Normen
AVG §37 implizit
AVG §59 Abs1 implizit
BAO §115 Abs1
BAO §93 Abs2
B-VG Art18 Abs2
GEG §14
GEG §7 Abs1
GGG 1984 §13
GGG 1984 §30 Abs2 Z1
VwGG §41 Abs1
WFG 1968 §35 Abs5
WFG 1984 §53 Abs5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987160072.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheid wies der Präsident des LG. Feldkirch den am 2. April 1987 beim BG. Feldkirch unter Vorlage der „Erklärung A“ vom 27. März 1987 eingelangten Antrag der Beschwerdeführerin (einer österreichischen Bausparkasse) um nachträgliche Gebührenbefreiung gemäß § 53 Abs. 5 WFG 1984 und Rückzahlung bereits bezahlter Gerichtsgebühren in Höhe von S 9.878,-- ab. Dies im wesentlichen mit folgender Begründung:
Der in Rede stehende Antrag werde damit begründet, das Darlehen, für dessen grundbücherliche Sicherstellung die Eintragungsgebühr „vorgeschrieben“ und bezahlt worden sei, sei ausschließlich zur Finanzierung der Wohnhausfertigstellung der Eigentümer gewährt worden.
Weiters führte der Präsident des LG. Feldkirch unter Hinweis auf § 13 GGG und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 1966, Zl. 769/66, aus, die (persönliche und) sachliche Gebührenbefreiung sei bereits in der Eingabe, unter Hinweis auf die gesetzliche Grundlage, spätestens jedoch im Berichtigungsverfahren, geltend zu machen.
Im vorliegenden Fall sei die Eintragungsgebühr nicht mit Zahlungsauftrag sondern mit Zahlungsaufforderung „vorgeschrieben“ und ordnungsgemäß entrichtet worden. Im Antrag auf grundbücherliche Einverleibung des Pfandrechtes sei die sachliche Gebührenbefreiung nicht in Anspruch genommen worden. Für die Erlassung eines Zahlungsauftrages sei sohin kein Grund gegeben gewesen und deshalb stehe auch eine Berichtigungsfrist zur Geltendmachung der Gebührenfreiheit nicht zur Verfügung.
Die nachträgliche Geltendmachung der Gebührenfreiheit im Rückzahlungsverfahren (nach § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG) sei sohin verspätet und wirkungslos.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen diesen Bescheid und beantragt dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der Präsident des LG. Feldkirch legte die Verwaltungsakten vor und nahm ausdrücklich von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Sinn des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG durch den angefochtenen Bescheid in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Rückzahlung der bereits entrichteten Pfandrechtseintragungsgebühr gemäß § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG verletzt, und zwar wegen des Vorliegens der Gebührenbefreiung nach § 53 Abs. 5 WFG 1984.
Auf Grund des § 53 Abs. 3 WFG 1984 (in der Fassung vor der für den vorliegenden Fall unwesentlichen Änderung durch Z. 1 des III. Abschnittes des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 340/1987) sind u.a. die gerichtlichen Eingaben und die grundbücherlichen Eintragungen zur pfandrechtlichen Sicherstellung von Darlehen, die zur Finanzierung der nach diesem Bundesgesetz geförderten Bauvorhaben erforderlich sind, von den Gerichtsgebühren befreit.
Gemäß § 53 Abs. 5 WFG 1984 gilt die Gebührenbefreiung nach Abs. 3 ferner für das Bausparkassendarlehen, das eine österreichische Bausparkasse einem Bausparer, der österreichischer Staatsbürger ist oder gemäß § 19 Abs. 3 gleichgestellt ist, zur Errichtung einer zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Bausparers oder der ihm nahestehenden Personen bestimmten Wohnungen in normaler Ausstattung gewährt.
§ 53 Abs. 5 WFG 1984 gewährt - in gleicher Weise wie früher § 35 Abs. 5 WFG 1968 (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 1973, Zl. 1147/73, Slg. Nr. 4595/F) ‑ sachliche Gebührenfreiheit. Diese ist nach § 13 erster Satz, zweiter Halbsatz GGG in der Eingabe, bei Aufnahme des Protokolls oder Vornahme einer sonstigen Amtshandlung unter Hinweis auf die gesetzliche Grundlage in Anspruch zu nehmen. Zu § 13 GGG findet sich in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (366 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVI. GP) folgendes:
„Die Bestimmung des § 13 wurde in formeller Hinsicht dem § 10 Z. 3 insofern angeglichen, als auch die sachliche Befreiung in der Eingabe, bei Aufnahme des Protokolls oder Vornahme einer sonstigen Amtshandlung unter Hinweis auf die gesetzliche Grundlage in Anspruch zu nehmen ist. Im übrigen gilt das zum § 10 Z. 3 Gesagte sinngemäß.“
Zu § 10 Z. 3 GGG wird in denselben Erläuterungen ausgeführt:
„Durch das Gebot des § 10 Z. 3, daß die Gebührenfreiheit unter Hinweis auf die gesetzliche Grundlage in Anspruch genommen werden muß, wird der Kostenbeamte in die Lage versetzt, die Voraussetzungen für die Gebührenfreiheit zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die persönliche Gebührenfreiheit noch innerhalb der für den Berichtigungsantrag offenstehenden Frist (im Berichtigungsantrag selbst) geltend gemacht werden (VwGH, 16. April 1958, Z 1358/57, SlgNF 1812/F).“
Gemäß § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, daß überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde.
Als § 31 Abs. 2 Z. 1 in der betreffenden Regierungsvorlage war noch vorgesehen:
„Gebühren sind zurückzuzahlen: 1. wenn sie ohne Aufforderung entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, daß überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde;“.
In den diesbezüglichen Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde noch ausgeführt, die im Abs. 2 zur Rückzahlung von Gebühren geforderte Voraussetzung „ohne Aufforderung“ sei dann gegeben, wenn keine Zahlungsaufforderung (GeoForm 51) oder kein Zahlungsauftrag ergangen sei.
Auf Grund der Beratungen des Justizausschusses über diese Regierungsvorlage (siehe den Bericht des Justizausschusses ‑ 454 der zitierten Beilagen) wurde diese als § 31 Abs. 2 Z. 1 geplante Regelung auf die nunmehr geltende Fassung umformuliert, und zwar als § 30 Abs. 2 Z. 1. Dafür wird in dem zitierten Bericht folgende Begründung gegeben:
„Da eine Zahlungsaufforderung (§ 14 GEG) kein Bescheid, sondern ihrer Rechtsnatur nach eine bloße Zahlungserinnerung ist, die nicht rechtskraftfähig sein kann, soll an deren Erlassung nicht mehr wie bisher die Rechtsfolge geknüpft werden, daß hiedurch eine materiell-rechtliche Überprüfung eines Rückzahlungsantrages ausgeschlossen wird.“
Dieser § 14 GEG 1962 in der schon von der zitierten Regierungsvorlage geplanten und dann durch Art. II Z. 17 GGG herbeigeführten Fassung lautet:
„Der Kostenbeamte hat vor Erlassung des Zahlungsauftrages (§ 6) den Zahlungspflichtigen aufzufordern, fällig gewordene Gerichtsgebühren oder Kosten binnen 14 Tagen zu entrichten (Zahlungsaufforderung). Von einer Zahlungsaufforderung kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn mit der Entrichtung des Betrages nicht gerechnet werden kann.“
In Übereinstimmung mit dem angeführten Bericht des Justizausschusses zu § 30 GGG führen Tschugguel ‑ Pötscher, Die Gerichtsgebühren, sowohl in der 3. Auflage, S. 189, vorletzter Abs., zu § 14 GEG 1962 (in der Fassung durch Art. I Z. 6 BGBl. Nr. 155/1965), als auch in der 4. Auflage, S. 283, Abs. 1, zum nunmehrigen § 14 GEG 1962 nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend, aus: „Die Zahlungsaufforderung hat keine Rechtskraftwirkung.“ Allerdings könnte der von diesen Autoren jeweils in der Nähe der angeführten Stellen u.a. zitierte erste Satz des § 217 Abs. 4 Geo:
„Der Zahlungspflichtige kann durch Rücksendung die Zahlungsaufforderung mit dem Vermerk ‚Ersuche um Erlassung des Zahlungsauftrages‘ außer Kraft setzen.“
Anlaß zu Mißverständnissen geben.
Wie nämlich schon die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der GEGNov 1965 (742 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates X. GP.) im Zusammenhang mit der Änderung des damaligen § 14 GEG 1962 zutreffend ausführen, hat die Zahlungsaufforderung keine Rechtskraftwirkung. Wenn der Zahlungspflichtige der Zahlungsaufforderung nicht nachkommt, hat der Kostenbeamte den Zahlungsauftrag (§ 6 Abs. 1 GEG 1962) zu erlassen.
Bedenkt man die der Fassung des § 14 GEG 1948 durch Art. I Z. 9 der Novelle, BGBl. Nr. 308/1960 zugrundeliegende Absicht, nämlich den Mangel einer zweifelhaften gesetzlichen Deckung des § 217 Geo zu beseitigen (siehe die Erläuternden Bemerkungen zu der damals noch als Z. 8. vorgesehenen Regelung in der Regierungsvorlage ‑ 295 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates IX. GP.), dann wird deutlich, daß jedenfalls seit der zitierten GEGNov 1965 zumindest dem Satzteil „außer Kraft setzen“ in dem § 217 Abs. 4 erster Satz Geo, zweifellos einer Durchführungsbestimmung im Sinn des § 17 GEG 1962, materiell derogiert wurde, weil Durchführungsverordnungen bei Wegfall des sie tragenden Gesetzes im Sinn der sogenannten „Herzog‑Mantel‑Theorie“ gegenstandslos werden (siehe z.B. die von Klecatsky‑Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht, Wien 1982, S. 280, unter E. 127, zu Art. 18 B‑VG zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes; die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1963, Zl. 985/62, Slg. Nr. 2982/F, und vom 13. September 1982, Zl. 82/10/0030, Slg. Nr. 10802/A; Mayer, Die Verordnung, Wien 1977, S. 37 f; Hackl in Ermacora‑Winkler‑Koja‑Rill‑Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1979, Die Verordnung, S. 187 f; Antoniolli‑Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, Wien 1986, S. 190 f; und Adamovich‑Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, Wien‑New York 1987, S. 116 f).
Das vom Gesetzgeber des GGG ausdrücklich zitierte und von ihm offensichtlich gebilligte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 1812/F hat nicht nur in der ständigen Rechtsprechung seine Fortsetzung gefunden (siehe z.B. die Erkenntnisse vom 12. November 1958, Zl. 437/58, vom 17. September 1963, Zl. 1127/63, und vom 11. Dezember 1986, Zl. 86/16/0026, ÖStZB 15/1987, S. 411), in der sinngemäß immer wieder zum Ausdruck kommt, daß die Unterlassung des Hinweises auf die gesetzliche Grundlage der Gebührenfreiheit in der Eingabe usw. bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Gebührenpflicht nicht Präklusion bewirkt, sondern schon auf das Erkenntnis vom 23. Mai 1956, Zlen. 1416 und 1417/55, verwiesen. In diesem Erkenntnis hatte der Verwaltungsgerichtshof mit grundlegenden Ausführungen zum Berichtigungsantrag dargetan, daß der über ihn ergangene Bescheid (ebenso wie der unangefochten gebliebene Zahlungsauftrag des Kostenbeamten) der formellen und materiellen Rechtskraft fähig ist.
Die vorstehenden Überlegungen führen zu folgendem Ergebnis:
Im vorliegenden Fall konnte die Frage, ob die Beschwerdeführerin eine sich auf einen vor dem grundsätzlichen Entstehen der Gerichtsgebührenschuld gelegenen Zeitpunkt beziehende Erklärung nach § 53 Abs. 5 WFG 1984 im Sinn des § 13 GGG abgegeben hatte oder nicht, in einem nach den allgemeinen Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens durchzuführenden Verfahrens nicht vor dem Verfahren über ihren Rückzahlungsantrag geprüft werden. Der Gesetzgeber, und zwar in Kenntnis der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wollte aber, wie aus dem zitierten Bericht des Justizausschusses zu § 30 GGG hervorgeht, eine materiell-rechtliche Überprüfung eines Rückzahlungsantrages nicht ausschließen und damit auch hier - wie bei der persönlichen Gebührenfreiheit - die Präklusionswirkung der Unterlassung des in Rede stehenden Hinweises erst mit einer rechtskräftigen Entscheidung der Gebührenpflicht eintreten lassen. Daraus ergibt sich aber, daß sich die belangte Behörde zu Unrecht nicht mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in deren Rückzahlungsantrag auseinandersetzte.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen wird bemerkt, daß der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der vorgelegten Verwaltungsakten allein nicht imstande ist, zu entscheiden, ob die belangte Behörde im Ergebnis zu einem - wenn auch auf unrichtigen rechtlichen Erwägungen beruhenden - rechtmäßigen Bescheid(spruch) gelangte (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1986, Zl. 84/15/0047, ÖStZB 7/1987, S. 204).
Aus dem Rückzahlungsantrag der Beschwerdeführerin und der diesem angeschlossenen „Erklärung A“ ist zu schließen, daß ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen errichtet werden sollte, wobei eine Wohnung von der Bausparerin und eine Wohnung von deren Schwägerin als einziger und ständiger Wohnsitz bewohnt werden sollte. Nach § 2 Z. 9 WFG 1984 zählen aber zu den nahestehenden Personen nur Verschwägerte in gerader Linie. Es wird daher im Sinn des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1985, Zl. 84/15/0048, ÖStZB 18/1986, S. 298, das (entgegen der von Tschugguel‑Pötscher, Die Gerichtsgebühren4, Wien 1986, S. 25, E. 7, gewählten allgemeinen Formulierung in der Klammer) deutlich erkennbar auf das - etwa auch im Steuerrecht (siehe z.B. die von Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz (1955), Wien 1987 Stand nach dem 15. Nachtrag Juli 1987, unter Tz. 8 zu § 4 GrEStG 1955 zitierte Rechtsprechung) ‑ maßgebende Überwiegen des begünstigten oder nichtbegünstigten Teiles ankommen, weil eine einheitliche Eintragung nicht in einen gerichtsgebührenpflichtigen und einen gerichtsgebührenbefreiten Teil aufgespalten werden kann.
Aus den dargelegten Erwägungen ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 10. März 1988
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