichtigen. Daran ändert auch die Vorschrift des § 45 Abs. 3 EStG nichts, weil in dieser lediglich normiert wird, daß bereits fällig gewordene Vorauszahlungsteilbeträge durch eine Änderung in der Höhe der Vorauszahlung nicht berührt werden. Das kann sinnvoller Weise nur so verstanden werden, daß eine bereits eingetretene FÄLLIGKEIT eines Vorauszahlungsteilbetrages durch eine nachträgliche Herabsetzung der Vorauszahlung nicht mehr geändert wird, und zwar weder hinsichtlich der Höhe des fällig gewordenen Betrages noch hinsichtlich des Zeitpunktes seiner Fälligkeit. An Stelle einer solchen Änderung sieht der Gesetzgeber bei nachträglicher Herabsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlung einen Ausgleich mit den später fällig werdenden Vorauszahlungsteilbeträgen vor.

Das bedeutet aber nicht, daß es sich bei der Herabsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlung nur um die Minderung künftiger Abgabenschuldigkeiten handelt. Es ist nämlich zu beachten, daß der Gesetzgeber für ein Kalenderjahr nur eine einheitliche Einkommensteuer-Vorauszahlung und nicht etwa vier verschiedene rechtlich selbständige Einkommensteuer-Vorauszahlungen vorsieht. Deutlich wird dies durch die Bestimmung des § 45 Abs. 2 EStG, wo der Gesetzgeber

davon spricht, daß "die Vorauszahlung ..... zu je einem Viertel ..... zu leisten" ist. Auch Abs. 3 des zitierten

Paragraphen geht im Zusammenhang mit der Änderung der Vorauszahlung stets von einer einheitlichen Jahresvorauszahlung aus. Diese ist Gegenstand einer allfälligen Änderung und nicht die (restlichen) Vorauszahlungsteilbeträge.

Weder § 4 Abs. 2 lit.a Z. 1 BAO, wonach die Einkommensteuer-Vorauszahlungsschuld in vier Teilbeträgen entsteht, noch die Regelung der Fälligkeit der Teilbeträge in § 45 EStG vermag an dieser rechtlichen Beurteilung etwas zu ändern. Handelt es sich aber bei der Einkommensteuer-Vorauszahlung für ein bestimmtes Kalenderjahr um eine einheitliche Abgabenschuld, dann ist ihre nachträgliche Herabsetzung bei der Berechnung von Stundungszinsen gemäß § 212 Abs. 2 letzter Satz BAO rückwirkend zu berücksichtigen. Das bedeutet, daß Stundungszinsen, die für einen gestundeten Einkommensteuer-Vorauszahlungsteilbetrag vorgeschrieben werden, bei späterer Herabsetzung der Vorauszahlung entsprechend dem Ausmaß der Herabsetzung rückwirkend wiederum gutzuschreiben sind.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/91, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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