VwGH 88/05/0208

VwGH88/05/020831.1.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. O A in W, vertreten durch Dr. Andreas Löw, Rechtsanwalt in Wien VII, Neubaugasse 71, gegen die Bescheide der Bauoberbehörde für Wien vom 3. März 1988, Zl. MDR-B XVI-14 und 15/84, sowie MDR-B XVI- 16/84, betreffend baupolizeiliche Beseitigungsaufträge, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988050208.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 5.520,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 26. Jänner 1984 erteilte der Wiener Magistrat der Stadt Wien und dem Beschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes Nr. 816/1, inneliegend in EZ. 349 des Grundbuches der Kat.Gem. X, den auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) gestützten Auftrag, eine näher beschriebene Baulichkeit binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides abtragen zu lassen.

Mit Bescheid vom 17. Februar 1984 erteilte der Wiener Magistrat dem Beschwerdeführer und der Stadt Wien als Eigentümer des genannten Grundstückes einen weiteren Auftrag, eine näher beschriebene Baulichkeit binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides beseitigen zu lassen. Mit demselben Bescheid wurde der Stadt Wien als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 816/6, inneliegend in EZ. 88 der Kat.Gem. X, der Auftrag erteilt, jenen Teil der zuletzt genannten Baulichkeit, welcher sich auf dem Grundstück Nr. 816/6, befindet, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides abtragen zu lassen.

Diese baupolizeilichen Aufträge wurden damit begründet, daß die betroffenen Baulichkeiten nach Ablauf der ursprünglich befristeten Baubewilligungen konsenslos geworden seien. Aus einer jeweils den Bescheiden angeschlossenen Lageskizze ist ersichtlich, welche Grundflächen von dem Bauauftrag unmittelbar erfaßt sind.

Auf Grund der vom Beschwerdeführer gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen führte die Berufungsbehörde ein Ermittlungsverfahren durch, in dem die Frage des Vorliegens von baubehördlichen Bewilligungen sowie die technische Trennbarkeit der von den Bauaufträgen erfaßten Gebäudeteile geprüft wurden. Der technische Amtssachverständige der Behörde erster Instanz gab eine Reihe von Baubewilligungen bekannt und beantwortete die Frage der Trennbarkeit dahingehend, daß sich an der Grenze zwischen den angeführten Grundstücken keine eigene Feuermauer befinde und eine solche bei gemäß § 71 der Bauordnung genehmigten Baulichkeiten auch nicht zwingend erforderlich sei. Der Stellungnahme wurde eine Übersichtsskizze angeschlossen. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurde dem Beschwerdeführer sodann vorgehalten und ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen Stellung bzw. in die genannte Übersichtsskizze Einsicht zu nehmen. Der Aktenlage nach hat sich der Beschwerdeführer hiezu nicht geäußert.

Mit Bescheid vom 3. März 1988 wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufungen als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde teilte im Ergebnis die Auffassung der Behörde erster Instanz, daß für die genannten Baulichkeiten eine baubehördliche Bewilligung nicht vorliege. Sie ging davon aus, daß dem Beschwerdeführer auch hinsichtlich des auf dem Grundstück Nr. 816/6 befindlichen Gebäudeteiles im Auftragsverfahren Parteistellung zukomme, weil dieser Gebäudeteil rechtlich und technisch von dem auf dem Grundstück Nr. 816/1 befindlichen nicht zu trennen sei.

Schon mit einem weiteren Bescheid vom 27. Jänner 1984 hatte der Wiener Magistrat der Stadt Wien als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 816/6 den gleichfalls auf § 129 Abs. 10 BO gestützten Auftrag erteilt, einen näher beschriebenen Teil der vom Bescheid vom 26. Jänner 1984 erfaßten Baulichkeit binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides beseitigen zu lassen.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung wurde das schon aufgezeigt ergänzende Ermittlungsverfahren durchgeführt und sodann mit Bescheid vom 3. März 1988 die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Begründung entspricht jener des schon genannten Bescheides vom selben Tag.

In seiner gegen diese Berufungsbescheide erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Er erachtet sich in seinen gesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erlassung von gesetzmäßigen Bescheiden sowie auf Vermeidung von offenbar nicht beabsichtigten Härten verletzt.

 

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 129 Abs. 10 Satz 1 der Bauordnung für Wien (BO), in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976 sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.

Der Beschwerdeführer behauptet, eine inhaltliche Rechtswidrigkeit der in Beschwerde gezogenen Bescheide sei darin gelegen, daß er in seinen Berufungen ausdrücklich vorgebracht habe, er werde für den gesamten Hallenkomplex einen Antrag auf nachträgliche Baubewilligung stellen. Angesichts der ausdrücklich bekanntgegebenen und unmittelbar bevorstehenden Einreichung des Bewilligungsantrages seien die erlassenen Aufträge rechtswidrig.

Wie die belangte Behörde in ihren Gegenschriften zutreffend ausführt, ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers im baupolizeilichen Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen, ob die Möglichkeit der Erwirkung einer nachträglichen Bewilligung besteht oder nicht (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das in der Gegenschrift genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. März 1983, Zl. 82/05/0153, BauSlg. Nr. 17). Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch schon in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. Oktober 1969, Slg. N. F. Nr. 7657/A, dargelegt hat, ist es dem Eigentümer trotz Erlassung eines unbedingten Abtragungsauftrages nicht verwehrt, um eine nachträgliche Bewilligung anzusuchen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist während der Anhängigkeit eines Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung ein Beseitigungsauftrag nicht zu vollstrecken (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 15. Juni 1970, Zl. 195/70, Slg. N. F. Nr. 7813/A, und vom 18. September 1984, Zlen. 84/05/0122, 0123, BauSlg. Nr. 302), sodaß die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Befürchtungen nicht berechtigt sind. Die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt sohin nicht vor.

Unter dem Titel einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet der Beschwerdeführer, es sei selbst bei größter Sorgfalt beim Studium der angefochtenen Bescheide nicht mit abschließender Sicherheit festzustellen, auf welche Hallenteile sich die beiden Berufungsbescheide beziehen. Diesem Vorbringen ist der schon in der Sachverhaltsdarstellung erwähnte Umstand entgegenzuhalten, daß den erstinstanzlichen Bescheiden jeweils eine, mit einem auf den Bescheid bezugnehmenden Vermerk versehene Lageskizze angeschlossen ist, in der färbig jene Grundflächen gekennzeichnet sind, auf die sich die Bauaufträge beziehen. Auch der im Zuge des Berufungsverfahrens vom technischen Amtssachverständigen der Baubehörde erster Instanz vorgelegte Lageplan läßt mit ausreichender Sicherheit erkennen, welche Baulichkeiten von den Bauaufträgen erfaßt sind. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die Bedenken des Beschwerdeführers betreffend die ausreichende Konkretisierung der baupolizeilichen Aufträge nicht zu teilen.

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde weiters vor, sie gehe zwar davon aus, daß die erstinstanzlichen Bescheide sich auf einen Gebäudekomplex bezogen, der technisch und rechtlich untrennbar sei, aber sie dennoch die getrennte bescheidmäßige Behandlung als nicht rechtswidrig beurteilte. Der Beschwerdeführer behauptet auch, die Durchführung der baupolizeilichen Aufträge sei technisch gänzlich unmöglich.

Diesen Ausführungen halt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit Recht entgegen, daß alle Bescheide gleichzeitig ergangen und daher auch gleichzeitig vollstreckbar seien. Der Hinweis, die tatsächliche Durchführung der baupolizeilichen Aufträge sei technisch unmöglich, gehe daher ins Leere. Daß nicht alle angefochtenen erstinstanzliche Bescheide in einem Berufungsbescheid zusammengefaßt worden seien, liege lediglich darin, daß das Grundstück Nr. 816/6 allein im Eigentum der Gemeinde Wien stehe, wogegen das Grundstück Nr. 816/1 sich im gemeinsamen Eigentum des Beschwerdeführers und der Gemeinde Wien befinde.

Ergänzend zu diesen Ausführungen der belangten Behörde ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers entgegenzuhalten, daß die Erlassung von vier verschiedenen baupolizeilichen Aufträgen gerade die Möglichkeit der Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung allein für die in seinem Miteigentum stehende Grundfläche eher erleichtert, wenn es auch vertretbar gewesen wäre, in einem Bescheid einen entsprechenden Auftrag zu erteilen. Der Aktenlage nach kam es deshalb zur Erlassung von drei Bescheiden mit insgesamt vier baupolizeilichen Aufträgen, weil der gesamte Hallenkomplex seinerzeit mit zwei verschiedenen baubehördlichen Bewilligungen zeitlich befristet bewilligt worden ist und durch eine spätere Grundabteilung diese Baulichkeit nunmehr auf verschiedenen Grundstücken und Liegenschaften bestehen. Der Verwaltungsgerichtshof kann zusammenfassend jedenfalls nicht finden, daß durch die aufgezeigte Vorgangsweise der Behörde erster Instanz Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden.

Die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob sich ein einheitliches Bauwerk nicht durch eine an der Grundgrenze einzuführende Mauer teilen lasse, war im durchgeführten Verfahren auf Verwaltungsebene schon deshalb nicht näher zu erörtern, weil sie erst in einem allfälligen nachträglichen Baubewilligungsverfahren Aktualität besitzt. Im übrigen teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung des Beschwerdeführers, daß grundsätzlich eine von ihm in Aussicht genommene Teilung möglich sein könnte, sofern nicht etwa Bestimmungen des Bebauungsplanes einer solchen Lösung entgegenstehen. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vorwirft, sie sei auf das Berufungsvorbringen betreffend die Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung nicht eingegangen, liegt hier eine Verletzung von Verfahrensvorschriften schon deshalb nicht vor, weil im baupolizeilichen Auftragsverfahren nicht § 129 Abs. 10 BO dies nicht zu behandeln ist, wie schon ausgeführt wurde.

Wenn schließlich behauptet wird, eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sei auch darin zu erblicken, daß der ursprüngliche Anlaß für die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages, nämlich die beabsichtigte Errichtung eines bestimmten Gebäudes auf der Liegenschaft der Gemeinde Wien, nicht mehr aktuell sei und sohin eine korrekte Verfahrensführung ein anderes Beweisergebnis zur Folge hatte haben müssen, verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Für die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 129 Abs. 10 Satz 1 BO ist nämlich der Sachverhalt ausreichend, daß für bestehende, bewilligungspflichtige Baulichkeiten eine baubehördliche Bewilligung nicht vorliegt, obwohl sie sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im gegenwärtigen Zeitpunkt einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hätten. Nicht anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn Baulichkeiten, die auf Grund einer zeitlich befristeten Bewilligung erteilt wurden, nach Ablauf der im Baubewilligungsbescheid genannten Frist weiterhin bestehen, obwohl der Eigentümer schon auf Grund der zitierten Gesetzesstelle zu ihrer Beseitigung verpflichtet wäre. Die Baubehörde ist an sich schon von Amts wegen verpflichtet, für die Beseitigung derartiger unbefugter Baulichkeiten Sorge zu tragen, sodaß es hiezu keines besonderen Anlasses, wie etwa der Errichtung einer bestimmten Baulichkeit, bedurft hätte. Wenn im Beschwerdefall die Baubehörde ihrer gesetzlichen Verpflichtung erst auf Grund des Ersuchens einer Magistratsabteilung der Stadt Wien nachgekommen ist, so kann bei der dargestellten Rechtslage darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden, mag auch der ursprünglich beabsichtigte Zweck der Baufreimachung einer Liegenschaft später weggefallen sein.

Da auf Grund der dargelegten Erwägungen auch die vom Beschwerdeführer behaupteten Verletzungen von Verfahrensvorschriften nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 31. Jänner 1989

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