VwGH 88/06/0218

VwGH88/06/021823.1.1990

N gegen Landeshauptstadt Graz vom 27. Oktober 1988, Zl. A 17 - K - 2.025/1988 - 3, betreffend eine Baueinstellung.

Normen

BauO Stmk 1968 §68 Abs3;
BauRallg;
BauO Stmk 1968 §68 Abs3;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz erteilte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 14. Jänner 1988 die baubehördliche Bewilligung für 1.) den plan- und beschreibungsgemäßen Ausbau des Dachgeschoßes im Haus X 2.) die plan- und beschreibungsgemäße Errichtung eines Zubaues (An- und Ausbau des 1. Obergeschoßes) und 3.) den plan- und beschreibungsgemäßen Umbau im Kellergeschoß und Erdgeschoß im Haus Y zur Schaffung von 19 Betriebswohnungen und 2 Geschäften auf den Grundstücken Nr. 1829 und 1828, EZ 908, KG Z, unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen. Die Auflage Nr. 23 hatte folgenden Wortlaut:

"23. Das auf der Westseite vorhandene, erdgeschoßige flugdachähnliche Bestandsobjekt muß in seiner derzeitigen Ausführung (westseitig gelegene Holzlattenrostwand) erhalten bleiben."

Diese Baubewilligung wurde - nach Abweisung einer von den Nachbarn dagegegen erhobenen Berufung durch den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz mit Bescheid vom 19. Mai 1988 - am 6. Juni 1988 rechtskräftig.

Bei einer vom Baupolizeiamt am 1. August 1988 durchgeführten Erhebung wurde festgestellt, daß das westseitige erdgeschoßige Flugdach (entgegen der Auflage Nr. 23) abgetragen worden ist.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 2. August 1988 wurde gemäß § 68 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 die sofortige Einstellung der Bauarbeiten auf den Grundstücken Nr. 1828 und 1829, EZ 908, KG Z, für die Errichtung der mit dem Bescheid vom 14. Jänner 1988 bewilligten Maßnahmen 1.) Ausbau des Dachgeschoßes im Haus X,

2.) Errichtung eines Zubaues (An- und Ausbau des 1. Obergeschoßes) und 3.) Umbau im Kellergeschoß und Erdgeschoß des Hauses Y, verfügt. In der Begründung führte die Behörde aus, bei der am 1. August 1988 durchgeführten "örtlichen Erhebung und mündlichen Verhandlung" sei festgestellt worden, daß das auf der Westseite vorhandene erdgeschoßige flugdachähnliche Bestandsobjekt entgegen dem Punkt 23. der besonderen Bedingungen des Bescheides vom 14. Jänner 1988 zur Gänze abgetragen worden sei. Da ein Auftrag zur Behebung der durch die Nichteinhaltung der Bauvorschriften aufgetretenen Mängel für eine einwandfreie Bauausführung nicht ausreichend sei, sei die Baueinstellung zu verfügen gewesen.

Aus einem Schreiben der F-GmbH vom 1. August 1988 an die Behörde erster Instanz geht hervor, daß das gegenständliche Objekt vom Beschwerdeführer verkauft worden sei und die Gesellschaft das Projekt entsprechend dem angeführten Bescheid verwirklichen werde.

In einem Schreiben vom 9. August 1988 verwies der Beschwerdeführer ebenfalls auf den erfolgten Verkauf.

Aus von den Baubehörden beigeschafften Grundbuchsauszügen vom 5. August 1988 und vom 18. November 1988 geht hervor, daß - unverändert - der Beschwerdeführer und seine Ehefrau je zur Hälfte Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft sind.

Am 16. August 1988 erhoben sowohl die A-Gesellschaft m.b.H. als Bauführer als auch der Beschwerdeführer Berufung. Letzterer brachte vor, daß das westseitige erdgeschoßige flugdachähnliche Bestandsobjekt keineswegs abgetragen worden sei, sondern im Zuge der Bauarbeiten (Kanalbauarbeiten), infolge des schlechten Zustandes des Bestandobjektes die Lattenrostwand und die darauf aufgelegte Dachkonstruktion eingestürzt seien und vorläufig entfernt hätten werden müssen. Die straßenseitige Mauer sei unbeschädigt geblieben und stehe noch. Ein Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften könne daraus nicht abgeleitet werden. Nach Abschluß der Bauarbeiten werde das Bestandobjekt gemäß den genehmigten Plänen mit Lattenrostwand wieder hergestellt werden. Die Verfügung der Baueinstellung mit der Begründung, daß ein Auftrag zur Mängelbehebung für eine einwandfreie Bauausführung nicht ausreichend gewesen wäre, sei ungerechtfertigt und entbehre jeder Grundlage. Eine einwandfreie Bauausführung sei unabhängig vom gegenständlichen Bestandobjekt, welches lediglich einen unbedeutenden kleinen Zubau darstelle und keinen Einfluß auf das übrige Bauvorhaben habe, auf jeden Fall gewährleistet. Eine Baueinstellung nur wegen eines unbedeutenden Zubaues sei nicht gerechtfertigt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 27. Oktober 1988 wurde die Berufung der A-Gesellschaft m.b.H. (Bauführerin) gegen den Bescheid vom 2. August 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen; der Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben. Gemäß § 68 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 habe die Baubehörde, wenn bei der Bauführung gegen die baurechtlichen Vorschriften verstoßen werde, die unverzügliche Abstellung der Mängel zu veranlassen oder, wenn dies für eine einwandfreie weitere Bauausführung nicht ausreichend sei, die Baueinstellung zu verfügen. Bei einer Auflage in einem Baubewilligungsbescheid handle es sich um einen bedingten Polizeibefehl, der sich bei der Gebrauchnahme von der Baubewilligung zu einem baupolizeilichen Auftrag (Bauauftrag) wandle. Durch das Zuwiderhandeln gegen einen baupolizeilichen Auftrag, wobei es keine Rolle spiele, ob das flugdachähnliche Bestandobjekt abgetragen wurde oder es im Zuge von Bauarbeiten eingestürzt ist, sei bei der Bauausführung gegen eine baurechtliche Vorschrift verstoßen worden und "wäre eine unverzügliche Veranlassung zur Abstellung der Mängel seitens der Baubehörde, da eine Wiedererrichtung der Holzlattenrostwand der Bewilligung der Baubehörde bedürfe, für eine einwandfreie weitere Bauausführung nicht ausreichend gewesen". Aus diesen Gründen sei die Baueinstellung zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 68 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, hat folgenden Wortlaut:

 

"§ 68

 

Überprüfung während der Bauausführung; Baueinstellung

.....

(3) Wenn bei der Bauausführung gegen die baurechtlichen Vorschriften verstoßen wird, hat die Baubehörde die unverzügliche Abstellung der Mängel zu veranlassen oder, wenn dies für eine einwandfreie weitere Bauausführung nicht ausreichend ist, die Baueinstellung zu verfügen. Mündlich verkündete Verfügungen sind schriftlich auszufertigen."

 

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Holzlattenrostwand sei von selbst eingestürzt und es bestehe die Absicht, diese entsprechend der Auflage Punkt 23. des Baubewilligungsbescheides spätestens mit Vollendung der Bauführung wieder zu errichten; der Begründungsteil des Bescheides erster Instanz, wonach eine "unverzügliche Veranlassung zur Abstellung der Mängel seitens der Baubehörde für eine einwandfreie weitere Bauausführung nicht ausreichend gewesen sei", sei aufklärungsbedürftig. Vor allem aber belaste die Einstellung selbständiger konsentierter Baumaßnahmen, die in keinem Zusammenhang mit der gerügten Bauordnungswidrigkeit stünden, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Schon dem letzteren Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Nach dem Baubewilligungsbescheid (in Verbindung mit den Plänen) umfaßte das gegenständliche Bauvorhaben drei Teile, nämlich:

1. den plan- und beschreibungsgemäßen Dachgeschoßausbau im Haus X 2. die plan- und beschreibungsgemäße Errichtung eines Zubaues (An- und Ausbau des 1. Obergeschoßes), und

3. den plan- und beschreibungsgemäßen Umbau im Kellergeschoß und Erdgeschoß im Haus Y, M-gasse.

Eine der zahlreichen Auflagen sah die Erhaltung des westseitig vorhandenen erdgeschoßigen flugdachähnlichen Bestandobjektes vor. Dieses Bestandsobjekt ist an der Westseite an das unter Punkt 3. genannte Gebäude Y, angebaut, und befindet sich zur Gänze in der M-gasse. Wie sich aus den Akten und dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift ergibt, liegt dieses Objekt aber innerhalb des dem westlichen Nachbarn gegenüber zu wahrenden Grenzabstandes, weshalb die Erhaltungspflicht des Objektes ausdrücklich im Punkt 23. des Baubewilligungsbescheides fest

gehalten wurde.

Daß das (nun nicht mehr vorhandene) Bestandobjekt in einem derart untrennbaren Zusammenhang mit sämtlichen bewilligten Baumaßnahmen steht, daß die Einstellung des gesamten Bauvorhabens geboten wäre, kann den bei den Akten erliegenden Plänen nicht entnommen werden. Vielmehr lassen die Pläne sehr wohl eine Trennbarkeit erkennen. Dies hat aber die belangte Behörde offensichtlich verkannt, da sie sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides damit nicht auseinandergesetzt und es unterlassen hat, anhand des Projektes in einer einer Überprüfung zugänglichen Weise konkret darzulegen, aus welchen Gründen dennoch von einer Untrennbarkeit auszugehen ist.

Schon dadurch ist der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Darüberhinaus heißt es in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, die offenkundig insoweit von der belangten Behörde übernommen wurde, daß das Bestandobjekt zur Gänze abgetragen wurde. Abgesehen davon, daß Feststellungen darüber unterblieben sind, wodurch es überhaupt zu einer Beseitigung gekommen ist (bei anderen Bauarbeiten wegen schlechten Bauzustandes eingestürzt oder beabsichtigte Beseitigung), bleibt für eine Baueinstellung, wenn das Objekt bereits abgetragen ist, kein Raum. Vielmehr wäre mit einer Baueinstellung für den Fall vorzugehen, daß anstelle des abgetragenen Objektes tatsächlich eine nicht bewilligte bauliche Maßnahme gesetzt wird.

Da schon aus diesen Gründen der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für eine nicht erforderliche weitere Beschwerdeausfertigung.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte