VwGH 87/14/0001

VwGH87/14/000124.11.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Piffl, über die Beschwerde des DH in W, vertreten durch Dr. Klaus Dieter Strobach, Rechtsanwalt in Grieskirchen, Stadtplatz 5, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 31. Oktober 1986, Zl. 14/41/2-BK/Th-1986, betreffend Einkommensteuer 1982, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §28 Abs1 Z3;
EStG 1972 §28;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987140001.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer schloß mit einer GesmbH, an deren Stammkapital er mit 50 % beteiligt und deren Geschäftsführer er war, eine Vereinbarung ab, die er in einem Schreiben an diese Gesellschaft vom 7. Jänner 1982 folgendermaßen festhielt:

"Sehr geehrte Herren,

auf Grund der diversen Vorbesprechungen zwischen Ihnen und mir, übergebe ich Ihnen das P-System zur Vermarktung.

Es gilt vereinbart, daß

  1. 1. das P-System ausschließlich in Österreich vertrieben wird
  2. 2. der Handel und die Vermarktung ausschließlich von

    der ..... GesmbH betrieben wird

    3. ich für die Zurverfügungstellung des P-Systems S 300.000,--

erhalte

4. eine Weiterveräußerung des P-Systems nur unter Zustimmung meiner Person erfolgen kann."

Die belangte Behörde unterstellte in dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer habe der GesmbH eine gewerbliche Erfahrung überlassen und mit den S 300.000,-- daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 erzielt. Der Beschwerdeführer stellte hingegen in seiner wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und wegen dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde derartige Einkünfte deshalb in Abrede, weil er der GesmbH die gewerbliche Erfahrung (das P-System) in einer Weise übertragen habe, daß sie aus seinem Vermögen ausgeschieden sei.

Die belangte Behörde beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Davon, daß im Beschwerdefall auf Grund der Übertragung der gewerblichen Erfahrung - wenn überhaupt - nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Betracht kommen, gehen beide Streitteile aus.

2. Der Begriff der Vermietung und Verpachtung des § 28 EStG 1972 ist weiter gezogen als jener des bürgerlichen Rechts. Insbesondere § 28 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. enthält einen von wirtschaftlichen Vorstellungen getragenen und vom zivilrechtlichen Bestandvertrag unabhängigen Tatbestand. Es ist daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht in zivilrechtlicher, sondern in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu prüfen, ob die gegenständliche Vereinbarung eine Überlassung gewerblicher Erfahrungen im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle bewirkte (siehe auch Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 28 EStG 1972 Tz 2, Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2, § 28 Tz 8, Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1962, Zl. 69/62, Slg. Nr. 2705/F, vom 30. April 1964, Zl. 348/62, vom 21. Mai 1985, Zl. 85/14/0023, und vom 26. September 1985, Zl. 83/14/0201).

3. Während § 28 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 die entgeltliche Überlassung unbeweglicher Sachen des Privatvermögens und Z. 2 die entgeltliche Überlassung von Sachinbegriffen des Privatvermögens zur Nutzung zum Gegenstand hat, knüpft Z. 3 an die entgeltliche Überlassung von Rechten und rechtsähnlichen Verhältnissen des Privatvermögens zur Nutzung an. Daß nur eine Nutzungsüberlassung ähnlich einer Vermietung und Verpachtung und nicht auch eine entgeltliche Rechtsübertragung, bei der das Recht gleich einer Veräußerung aus dem Privatvermögen des Übertragenden ausscheidet und in das Vermögen des Erwerbers übergeht, der Besteuerung nach § 28 Abs. 1 Z. 3 unterliegt, ergibt sich nicht nur aus der erwähnten Stellung der Z. 3 im Rahmen des § 28 Abs. 1 EStG 1972, sondern auch daraus, daß die Veräußerung von Privatvermögen nur ausnahmsweise, und zwar dann der Einkommensteuer unterliegt, wenn dies der Gesetzgeber wie in den §§ 30 und 31 klar und eindeutig anordnet. Der Formulierung "Überlassung von Rechten ..., Überlassung von gewerblichen Schutzrechten, von gewerblichen Erfahrungen und von Berechtigungen ..." des § 28 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. kann sohin nicht unterstellt werden, daß damit auch die Überlassung von Rechten im Sinne einer Veräußerung erfaßt werden soll, sondern eben nur eine Überlassung zur Nutzung auf Zeit ähnlich einer Vermietung und Verpachtung (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O., Tz 27, siehe weiters Hofstätter-Reichel, a.a.O., Tz 13). Auch der Tatbestand des § 29 Z. 3 EStG 1972 ("Leistungen") wird im übrigen, wie zu Seite 10 des angefochtenen Bescheides bemerkt sei, durch einen bloßen Veräußerungsvorgang nicht erfüllt (Hofstätter-Reichel, a. a.O., § 29 Tz 6.1, Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O., § 29 Tz 14, Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1953, Zl. 1336/51, Slg. Nr. 859/F, vom 19. November 1965, Zl. 1387/64, und vom 25. November 1986, Zl. 86/14/0072).

4. Auch die belangte Behörde ist grundsätzlich der Meinung, daß eine "Veräußerung" der gewerblichen Erfahrung nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geführt hätte. Sie ist jedoch der Ansicht, daß es zu einem einer Veräußerung vergleichbaren Ausscheiden der gewerblichen Erfahrung aus der Vermögenssphäre des Beschwerdeführers nach der Lage des Beschwerdefalles nicht gekommen wäre. Denn es sei weder zu einer einmaligen Übereignung einer Sache gekommen, noch erschienen die Rechtsbeziehungen mit der Übergabe der Unterlagen über die gewerbliche Erfahrung beendet. Die einschränkenden Bestimmungen der genannten Vereinbarung, daß nämlich das P-System ausschließlich in Österreich vertrieben, der Handel und die Vermarktung ausschließlich von der GesmbH betrieben und eine Weiterveräußerung des Systems nur mit Zustimmung des Beschwerdeführers vorgenommen werden dürften, bewirkten, daß die GesmbH über diese Kenntnisse nicht einmal annähernd frei verfügen könne.

5. Eine gewerbliche Erfahrung kann als "veräußert" gelten, wenn sich ihr Träger (Inhaber) entgeltlich der ihr eigentümlichen Nutzungsmöglichkeiten begeben hat. Dies wieder trifft zu, wenn dem Inhaber nach Bezahlung eines kaufpreisähnlichen Entgelts keine weitere Verfügungsmöglichkeit über die gewerbliche Erfahrung mehr zusteht, er also auf die eigene Nutzung der gewerblichen Erfahrung verzichtet, er auf kein weiteres nutzungsabhängiges Entgelt des "Lizenznehmers" mehr dringen kann, er auf die Art der Nutzung der gewerblichen Erfahrung durch den "Lizenznehmer" nicht mehr einwirken darf, wenn die Verwertungsmöglichkeit bei Einhaltung des Vertrages nie mehr an ihn zurückfällt und er die gewerbliche Erfahrung auch keinem Dritten mehr überlassen darf. Eine solche "Veräußerung" einer gewerblichen Erfahrung kann sich allerdings insoweit auf ein bestimmtes Gebiet beschränken, als der Träger der gewerblichen Erfahrung nur für dieses Gebiet (z.B. Österreich) jeder weiteren Nutzung entsagt.

6. Unter diesen Gesichtspunkten (Punkt 5) betrachtet, läßt der im Schreiben vom 7. Jänner 1982 festgehaltene Inhalt der Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und der GesmbH keine eindeutige Beurteilung der Frage zu, ob die in Rede stehende gewerbliche Erfahrung der GesmbH gleich einer Veräußerung überlassen wurde. Der Umstand, daß der GesmbH die gewerbliche Erfahrung "zur Vermarktung übergeben" wurde, daß für ihre Zurverfügungstellung ein einmaliger, fester Betrag zu bezahlen war und daß die Weiterveräußerung der Zustimmung des Beschwerdeführers bedurfte, weist eher auf eine "Veräußerung" hin, bei der die einzelnen Vorbehalte des Beschwerdeführers als (bloße) Nebenabreden getroffen wurden. Der belangten Behörde ist allerdings zuzubilligen, daß die Vorbehalte des Beschwerdeführers, das P-System dürfe ausschließlich in Österreich vertrieben werden und der Handel und die Vermarktung komme ausschließlich der GesmbH zu, auch bedeuten könnten, daß sich der Beschwerdeführer eine weitere Nutzung der gewerblichen Erfahrung vorbehielt, und zwar bei der im angefochtenen Bescheid erwähnten Kommanditgesellschaft, an der er ebenfalls beteiligt war und die nach den Feststellungen der belangten Behörde denselben Betriebsgegenstand hatte wie die GesmbH. Andererseits könnte es jedoch auch sein, daß die beiden letztgenannten Vorbehalte lediglich darauf abzielen, den Absatz bestimmter gleichwertiger Erzeugnisse der KG, die aber auf Grund anderer gewerblicher Erfahrungen hergestellt wurden, nicht zu beeinträchtigten.

Es wäre also klarzustellen, ob sich der Beschwerdeführer im Sinne des vorstehenden Punktes 5 seiner gewerblichen Erfahrung gleich einer Veräußerung für Österreich begeben hat, wofür sich insbesondere die Einvernahme der laut Schreiben vom 7. Jänner 1982 an den Vorbesprechungen Beteiligten und Erhebungen über die bei der KG angewendeten gewerblichen Erfahrungen anbieten.

7. Der Sachverhalt bedarf somit in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, daß die Eingabengebühr nur je Beschwerdeausfertigung und nicht je Bogen zu entrichten, daß der angefochtene Bescheid dem Verwaltungsgerichtshof nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen (§ 28 Abs. 5 VwGG) und daß es für eine zweckmäßige Rechtsverfolgung vor dem Verwaltungsgerichtshof entbehrlich war, die Bescheide des Finanzamtes, den Betriebsprüfungsbericht und die Niederschrift über die Schlußbesprechung vorzulegen.

Wien, am 24. November 1987

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