VwGH 88/03/0092

VwGH88/03/009214.12.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Weiss, Dr. Leukauf und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft A, vertreten durch Dr. Hermann Spinner, Rechtsanwalt in Lienz, Beda-Webergasse 1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. März 1988, Zl. IIIa2- 2305/1, betreffend Wirksamkeit des Widerrufes von Angliederungen (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft B in D), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
JagdG Tir 1983 §18 Abs5;
JagdG Tir 1983 §8 Abs5;
JagdRallg;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
JagdG Tir 1983 §18 Abs5;
JagdG Tir 1983 §8 Abs5;
JagdRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Jagdpachtvertrag vom 5. Februar 1979 wurde die Eigenjagd A vom 1. April 1979 bis 31. März 1988 an O P verpachtet. Am 1. März 1987 wurde mit dem Genannten abermals ein Pachtvertrag über die Verpachtung dieser Eigenjagd abgeschlossen, der seinem Punkt III. zufolge mit 1. April 1988 beginnen sollte und auf die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen wurde. Diesen Pachtvertrag wies die Bezirkshauptmannschaft Lienz mit Bescheid vom 9. April 1987 gemäß § 18 Abs. 4 TJG 1983 "wegen Nichtvorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen und wegen mangelnder Prüf- und Entscheidbarkeit" zurück. Der dagegen von den Parteien des Pachtvertrages erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. Mai 1987 Folge und behob den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung heißt es, daß damit "die vorgelegte Verlängerungsvereinbarung" als im Sinne des § 18 Abs. 4 TJG 1983 wirksam gelte.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 8. Oktober 1987 wurde gemäß § 4 Abs. 2 TJG 1983 festgestellt, daß bestimmte Grundstücke, darunter auch die Grundstücke 1369/1, 1369/2, 1370 und 1371 der Katastralgemeinde B in D, ein Eigenjagdgebiet im Sinne des § 5 Abs. 4 TJG 1983 bildeten (Eigenjagdgebiet B in D). Ferner wurde - unter anderem - der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 24. Juni 1949, mit dem unter anderem die Grundstücke 1369, 1370, 1371 an das Eigenjagdgebiet A angegliedert wurden, gemäß § 8 Abs. 5 TJG 1983 widerrufen.

Schließlich enthält der angeführte Bescheid folgenden Ausspruch:

"Diese Feststellungen haben gemäß § 18 Abs. 5 des TJG 1983

auf die laufenden Pachtverträge keinen Einfluß."

Mit Antrag vom 22. Jänner 1988 begehrten die

Beschwerdeführerin (als Eigentümerin des Eigenjagdgebietes A) sowie O P (als Pächter dieser Eigenjagd) unter Hinweis darauf, daß die Eigenjagd A zur Zeit der Erlassung des oben angeführten Bescheides vom 8. Oktober 1987 bereits aufgrund des Vertrages vom 1. März 1987 für die Zeit vom 1. April 1988 bis 31. März 1998 verpachtet gewesen sei, "die Erlassung einer bescheidmäßigen Klarstellung dahin, daß dieser Widerruf bezüglich der an die Eigenjagd A angegliederten Grundstücke 1369/1, 1369/2, 1370 und 1371 je KG B an die Eigenjagd A erst mit Ablauf des 31.3.1998 in Wirksamkeit tritt".

Auf Grund dieses Antrages entschied die Bezirkshauptmannschaft Lienz mit Bescheid vom 5. Februar 1988, daß ihr Bescheid vom 8. Oktober 1987 "hinsichtlich des Pachtverhältnisses der Eigenjagd A gemäß § 18 Abs. 5 des Tiroler Jagdgesetzes 1983, LGBl. Nr. 60 (TJG 1983) mit Ablauf des 31. März 1988 wirksam" werde.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Beschluß vom 21. September 1988 gab der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen

Verfahrens folgende vorläufige Rechtsansicht bekannt:

"Geht man davon aus, daß der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 8. Oktober 1987 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtskräftig war, so erweist sich letzterer, im Instanzenzug ergangene Feststellungsbescheid als unzulässig. Das Begehren der Beschwerdeführerin, das dem erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde lag, hatte nämlich nichts anderes als die Auslegung des rechtskräftigen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 8. Oktober 1987 in Ansehung des darin getroffenen Ausspruches über die zeitliche Wirksamkeit des Widerrufes der Angliederungen zum Gegenstand. Ein Feststellungsantrag, der die Auslegung eines rechtskräftigen Bescheides anstrebt, ist aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 14. Oktober 1985, Z1. 84/10/0116, und die dort angeführte Vorjudikatur) unzulässig. Welche Rechtsfolgen sich aus dem Bescheid einer Verwaltungsbehörde ergeben, muß in jenem Verfahren geklärt werden, das zur Durchsetzung subjektiver Ansprüche der Parteien, die sich aus dem Bescheid ergeben, vorgesehen ist. An der Erlassung eines Feststellungsbescheides besteht daher in einem solchen Fall weder ein öffentliches Interesse noch ein Interesse einer Partei. Eine neuerliche Sachentscheidung in einer bereits rechtskräftig - wenn auch nach Ansicht einer Partei nicht mit hinreichender Deutlichkeit - entschiedenen Sache verstößt im übrigen gegen den im § 68 Abs. 1 AVG 1950 verankerten Grundsatz des "ne bis in idem". Die Rechtskraft stünde einer neuen Sachentscheidung nur dann nicht entgegen, wenn gegenüber dem Zeitpunkt der Entscheidung eine maßgebliche Änderung in der Rechts- oder Sachlage eingetreten wäre. Dies ist jedoch hier nicht der Fall.

Auf dem Boden dieser Rechtslage wäre der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Sinne einer Zurückweisung des Feststellungsantrages der Beschwerdeführerin abzuändern gewesen. Der angefochtene Feststellungsbescheid könnte daher nach vorläufiger Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes inhaltlich rechtswidrig sein."

Die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde vertraten in ihren Stellungnahmen die Auffassung, daß ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin an der begehrten Feststellung bestehe. Die mitbeteiligte Partei setzte sich in ihrer Stellungnahme mit der Zulässigkeit des Feststellungsbescheides nicht auseinander.

Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, daß durch den Bescheid vom 8. Oktober 1987 nicht ausgesprochen worden sei, wann der Widerruf der Angliederungen "eintreten und wirksam werden soll". Der Ausspruch "Diese Feststellungen haben gemäß § 18 Abs. 5 des TJG 1983 auf die laufenden Pachtverträge keinen Einfluß" sei nichts anderes als die wörtliche Wiedergabe des Gesetzestextes. Wäre er unterblieben, würde der Bescheid über den Zeitpunkt, ab wann die Angliederungen im einzelnen außer Wirksamkeit treten, auch nicht weniger aussagen. Die belangte Behörde meinte, daß die Beschwerdeführerin durch die Entscheidungen über den Widerruf der Angliederung und die Genehmigung des Jagdpachtvertrages betreffend die Eigenjagd A ganz offensichtlich in einer Weise (rechtlich) verunsichert worden sei, wodurch das Bedürfnis nach entsprechender behördlicher Klarstellung hervorgerufen worden sei. Es könne der Beschwerdeführerin wohl nicht zugemutet werden, sich der Gefahr eines strafgerichtlichen oder verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrens auszusetzen, um bestehende Unklarheiten über das flächenmäßige Ausmaß ihres Jagdgebietes und dessen Veränderung zu beseitigen und unter Umständen dafür auch noch zivilrechtlich haftbar gemacht zu werden. Bei dieser Betrachtungsweise ergebe sich, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Auslegung des rechtskräftigen Bescheides der ersten Instanz vorgenommen, sondern auf Grund eines Parteiantrages den konkreten Zeitpunkt des Wirksamwerdens der erstbehördlichen Entscheidung festgestellt habe. In dieser Auffassung werde die belangte Behörde noch durch den Umstand bestärkt, daß die Bezirkshauptmannschaft Lienz in ihrem Bescheid vom 8. Oktober 1987 lediglich eine Bestimmung des TJG 1983 (§ 18 Abs. 5) wiedergegeben habe, ohne sie inhaltlich näher auszuführen, "sozusagen als eine Art Hinweis für die Bescheidadressaten auf eine bestehende gesetzliche Regelung".

Diese Ausführungen geben dem Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß, von der im Beschluß vom 31. September 1988 vertretenen Rechtsansicht abzugehen. Auf Grund der Stellungnahmen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist davon auszugehen, daß der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 8. Oktober 1987 in Rechtskraft erwachsen ist. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde ist der in diesem Bescheid enthaltene Ausspruch "Diese Feststellungen haben gemäß § 18 Abs. 5 des TJG 1983 auf die laufenden Pachtverträge keinen Einfluß" nicht als bloßer Hinweis auf die Rechtslage ohne normativen Gehalt anzusehen. Vor dem Hintergrund des § 59 Abs. 1 erster Satz AVG 1950, wonach der Spruch eines Bescheides "die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen" hat, läßt die Tatsache, daß der erwähnte Ausspruch in den Spruch des angeführten Bescheides aufgenommen wurde, in Verbindung mit der Formulierung "Diese Feststellungen ...." keinen andern Schluß zu, als daß mit diesem Ausspruch normativ über die Frage der zeitlichen Wirksamkeit der im Bescheid getroffenen "Feststellungen", zu denen auch der Widerruf der Angliederungen zählt, abgesprochen wurde. Dies umso mehr, als § 18 Abs. 5 TJG 1983 seinem Wortlaut nach nicht auch Verfügungen nach § 8 Abs. 5 leg. cit. (Widerruf von Angliederungen) umfaßt. Mit dem Bescheid vom 8. Oktober 1987 wurde daher auch die Frage des Wirksamkeitsbeginnes der dort getroffenen Verfügungen erledigt. Sollte eine Partei des Verwaltungsverfahrens der Meinung sein, daß der diese Frage betreffende Abspruch der erforderlichen Deutlichkeit entbehre, so steht es ihr frei, im Wege einer Berufung eine entsprechende Klarstellung zu erwirken. Hat sie aber die Erhebung einer Berufung unterlassen und solcherart verabsäumt, das ihr von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellte Mittel zur Klarstellung der Rechtslage in Anspruch zu nehmen, so kann ihr später - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - das für einen Feststellungsantrag erforderliche rechtliche Interesse an der Klarstellung nicht mehr zugebilligt werden. Dies muß aber auch die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall gegen sich gelten lassen, zumal ihr die dem Feststellungsantrag zugrundeliegende Problematik bereits zur Zeit der Zustellung des Bescheides vom 8. Oktober 1987 hätte erkennbar sein müssen. Ein Eingehen auf die weitwendigen Ausführungen in der Stellungnahme der belangten Behörde, mit denen sie die Unrichtigkeit der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1987, Zl. 86/03/0207, vertretenen Rechtsansicht darzulegen versuchte, erübrigte sich. In dem genannten Erkenntnis wurde ausgesprochen, daß aus dem Gesetz nicht abzuleiten sei, daß die Anzeige eines Pachtverhältnisses nach § 18 Abs. 4 TJG 1983 nicht früher als zwei bis drei Monate vor dem Beginn des Pachtverhältnisses erfolgen dürfe. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, inwieweit diese Rechtsfrage für das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der von der Beschwerdeführerin begehrten Feststellung von Bedeutung sein könnte. Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang ausführt, daß sich im vorliegenden Fall sogar der begründete Zweifel für den Jagdausübungsberechtigten ergeben habe, wie groß nun der territoriale Umfang (= räumlicher Geltungsbereich) seines Jagdausübungsrechtes sei, womit natürlich alle am jeweiligen Jagdgebiet orientierten Vorschriften des TJG 1983 zusammenhingen (räumliche Figurierung, Angliederungen, Jägernotweg, Abschußplan, Verantwortung des Jagdausübungsberechtigten für die Abschußplanerfüllung, Vorschreibungen der Jagdbehörde nach § 52 TJG 1983 usw.), so scheint sie zu übersehen, daß sie selbst in Pkt. II des angefochtenen Bescheides die Berufung des Jagdpächters O P gegen den erstinstanzlichen Bescheid mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hält daher an der im Beschluß vom 21. September 1988 vertretenen Rechtsansicht fest. Dies hat zur Folge, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985. Das auf den Ersatz nicht erforderlicher Stempelgebühren gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am 14. Dezember 1988

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