VwGH 88/05/0164

VwGH88/05/016417.1.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Mag. JK in M, vertreten durch Mag. Dr. Michael Michor, Rechtsanwalt in Villach, Bahnhofstraße 16, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 1. Juni 1988, Zl. 8 BauRl-170/1/1988, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1
BauO Krnt 1969 §17 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988050164.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. September 1984 hatte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück 280/1 KG M unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt. Im Punkt 8 wurde festgestellt, daß entgegen dem Einreichplan die Außengestaltung des Objektes entsprechend der Planskizze des Bauanwaltes, welche einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bilde, zu erfolgen habe. Gemäß der Stellungnahme des Bauanwaltes seien folgende Änderungen vorzunehmen:

"a) Die Dächer sind in Anpassung an die traditionell üblichen Dachformen symmetrisch zu gestalten (siehe Skizzen).

b) Vor- und Rücksprünge, die zu unsymmetrischen Ausbildungen der Giebel bzw. Verzüge führen, sind zu vermeiden.

c) Die Dachvorsprünge sind sowohl im Traufen- wie im Giebelbereich zu vergrößern.

  1. d) Auf die schrägen Verkleidungen mit Holz ist zu verzichten.
  2. e) Im Bereich der Obergeschoße sind die Holzverkleidungen senkrecht auszuführen. An der Südansicht ist die Holzverkleidung des Obergeschoßes bis zur Oberkante der Balkonbrüstung zu führen.
  3. f) Die Balkonbrüstung ist senkrecht zu gliedern.
  4. g) Die Garage ist mit einem Satteldach auszuführen.
  5. h) Das Dach ist entsprechend § 10 des Bebauungsplanes mit dunkelgrauem Hartmaterial einzudecken."

    Im bewilligten Bauplan selbst wurden die dargestellten Ansichten durchgestrichen und der Vermerk angebracht "siehe geänderte Planskizze". Die Planskizze selbst wurde mit dem Aufdruck versehen "Dieser Plan wird unter Hinweis auf die dazugehörige Baubewilligung baubehördlich genehmigt!". Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

    Am 9. Dezember 1985 stellte der Leiter des Baubezirksamtes S fest, daß den Vorschreibungen Punkt 8 des Baubewilligungsbescheides

hinsichtlich der lit. 8 a), b), c), d) und e) nicht Rechnung getragen worden war. In der Folge verfügte der Bürgermeister aus diesem Grunde mit Bescheid vom 8. April 1986 die sofortige Einstellung der Bauarbeiten. Eine dagegen erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 18. Juni 1986 als verspätet eingebracht zurück.

Mit Eingabe vom 23. Mai 1986 ersuchte der Beschwerdeführer um die Erteilung der Baubewilligung nach einem beiliegenden Änderungsplan, wobei ausdrücklich der Antrag auf Abänderung der Baubewilligung in den lit. a), b) und e) des Punktes 8 gestellt wurde. Der Beschwerdeführer behauptete, er habe die von ihm als wesentlich erkennbaren Änderungsvorschläge der dem Baubescheid beigefügten Skizze beim Bau berücksichtigt. Der Dachüberstand sei durch kräftiges Vorkragen der Sparrenköpfe wesentlich vergrößert worden, die Holzverschalung sei, wie gefordert, senkrecht ausgeführt worden und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, diagonal. Außerdem werde das Dach des mit dem Haus durch eine Pergola verbundenen Carports als Satteldach im Sinne der Skizzen des Bauanwaltes ausgeführt. Die an der Nordseite vorbeigehende Pergola werde überdies den Baukörper der Eingangspartie horizontal gliedern und dessen Höhenbetonung wesentlich mildern. Damit schienen ihm die wichtigsten Auflagen erfüllt. Weitere Eingriffe in den ursprünglichen, in sich abgerundeten Entwurf würden die Gesamterscheinung des Hauses sicherlich beeinträchtigen. Der Beschwerdeführer versuchte sodann weiter zu begründen, aus welchen Erwägungen eine Beeinträchtigung des Ortsbildes nicht eintrete.

Der Bauanwalt der Bezirkshauptmannschaft S kam in seiner Stellungnahme vom 19. August 1986 zu dem Schluß, daß als Änderungen im Äußeren lediglich die Vergrößerung der Dachvorsprünge bzw. das Anbringen von senkrechter, anstelle ursprünglich geplanter schräger Holzverkleidung erkennbar sei. Der vorliegende Änderungsplan weiche daher nur unwesentlich vom ursprünglichen Plan ab und seien die Auflagen des Baubewilligungsbescheides vom 4. September 1984 nicht berücksichtigt worden.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 1986 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde das neuerliche Bauansuchen des Beschwerdeführers mit der Begründung ab, daß nach dem Gutachten des Bauanwaltes dem Vorhaben nach § 9 Abs. 2 lit. d der Kärntner Bauordnung Interessen der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Schutzes des Ortsbildes entgegenstünden.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand mit Bescheid vom 1. Juli 1987 als unbegründet zurück, wobei im wesentlichen die Auffassung der Erstinstanz geteilt wurde, daß dem beantragten und im Rohbau bereits bestehenden Vorhaben sowohl die Interessen der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Schutzes des Ortsbildes als auch die Bestimmungen des textlichen Bebauungsplanes der Gemeinde entgegenstünden. Die Vorgangsweise des Beschwerdeführers lasse den Schluß zu, daß im Baubewilligungsverfahren die verfügte Gestaltungsänderung der Außenfassade zur Kenntnis genommen worden sei, um in den Besitz der Baubewilligung zu kommen und durch Nichtbeachtung dieser Voraussetzung bei der Bauausführung das ursprüngliche Projekt durchzusetzen. Eine Tolerierung dieser Vorgangsweise könnte schon bei Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes und im Hinblick auf die Folgewirkungen nicht vertreten werden. Der Berufung sei keine Folge zu geben.

Zu der dagegen erhobenen Vorstellung holte die Kärntner Landesregierung das Gutachten eines technischen Amtssachverständigen ein, in welchem dieser ausführte, daß der Änderungsplan im wesentlichen den ursprünglichen Bauantrag wiederhole, wobei jedoch einige vom Bauanwalt erhobene Forderungen, wie etwa, daß die Schalung nicht schräg verlaufen würde, daß der Pkw-Abstellplatz mit einem Satteldach zu versehen sei und daß die Dachvorsprünge zu vergrößern wären, berücksichtigt worden seien. Die Form der Dächer über dem Wohngebäude sei aber die gleiche geblieben wie im ursprünglichen Einreichplan. Der Amtssachverständige beschrieb sodann das Orts- und Landschaftsbild und kam zu dem Schluß, daß kein Widerspruch zum Landschaftsbild bestehe, ein Widerspruch zum Ortsbild sich jedoch schon zum größten Teil aus der bereits genehmigten Baumasse ergebe. Einzelne Korrekturen wären wünschenswert. Zu diesem Gutachten nahm der Beschwerdeführer in seiner Äußerung vom 17. Mai 1988 Stellung; im einzelnen versuchte er darzutun, aus welchen Gründen eine Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes nicht gegeben sei. Zu diesem Zweck wurde eine Reihe von Fotos vorgelegt.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 1. Juni 1988 wies die Kärntner Landesregierung die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens ging die Gemeindeaufsichtsbehörde von der Feststellung des hochbautechnischen Sachverständigen des Amtes der Kärntner Landesregierung aus, daß der Änderungsantrag im wesentlichen mit dem ursprünglich eingereichten Plan ident sei. Da aber im vorliegenden Fall die baubehördliche Bewilligung nur unter das Bauvorhaben teilweise abändernden Auflagen erteilt worden sei, sei das Vorhaben in seiner ursprünglichen Gestalt als abgewiesen zu beurteilen, wie dies auch bei der Erteilung einer Baubewilligung unter das Bauvorhaben einschränkenden Auflagen der Fall sei. Der Beschwerdeführer habe mit seinem Änderungsantrag in Wahrheit eine neuerliche Entscheidung über sein ursprüngliches Bauvorhaben ohne gleichzeitige Vorschreibung der Auflagen unter Punkt 8 a), b) und e) des in Rechtskraft erwachsenen Baubewilligungsbescheides beantragt. Einer solchen Vorgangsweise stehe aber die Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG 1950 entgegen. Gegenstand der Rechtskraft sei der Spruch und die maßgebende Begründung der Entscheidung. Der Sinn der materiellen Rechtskraft eines Bescheides sei darin gelegen, daß eine Angelegenheit bei unverändertem Sachverhalt nicht neuerlich aufgerollt werden dürfe. § 17 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung, wonach die Abänderung der Baubewilligung auf Antrag zulässig sei, ließe eine solche Vorgangsweise nicht zu, weil diese Gesetzesstelle stets ein neues (geändertes) Bauvorhaben voraussetze. Im vorliegenden Fall liege ein solches geändertes Bauvorhaben jedoch nicht vor, sondern es laufe der Abänderungsantrag auf das Begehren hinaus, die Auflagen unter Punkt 8 a), b) und e) des Baubewilligungsbescheides "zum Wegfall zu bringen". Die Baubehörde hätte daher bereits ohne Eingehen auf die Sache selbst den Abänderungsantrag vom 23. Mai 1986 als unzulässig zurückweisen müssen. Es würde sich daher erübrigen, auf die weiteren Einwendungen in der Vorstellung betreffend die Fragen des Ortsbildes einzugehen. Völlig unbeachtlich sei der Einwand des Beschwerdeführers, daß er erst nach Fertigstellung des Rohbaues auf im Baubewilligungsbescheid enthaltene Auflagen aufmerksam gemacht worden sei. Die Auflagen seien nämlich ein integrierender Bestandteil der Baubewilligung und daher einzuhalten.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beaNtragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Anwendung des § 17 der Kärntner Bauordnung verletzt, weil die belangte Behörde davon ausgehe, daß der Änderungsantrag vom 23. Mai 1986 kein geändertes Bauvorhaben darstelle. Der Beschwerdeführer sei auch dadurch in seinen Rechten verletzt worden, daß die belangte Behörde nicht in der Sache selbst entschieden habe, sondern den Änderungsantrag des Beschwerdeführers als res judicata qualifiziert habe.

 

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 68 Abs. 1 AVG 1950 sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.

Nach § 17 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969, ist die Abänderung der Baubewilligung auf Antrag zulässig.

Hiezu ist zunächst festzustellen, daß diese gesetzliche Regelung eine Änderung der Baubewilligung, also die Institution eines Planwechsels, zum Gegenstand hat, der Gesetzgeber hier aber nicht die neuerliche Aufrollung einer entschiedenen Sache ermöglichen wollte, wie der Beschwerdeführer meint.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht einer neuen Sachentscheidung nämlich die Rechtskraft eines früher in derselben Angelegenheit ergangenen Bescheides nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 1985, Zl. 84/05/0191, BauSlg. Nr. 423, vom 16. Oktober 1986, Zl. 85/06/0140, BauSlg. Nr. 778, und die darin zitierte Vorjudikatur). Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher zu prüfen, ob sich das neue Parteibegehren im wesentlichen mit dem früheren deckt; mit anderen Worten, ob also das Projekt nur in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist. Ein Vergleich des ursprünglichen Einreichplanes mit dem nunmehrigen Einreichplan zeigt in der Darstellung der Nord- und Südansichten, daß das Projekt, abgesehen von der Anwendung eines verschiedenen Maßstabes in seiner äußeren Gestaltung im wesentlichen gleichgeblieben ist. Dies bestreitet in Wahrheit auch der Beschwerdeführer nicht, weil er in seiner Beschwerde ausdrücklich nur anführt, daß Änderungen bezüglich des Dachüberstandes in Form einer wesentlichen Vergrößerung durch kräftiges Vorkragen der Sparrenköpfe erfolgt sei, das Nebengebäude (Carport) nunmehr mit einem Satteldach ausgeführt und schließlich (an der Nordseite) die Pergola geändert worden sei. Diese Umstände bedeuten aber, wie die erwähnte Ansichtsdarstellung auf einen Blick zeigt, daß sich in Wahrheit das neue Parteibegehren im wesentlichen mit dem früheren deckt, welches in dieser Beziehung, wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, durch die vorgeschriebenen Projektsänderungen als rechtskräftig abgewiesen zu beurteilen ist. Die neuerliche Antragstellung des Beschwerdeführers bezweckt sohin eine neuerliche Aufrollung jener Vorschreibungen des ursprünglichen Baubewilligungsbescheides, die mangels Bekämpfung durch den Beschwerdeführer in Rechtskraft erwachsen sind. Damit hat aber die belangte Behörde zu Recht die Auffassung vertreten, daß der Antrag des Beschwerdeführers schon wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 hätte zurückgewiesen werden müssen.

§ 17 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung bedeutet entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht, daß hinsichtlich jeder Abänderung eines Projektes eine neuerliche Sachentscheidung zu treffen ist, vielmehr soll durch die Formulierung klargestellt sein, daß auch die Kärntner Bauordnung das Rechtsinstitut eines Planwechsels kennt, also eine Abänderung der Baubewilligung auf Antrag zulässig ist, dies allerdings nur unter der Voraussetzung, daß dem neuerlichen Antrag nicht entschiedene Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 entgegensteht. Keinesfalls kann durch einen Hinweis auf

§ 17 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung erreicht werden, in Rechtskraft erwachsene Vorschreibungen neuerlich zu bekämpfen, wie dies der Beschwerdeführer versuchte. Da der Beschwerdeführer mit seinem nunmehrigen Änderungsantrag vom 23. Mai 1986 sein ursprüngliches Projekt nur in unwesentlicher Weise modifizierte, besaß er keinen Rechtsanspruch auf eine Sachentscheidung im Sinne des § 17 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung. Hat aber die belangte Behörde als Gemeindeaufsichtsbehörde in dieser Beziehung den Antrag des Beschwerdeführers zutreffend beurteilt, so durfte sie dies ohne Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers auch dann feststellen, wenn die Gemeindebehörden irrtümlich die gegebene Sach- und Rechtslage anders beurteilten und inhaltlich eine Sachentscheidung fällten. Eine Verschlechterung der Rechtslage des Beschwerdeführers ist nämlich durch diesen Rechtsirrtum der Gemeindebehörden nicht eingetreten.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 17. Jänner 1989

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