VwGH 88/11/0261

VwGH88/11/026117.1.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Schmidt, über die Beschwerde des JW in W, vertreten durch Dr. Karl Puchmayr, Rechtsanwalt in Linz, Friedhofstraße 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 27. Oktober 1988, Zl. VerkR‑5498/8‑1988‑I/Si, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens in Angelegenheit Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38
AVG §68 Abs1
AVG §69 Abs1 litc
KFG 1967 §74 Abs1
VStG §45 Abs1 litc

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988110261.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und den ihr angeschlossenen Beilagen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 12. September 1984 war dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B vorübergehend entzogen und ihm gemäß § 75a lit. a KFG 1967 das Lenken von Motorfahrrädern verboten worden. Dieser Bescheid stützte sich im wesentlichen auf die Annahme, daß der Beschwerdeführer am 11. August 1984 bereits zum zweiten Mal in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kfz gelenkt habe. Der Mandatsbescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Antrag vom 10. August 1987 begehrte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950. Er begründete dies damit, daß seiner Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 23. April 1987, mit dem ihm unter anderem vorgeworfen worden sei, am 11. August 1984 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Motorfahrrad gelenkt zu haben, mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Juni 1987 stattgegeben und das Strafverfahren eingestellt worden sei.

Dieser Wiederaufnahmsantrag wurde zunächst mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14. August 1987 gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 25. Jänner 1988 ab. Nach Aufhebung dieses Bescheides durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1988, Zl. 88/11/0048, hob der Landeshauptmann von Oberösterreich im fortgesetzten Verfahren mit Bescheid vom 28. Juli 1988 den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14. August 1987 auf. In der Folge wies die zuletzt genannte Behörde mit Bescheid vom 11. August 1988 den Wiederaufnahmsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 ab. Der Landeshauptmann von Oberösterreich gab der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom 27. Oktober 1988 keine Folge.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Die belangte Behörde ging davon aus, daß die Vorfrage, ob nämlich der Beschwerdeführer am 11. August 1984 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, von der dafür zuständigen Behörde nicht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden sei. Vielmehr sei das betreffende Verwaltungsstrafverfahren von der Oberösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 30. Juni 1987 gemäß § 45 Abs. 1 lit. c VStG 1950 mit der Begründung eingestellt worden, daß die von der Erstbehörde gesetzte Verfolgungshandlung an formalrechtlichen Mängeln gelitten habe.

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, daß das Strafverfahren allein aus einem formellen Grund eingestellt worden ist. Er meint allerdings - faßt man das weitwendige Vorbringen auf das Wesentliche zusammen -, da im Strafverfahren eine Entscheidung in der Sache nicht ergangen sei, entbehre der Entziehungsbescheid „zumindest nachträglich“ der Grundlage. Es sei „schon ganz allgemein“ ein durch Mandatsbescheid abgeschlossenes Verfahren wiederaufzunehmen, „wenn der die Sache selbst regelnde Bescheid, aus welchen Gründen auch immer, und sei es auch aus rein formalrechtlichen, aufgehoben wird“. Der Beschwerdeführer ist damit nicht im Recht. Nur wenn im Verwaltungsstrafverfahren dahin entschieden worden wäre, es sei als erwiesen anzunehmen, daß der Beschwerdeführer am 11. August 1984 das betreffende Kraftfahrzeug nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, wäre im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine anderslautende Vorfragenentscheidung im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 vorgelegen (siehe das Erkenntnis vom 20. Februar 1987, Zl. 87/11/0012, und das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Oktober 1987, Zl. 87/11/0008). Mit der vorliegenden Einstellung des Strafverfahrens nach § 45 Abs. 1 lit. c VStG 1950 wegen eingetretener Verfolgungsverjährung ist über die besagte Vorfrage gar keine Entscheidung getroffen worden. Die belangte Behörde hat daher zu Recht das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes nach § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 verneint. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das Vorbringen betreffend die Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit einer Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 12. September 1984 und die Richtigkeit der diesem zugrundeliegenden Annahme, der Beschwerdeführer habe am 11. August 1984 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt; für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides kommt es nämlich im gegebenen Zusammenhang allein auf das Nichtvorliegen des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes an.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Jänner 1989

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte