Normen
AAV §72 Abs1;
AAV §93 Abs5;
ASchG 1972 §24;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
ASchG 1972 §33 Abs7;
ASchG 1972 §33;
BArbSchV §1;
BArbSchV §2;
BArbSchV §43 Abs1;
BArbSchV §44;
BArbSchV §45;
BArbSchV §46;
BArbSchV §7 Abs1;
BArbSchV §7 Abs2;
BArbSchV §7;
BArbSchV;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §44a litc;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §44a Z2 impl;
VStG §44a Z3 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AAV §72 Abs1;
AAV §93 Abs5;
ASchG 1972 §24;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
ASchG 1972 §33 Abs7;
ASchG 1972 §33;
BArbSchV §1;
BArbSchV §2;
BArbSchV §43 Abs1;
BArbSchV §44;
BArbSchV §45;
BArbSchV §46;
BArbSchV §7 Abs1;
BArbSchV §7 Abs2;
BArbSchV §7;
BArbSchV;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §44a litc;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §44a Z2 impl;
VStG §44a Z3 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Straferkenntnis vom 10. März 1988 legte der Magistrat Salzburg dem Beschwerdeführer zur Last, er habe am 5. August 1987 in X auf der Baustelle für das Betriebsgebäude des Kraftwerkes X als Arbeitgeber zu verantworten, "daß
- a) die Arbeitnehmer A, B, C und D mit Arbeiten (Kastenrinnenverlegung) auf dem Dach des o.a. Objektes beschäftigt wurden, obwohl Arbeiten auf Dächern, wie Dachdecker- und Spenglerarbeiten erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen hintanzuhalten geeignet sind, begonnen werden dürfen und an allen Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, Einrichtungen anzubringen sind, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern und Absturzhöhen zwischen 5,05 und 9,25 m gegeben waren;
- b) obwohl die o.a. Arbeitnehmer Arbeiten an absturzgefährlichen Stellen durchzuführen hatten und ein anderer ausreichender Schutz nicht vorhanden war, den Arbeitnehmern Sicherheitsgürtel oder Sicherheitsgeschirre einschließlich der dazu gehörigen Ausrüstungen nicht zur Verfügung gestellt wurden."
Der Beschwerdeführer habe dadurch zu a) die §§ 7 Abs. 1 in Verbindung 43 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954 (im folgenden: BauArbSchV), und zu b) § 72 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983 (im folgenden: AAV), verletzt. Zu a) und zu b) wurde über den Beschwerdeführer je eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzarreststrafe von je fünf Tagen) gemäß § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972 (im folgenden: ASchG), verhängt.
Nach Darstellung des Ganges des Ermittlungsverfahrens heißt es in der Begründung dieses Bescheides, es sei erwiesen, daß bei der Arbeitsstelle weder Sicherheitsmaßnahmen nach der BauArbSchV vorhanden gewesen seien noch die erforderliche Sicherheitsausrüstung zur Verfügung gestanden sei, obwohl bei den Arbeiten zur Kastenrinnenverlegung Absturzhöhen zwischen 5,05 und 9,25 m gegeben gewesen seien. Weiters sei unbestritten geblieben, daß die Höhe der Attika lediglich 35 cm betragen habe und diese keinesfalls als Einrichtung zur Absturzsicherung anzusehen sei, da Arbeiten auch unmittelbar auf dieser durchgeführt worden seien.
Der Beschwerdeführer versuche sich damit zu rechtfertigen, daß er mit Firmenschreiben vom 10. Juli 1987 den Arbeitnehmern gegenüber ausreichende Anordnungen getroffen habe; weiters beziehe er sich auf mehrfache mündliche Aufforderungen, die Sicherheitsausrüstung zu verwenden. Für die Behörde sei jedoch von Bedeutung, daß der Partieführer C als Unterfertiger dieses Schreibens eindeutig als Zeuge ausgesagt habe, daß er das Schreiben erst nach Beanstandung durch das Arbeitsinspektorat (5. August 1987) unterfertigt habe. Weiters sei das Schreiben dem auf der Baustelle beschäftigten Dienstnehmer A überhaupt nicht zur Kenntnis gebracht worden. Dies zeige, daß der Beschwerdeführer seiner Sorgfaltspflicht keinesfalls lückenlos nachgekommen sei. Die zeugenschaftlichen Aussagen der Dienstnehmer hätten ergeben, daß sie wiederholt und auch auf der in Rede stehenden Baustelle vom Beschwerdeführer aufgefordert worden seien, die Sicherheitsausrüstung zu verwenden. Diese Aufforderungen dürften jedoch ohne Nachdruck erfolgt sein und es dürften auch keinerlei Sanktionen für die Nichtbefolgung angedroht worden sein, denn sonst sei es nicht erklärlich, daß die Dienstnehmer den Anweisungen des Dienstgebers keine Folge geleistet hätten. Es stehe somit fest, daß der Beschwerdeführer seine Sorgfaltspflicht verletzt habe, wobei ihm grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werde.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und wendet sich darin unter anderem dagegen, daß der einheitliche Tatbestand in die zwei Tatbestände der Spruchpunkte a) und b) aufgeteilt worden sei. Er habe schriftliche und mündliche Aufforderungen an die Arbeitnehmer erteilt, die zur Verfügung gestellten Schutzvorschriften zu verwenden. Er habe die Baustelle mindestens jeden zweiten Tag überprüft. Es sei ihm allerdings nicht möglich, bei jeder Baustelle ständig anwesend zu sein. Die Dachneigung an dieser Baustelle betrage nur 3 bis 5 Prozent. Darüber hinaus sei das Dach mit einer umlaufenden Attikamauer, die die Traufenhöhe des Daches um ca. 40 cm überrage, versehen, sodaß ein Ausrutschen und Abstürzen nicht möglich gewesen wäre. Sicherheitsgurten und Sicherheitsgeschirre seien zur Verfügung gestellt worden. Dies hätten die Zeugen bestätigt, ebenso, daß sie wiederholt aufgefordert worden seien, diese auch mitzuführen und zu verwenden.
1.2. Mit Bescheid vom 20. Juni 1988 gab der Landeshauptmann von Salzburg der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich. Nach der Begründung dieses Bescheides reiche das bloße Auffordern der Arbeitnehmer, die Sicherheitsvorschriften strengstens einzuhalten, allein nicht aus. Gerade der Umstand, daß der Beschwerdeführer seinen Arbeitnehmern den Auftrag erteilt habe, die noch notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, zeige eine gewisse Unverläßlichkeit der Arbeitnehmer in der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben, die den Arbeitgeber zu anderen Maßnahmen veranlassen hätte müssen. Zudem habe der Beschwerdeführer gewußt, daß solche Arbeiten auf der Baustelle angestanden seien (Kastenrinnenverlegung), welche die Anbringung von Absturzsicherungen bzw. die Benützung der entsprechenden Sicherheitseinrichtungen notwendig gemacht hätten. Folglich hätte sich der Beschwerdeführer auch "dafür interessen müssen, daß an jenem betreffenden Tag die Arbeitnehmer die erforderliche Schutzausrüstung auch mitnehmen bzw. dann auch benützen". Auf die Meinung der Arbeitnehmer, daß die Sicherheitsvorkehrungen nicht notwendig seien, komme es nicht an.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. In der Beschwerde wird zunächst gerügt, die belangte Behörde habe dadurch das Recht auf Parteiengehör nach § 45 Abs. 3 AVG verletzt, daß sie dem Beschwerdeführer die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates vom 30. Mai 1988 nicht zur Kenntnis gebracht habe. Der Inhalt dieser Stellungnahme sei wörtlich in die Begründung des Bescheides eingeflossen. Allein die Auffassung des Arbeitsinspektorates, daß der Arbeitgeber auch für die ohne sein Wissen und ohne seinen Willen im Betrieb und auf der Baustelle begangenen Übertretungen arbeitsrechtlicher Vorschriften die Verantwortung zu tragen habe, widerspreche jeglichen strafrechtlichen Grundsätzen. Eine Bestrafung setze ein Verschulden des Beschwerdeführers voraus. Die kritiklose Übernahme der Auffassung des Arbeitsinspektorates in den angefochtenen Bescheid sei rechtlich nicht haltbar.
2.1.2. Der vom Beschwerdeführer gegen die Auffassung des Arbeitsinspektorates geltend gemachte Einwand betrifft ausschließlich eine Rechtsfrage, nämlich die nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Arbeitgebers für Verletzungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften in seinem Betrieb oder auf Baustellen. Es war daher nicht erforderlich, dem Beschwerdeführer die von der belangten Behörde beabsichtigte rechtliche Beurteilung vor Bescheiderlassung zur Kenntnis zu bringen. Was der Beschwerdeführer sachverhaltsbezogen gegen die Ermittlungsergebnisse eingewendet hätte, wenn ihm Parteiengehör gewährt worden wäre, wird hingegen in der Beschwerde nicht dargetan. Nur darin läge aber eine taugliche, auf die Verletzung des Parteiengehörs gegründete Verfahrensrüge.
Es brauchte daher nicht auf die in der Gegenschrift weiters angeschnittene Frage eingegangen zu werden, ob die Stellungnahme des am Berufungsverfahren als Amtspartei gemäß § 8 Abs. 4 des Arbeitsinspektionsgesetzes beteiligten Arbeitsinspektorates, die sich auf eine rechtliche Argumentation beschränkt und deren Inhalt somit nichts zur Feststellung des Sachverhaltes beiträgt, überhaupt dem Parteiengehör nach § 45 Abs. 3 AVG unterliegt.
2.2.1. In der Beschwerde wird weiters geltend gemacht, nach § 31 Abs. 2 lit. p ASchG sei der Arbeitgeber zu bestrafen, wenn er Vorschriften der auf Grund des § 24 ASchG erlassenen Verordnung zuwiderhandle. Auf Grund der Verordnungsermächtigung des § 24 ASchG sei die AAV ergangen. Die Befugnis zur Bestrafung nach § 31 ASchG könne sich daher nur auf die AAV beziehen, nicht jedoch auf die BauArbSchV.
2.2.2. Dies ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht die Zitierung des § 31 Abs. 2 lit. p ASchG und nicht einer anderen lit. dieses Absatzes oder des Absatzes 3 dem Gesetz, da die Übertretungen aller Bestimmungen der nach § 33 ASchG vorläufig als Bundesgesetz in Geltung stehenden Verordnungen - hiezu zählt gemäß § 33 Abs. 1 lit. a Z. 12 ASchG auch die BauArbSchV -, die wie hier nicht einem anderen Straftatbestand des § 31 Abs. 2 oder 3 ASchG zu unterstellen sind, nach § 31 Abs. 2 lit. p ASchG zu bestrafen sind, auch wenn es sich bei der übergeleiteten Vorschrift nicht um eine Verordnung auf Grund des § 24 ASchG, sondern um ein Bundesgesetz handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 1988, Zl. 87/08/0127 = ZfVB 1990/2/453, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1979, Slg. Nr. 8695).
2.3. Eine vom Verwaltungsgerichtshof innerhalb des Beschwerdepunktes aus eigenem aufzugreifende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt allerdings darin, daß in dem von der belangten Behörde bestätigten Strafausspruch als Norm im Sinne des § 44a lit. c VStG lediglich § 31 Abs. 2 lit. p ASchG und nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, auch § 33 Abs. 7 ASchG angeführt worden ist (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 29. Februar 1984, Zl. 82/11/0194 = ZfVB 1984/5/1904, und vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0057 = ZfVB 1991/3/845).
2.4.1. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, eine Absturzgefahr sei nicht gegeben gewesen, da die Dachneigung nur ca. 5 Prozent betragen und überdies eine Attika in Höhe von zumindest 40 cm das Dach begrenzt habe. Auch habe die Behörde nicht festgestellt, es sei dem Beschwerdeführer bekannt gewesen, daß Arbeiten sitzend oder stehend auf der Attika durchzuführen gewesen seien. Allein die Aussage eines der Arbeitnehmer reiche "zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Ermangelung des Nachweises der entsprechenden Schuldform nicht aus".
2.4.2. § 43 BauArbSchV ist in Abschnitt 6 "Arbeiten auf Dächern" enthalten und trägt die Überschrift "Allgemeine Bestimmungen". § 43 BauArbSchV lautet auszugsweise:
(1) Arbeiten auf Dächern, wie Dachdecker-, Spengler-, Bauglaser- oder Anstreicherarbeiten sowie Arbeiten an Blitzschutzanlagen dürfen erst nach Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen, Materialien und Geräten hintanzuhalten geeignet sind, begonnen werden.
...
(4) Sind beim Bauwerk geeignete Gerüste vorhanden, müssen diese, sofern sie nicht auch als Arbeitsgerüste für Dacharbeiten geeignet sind, als Schutzgerüste für Dacharbeiten ausgebildet werden; der Belag der Schutzgerüste muß sich etwa in Höhe des Dachsaumes befinden. Diese Gerüste dürfen erst nach Beendigung der Dacharbeiten entfernt werden."
Welche Sicherheitsmaßnahmen im einzelnen durchzuführen sind, regelt für Dachdeckerarbeiten der § 44, für Spenglerarbeiten der § 45 und für bestimmte sonstige Dacharbeiten, wie z.B. die Eindeckung von Glasdächern, der § 46 BauArbSchV. Für Spenglerarbeiten am Dachsaum ist etwa in § 45 Abs. 4 BauArbSchV geregelt, daß sich die damit Beschäftigten, sofern die Arbeiten nicht von einem sicheren Standplatz im Dachbodenraum ausgeführt werden, sicher anzuseilen haben.
Kommt die Anwendung der eben genannten §§ 44 bis 46 BauArbSchV mangels Vorliegens der besonderen Voraussetzungen nicht in Betracht, so müssen bei Dacharbeiten die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen nach § 43 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 BauArbSchV getroffen werden, wobei diese letztere Bestimmung die Überschrift "Gefährliche Arbeitsstellen" trägt und (subsidiär) regelt, welche Sicherheitsmaßnahmen dabei im einzelnen durchzuführen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1988, Zl. 86/08/0249 = ZfVB 1989/5/1409).
§ 7 Abs. 1 und 2 BauArbSchV bestimmt:
"(1) An allen Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, sind Einrichtungen anzubringen, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze. Bei Arbeiten an besonders gefährlichen Stellen müssen die Dienstnehmer angeseilt sein. Das gleiche gilt für das Anbringen oder Entfernen von Schutzeinrichtungen an besonders gefährlichen Stellen.
(2) Die Anbringung der im Abs. 1 vorgesehenen Schutzeinrichtungen kann unterbleiben, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch ist gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit. In solchen Fällen sind die Dienstnehmer durch Anseilen gegen Absturz zu sichern."
2.4.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die Gesetzmäßigkeit des Spruchpunktes a) zu prüfen.
2.4.3.1. Vorweg sei darauf hingewiesen, daß dieser Spruchpunkt a) des erstinstanzlichen Bescheides im Vorspruch des angefochtenen Bescheides des Landeshauptmannes nur bruchstückhaft und damit völlig unzutreffend wiedergegeben wird. Dies begründet aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, da die "vollinhaltliche" Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides erkennen läßt, daß die belangte Behörde keine Veränderung des Spruchpunktes a) vorgenommen hat.
Der Spruchpunkt a) trägt dem Sinn des § 44a lit. a VStG, die Straftat in ihren wesentlichen Merkmalen zu konkretisieren, nicht Rechnung, soweit er die Tatbestandsmerkmale der Absturzgefährdung und des Nichtvorhandenseins von Schutzeinrichtungen betrifft. Anstelle der Anführung des verwirklichten Sachverhaltes wird diesbezüglich nämlich von der erstinstanzlichen Behörde (anders als in der Anzeige des Arbeitsinspektorates) bloß der Wortlaut der als übertreten erachteten Normen wiedergegeben. Schon dies belastet den Bescheid in diesem Umfang mit Rechtswidrigkeit.
2.4.3.2. Entscheidend ist jedoch darüberhinaus, daß der Spruchpunkt a) auf das Fehlen von Einrichtungen zur Absturzverhinderung abstellt. Dieses Fehlen von Schutzeinrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 1 BauArbSchV (wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze) allein macht aber eine Beschäftigung von Dienstnehmern auf einem Dach nicht strafbar. Zum Tatbild der verbotenen Beschäftigung trotz Fehlens von Schutzeinrichtungen gehört nämlich auch die Verwirklichung des im § 7 Abs. 2 BauArbSchV normierten negativen Tatbestandsmerkmales, daß die Anbringung der im Abs. 1 vorgesehenen Schutzeinrichtungen nicht unterbleiben konnte. Hätte nämlich die Anbringung von Schutzeinrichtungen nach Abs. 1 unterbleiben können, dann wären die Dienstnehmer durch Anseilen gegen Absturz zu sichern gewesen. Eine solche Unterlassung des Dienstgebers würde jedoch ein anderes Tatbild verwirklichen. Die unvollständige Wiedergabe des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens belastet den Spruch des angefochtenen Bescheides daher jedenfalls mit einer Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a lit. a VStG, denn entweder fehlt das Merkmal, daß Schutzeinrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 1 BauArbSchV nicht unterbleiben konnten, oder jenes, daß Schutzeinrichtungen zwar wegen des unverhältnismäßigen Aufwandes hätten unterbleiben können, diesfalls aber eine Sicherung der Arbeitnehmer durch Anseilen nicht erfolgt ist. Die fehlende Auseinandersetzung der belangten Behörde mit der Frage, welcher der Tatbestände verwirklicht wurde, stellt aber nicht nur einen Verstoß gegen § 44a lit. a VStG, sondern überhaupt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dar.
2.4.3.3. Was das Tatbestandsmerkmal der vom Beschwerdeführer stets bestrittenen Absturzgefahr anlangt, beruht der angefochtene Bescheid bloß auf der durchaus mangelhaften Sachverhaltsfeststellung der erstinstanzlichen Behörde. Aktenwidrig ist nämlich die Feststellung der Behörde erster Instanz, es sei unbestritten, daß die Höhe der Attika nur 35 cm betragen habe; der Beschwerdeführer behauptete vielmehr eine Höhe von 50 cm, in der Berufung ist sodann von 40 cm die Rede. Eine Feststellung der Dachneigung fehlt ebenso wie eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine solche Attika, bezogen auf die zu verrichtenden Arbeiten und die Neigung des Daches, einen ausreichenden Schutz vor Absturz bietet. Die erstinstanzliche Behörde vermeinte offenbar, dieser Frage deswegen ausweichen zu können, weil es unbestritten sei, daß die Attika "keinesfalls als Einrichtung zur Absturzsicherung anzusehen sei, da Arbeiten auch unmittelbar auf dieser durchgeführt wurden". Welche Erwägungen die Behörden bei der Beweiswürdigung veranlaßt haben, die letztere Feststellung zu treffen, ist angesichts der einander in dieser Frage widersprechenden Aussagen der Zeugen C und A nicht erkennbar. In der Frage der Absturzgefahr ist der angefochtene Bescheid somit ergänzungs- und begründungsbedürftig geblieben.
2.5.1. In der Beschwerde wird schließlich die Auffassung vertreten, daß § 72 AAV lediglich das Gebot enthalte, den Arbeitnehmern entsprechende Sicherheitseinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Daraus könne keine Verpflichtung des Arbeitgebers abgeleitet werden, dafür zu sorgen, daß die Arbeitnehmer diese auch tatsächlich benützten. Auf Grund des Beweisverfahrens sei davon auszugehen, daß die Arbeitnehmer die entsprechenden Sicherheitseinrichtungen zur Verfügung gehabt hätten.
2.5.2. § 72 Abs. 1 AAV lautet:
"(1) Sofern bei Arbeiten an absturzgefährlichen Stellen durch Schutzmaßnahmen nach den §§ 18, 24 und 44 ein ausreichender Schutz nicht erreicht werden kann oder die Durchführung solcher Schutzmaßnahmen im Hinblick auf den Umfang der auszuführenden Arbeiten nicht gerechtfertigt ist, sind den Arbeitnehmern Sicherheitsgürtel oder Sicherheitsgeschirre einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen, wie Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhaken, Falldämpfer, Seilkürzer oder Höhensicherungsgeräte, zur Verfügung zu stellen. Sicherheitsseile dürfen nur in Verbindung mit Sicherheitsgürteln oder Sicherheitsgeschirren verwendet werden."
Das an den Arbeitgeber gerichtete Gebot des § 72 Abs. 1 AAV beschränkt sich darauf, den Arbeitnehmern Sicherheitsgürtel und Sicherheitsgeschirre einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen "zur Verfügung zu stellen". Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt, der Beschwerdeführer hätte sich "auch dafür interessieren müssen, daß an jenem betreffenden Tag die Arbeitnehmer die erforderliche Schutzausrüstung auch mitnehmen bzw. dann auch benützen", so hat sie hinsichtlich der Obsorgepflicht des Arbeitgebers, daß die Schutzausrüstung "mitgenommen wird" den Inhalt der Pflicht des Zurverfügungstellens nicht verkannt, weil es auf die Zurverfügungstellung an Ort und Stelle, an der absturzgefährlichen Arbeitsstelle, ankommt.
Eine Pflicht, dafür zu sorgen, daß die Arbeitnehmer diese Schutzausrüstung "dann auch benützen", ist aus DIESER Norm im Hinblick auf ihren eindeutigen Wortlaut allerdings nicht zu erschließen. Dieses verfehlte Begründungselement belastet den Spruchpunkt b) freilich nicht mit Rechtswidrigkeit.
2.5.3. Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings zur Auffassung gelangt, daß § 72 Abs. 1 AAV auf den vorliegenden Fall festgestellter Arbeiten an absturzgefährlichen Arbeitsstellen auf Dächern überhaupt nicht zur Anwendung kommt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0184 = ZfVB 1991/4/1354, ausgeführt hat, sind nach dem Wortlaut des § 2 BauArbSchV (arg.: "auch") in Verbindung mit § 93 Abs. 5 AAV bei den unter den Geltungsbereich der BauArbSchV fallenden Arbeiten (vgl. deren § 1) grundsätzlich die einschlägigen Vorschriften der AAV zusätzlich zu denen der BauArbSchV anzuwenden. Dieser Grundsatz stehe unter dem Vorbehalt, daß in den dem § 2 BauArbSchV folgenden, also "nachstehenden" Bestimmungen dieser Verordnung nicht anderes bestimmt werde, also die Anwendung "auch" der AAV ausgeschlossen werde. Bezogen auf den damaligen Fall ging der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung der konkreten Frage, ob die BauArbSchV der AAV einen Anwendungsbereich freilasse, folgendermaßen vor: § 19 Abs. 4 BauArbSchV nenne keine Mittelwehr; es könne deshalb aus der Formulierung, "Gerüstlagen ... sind ... mit Brustwehren und, mit Ausnahme der einfach gestellten Leitergerüste, mit Fußwehren zu versehen", nicht auf den Wegfall dieser nach § 46 Abs. 6 AAV geforderten Wehr geschlossen werden.
Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Beschwerdefall, so zeigt sich, daß hier das Gebot des § 7 Abs. 2 BauArbSchV, wonach "in solchen Fällen die Dienstnehmer durch Anseilen gegen Absturz zu sichern" sind, über das allgemeine Gebot des § 72 Abs. 1 AAV, Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen, hinausgeht (gleiches gilt etwa für § 7 Abs. 1 zweiter und dritter Satz sowie die §§ 44 und 45 BauArbSchV). Es handelt sich um die spezielle, die Zurverfügungstellung voraussetzende und miteinschließende Gebotsnorm. § 72 Abs. 1 AAV hat bei absturzgefährlichen Dacharbeiten keinen selbständigen Anwendungsbereich neben § 7 Abs. 1 und 2 BauArbSchV. Aus diesem Grund erweist sich auch der Spruchpunkt b) als inhaltlich rechtswidrig.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Eingehen auf die Frage des Verschuldens des Beschwerdeführers.
2.6. Aus diesen Erwägungen folgt, daß der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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