VwGH 87/13/0104

VwGH87/13/010411.11.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat Dr. Papierer, über die Beschwerden des A in B, vertreten durch C, Rechtsanwalt, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. März 1987, Zl. GA 7‑923/15/87, betreffend Säumniszuschlag, und vom 25. März 1987, Zl. GA 7‑923/16/87, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen eine Lastschriftanzeige, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §216
BAO §281
BAO §92

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987130104.X00

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den hg. Vorakten Zl. 86/13/0117, 0118, 0119, aus den vorliegenden, vom Verwaltungsgerichtshof zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden und aus den mit diesen Beschwerden vorgelegten Unterlagen einschließlich der angefochtenen Bescheide ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Beim Beschwerdeführer, der im übrigen Einkünfte als Pächter einer Landwirtschaft hat, wurden im Zuge gerichtlicher Ermittlungen Hausdurchsuchungen vorgenommen und große Warenlager beschlagnahmt. Daraus schlossen die Abgabenbehörden auf eine umfangreiche, vom Beschwerdeführer seit Jahren gewerblich ausgeübte, aber bisher steuerlich nicht erfaßte Handelstätigkeit. Die beschlagnahmten Fahrnisse wurden daher in der Folg auf Grund eines gemäß § 232 BAO erlassenen Sicherstellungsauftrages gepfändet.

Eine hierauf beim Beschwerdeführer durchgeführte Betriebsprüfung ergab, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1981 bis 1984 ein Warenlager im Wert von S 810.000,-- erwirtschaftet habe, wobei aus der Landwirtschaft nur schätzungsweise S 200.000,-- entnommen worden seien. Es wurden daher dem Beschwerdeführer für diese Jahre Abgaben in der Höhe von insgesamt S 444.539,-- bescheidmäßig vorgeschrieben. Die Verfahren über die vom Beschwerdeführer gegen diese und weitere Abgabenbescheide erhobenen Berufungen sind noch bei der belangten Behörde anhängig.

Am 8. September 1986 erließ das Finanzamt einen Bescheid über die Festsetzung von Nebengebühren, mit welchem dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Einkommensteuervorauszahlung 07‑09/85 ein Säumniszuschlag in der Höhe von S 195,-- vorgeschrieben wurde. Gleichzeitig enthielt dieser Bescheid eine Lastschriftanzeige, welche einen zu Lasten des Beschwerdeführers offenen Saldo in der Höhe von S 556.534,-- auswies.

Dagegen richtet sich die ausdrücklich als „Berufung“ bezeichnete Eingabe des Beschwerdeführers vom 3. Oktober 1986, deren Betreff der Beschwerdeführer wie folgt formulierte:

„Nr. 170/6461 - Berufung gegen den unberechtigten Bescheid vom 8.9.1986 in der Form einer Lastschriftanzeige mit der darin ausgewiesenen unberechtigten Forderung von S 556.534,-- bzw. den inkludierten unberechtigten Säumniszuschlag von S 195,-- zur gleichfalls angegebenen unberechtigten Einkommensteuer von S 9.750,--!“

Zur Begründung seines Rechtsmittels machte der Beschwerdeführer geltend, jede „über die pauschalierte Landwirtschaft hinaus angenommene od. geschätzte Steuerbasis“ sei unzulässig, was der Beschwerdeführer bereits mit seinen Berufungen gegen die Abgabenbescheide vorgebracht habe. Infolge der vom Beschwerdeführer behaupteten „Nichtschuld“ seien sowohl die für Einkommensteuer und Säumniszuschlag geforderten Beträge als auch der in der Lastschriftanzeige enthaltene Endsaldo unberechtigt.

Das Finanzamt wies die gegen den Nebengebührenbescheid gerichtete Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab, die Festsetzung des Säumniszuschlages sei gemäß § 217 Abs 1 BAO erforderlich gewesen, da die Bezahlung der Einkommensteuervorauszahlungen 1985 nicht rechtzeitig erfolgt sei. Der Beschwerdeführer beantragte hierauf die Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei er neuerlich darauf verwies, daß seine Berufung im Zusammenhang mit seinen gegen die ursprünglichen Abgabenbescheide erhobenen Rechtsmitteln gesehen werden müsse, „auf deren endgültige Entscheidung mittels unumgänglicher Stattgabe“ er „nach längst erwiesener Unschuld“ warte.

Das Finanzamt wies ferner die vom Beschwerdeführer gegen die Lastschriftanzeige erhobene Berufung mit der Begründung als unzulässig zurück, daß die vom Beschwerdeführer bekämpften Abgabenschuldigkeiten nicht Bestandteil des Bescheides über die Festsetzung von Nebengebühren seien, sondern nur in der Lastschriftanzeige aufschienen, der kein Bescheidcharakter zukomme.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben, in welcher er neuerlich auf seine von Anfang an gegebene, von den Abgabenbehörden jedoch verkannte „Unschuld“ hinwies, auf Grund deren es weder zu Abgabenbescheiden noch zu Nebengebühren, Säumniszuschlägen, Vorauszahlungen etc. hätte kommen dürfen.

Die beiden Berufungen des Beschwerdeführers wurden mit den beiden angefochtenen Bescheiden vom 25. März 1986 von der belangten Behörde wie folgt erledigt:

1.) Mit dem Bescheid Zl. GA 7‑923/15/87 (beim Verwaltungsgerichtshof angefochten zur Zl. 87/13/0104) wurde die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes betreffend die Festsetzung von Nebengebühren (Säumniszuschlag in der Höhe von S 195,--) als unbegründet abgewiesen. Begründend verwies die belangte Behörde dazu auf die §§ 217 und 221a BAO, wonach die Verhängung eines Säumniszuschlages mit Rücksicht auf die eingetretene Fälligkeit der zugrunde liegenden Einkommensteuervorauszahlung ungeachtet der anhängigen Berufungsverfahren gegen die Abgabenbescheide gerechtfertigt sei, und erst im Falle einer späteren Abänderung oder Aufhebung eines Abgabenbescheides der Säumniszuschlag auf Antrag des Steuerpflichtigen herabzusetzen wäre oder wieder wegzufallen hätte.

2.) Mit dem Bescheid Zl. GA 7‑923/16/87 (beim Verwaltungsgerichtshof angefochten zur Zl. 87/13/0105) wurde die Berufung gegen den Bescheid abgewiesen, mit welchem das Finanzamt die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Lastschriftanzeige als unzulässig zurückgewiesen hatte. Die belangte Behörde teilte begründend die Auffassung des Finanzamtes, wonach die vom Beschwerdeführer bekämpften Abgabenschuldigkeiten nicht Bestandteil des Nebengebührenbescheides seien, sondern nur als Rückstand in der keinen Bescheid darstellenden Lastschriftanzeige aufschienen. Das Finanzamt habe daher die Berufung des Beschwerdeführers mit Recht zurückgewiesen.

Gegen diese beiden Bescheide richten sich die vorliegenden, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat.

1.) Zur Zl. 87/13/0104 (Säumniszuschlag):

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht „auf Nichtentrichtung eines Säumniszuschlages im Sinne der §§ 217 ff BAO“ sowie in seinem Recht „auf Aussetzung des Berufungsverfahrens im Sinne des § 281 BAO“ verletzt.

Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt gemäß § 217 Abs. 1 BAO mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs. 2 bis 6 oder § 218 BAO hinausgeschoben wird.

Gemäß § 221a Abs. 2 BAO ist im Falle einer Abänderung oder Aufhebung eines Abgaben- oder Haftungsbescheides über Antrag des Abgabepflichtigen der Säumniszuschlag insoweit herabzusetzen, als er bei Erlassung des den Abgaben- oder Haftungsbescheid abändernden oder aufhebenden Bescheides vor Eintritt der Säumnis nicht angefallen wäre; hätte demgemäß der Säumniszuschlag zur Gänze wegzufallen, so ist der Bescheid, mit dem er festgesetzt wurde, aufzuheben.

Der Beschwerdeführer bestreitet weder die Nichtentrichtung der dem strittigen Säumniszuschlag zugrunde liegenden Einkommensteuervorauszahlung zum Fälligkeitszeitpunkt, noch macht er geltend, daß die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 2 bis 6 oder 218 BAO hinausgeschoben worden wäre. Wie aus den Beschwerdeausführungen hervorgeht, ist er sich auch der geltenden Rechtslage bewußt, wonach für die Säumniszuschlagspflicht nur der Bestand einer „formellen Abgabenschuld“ Voraussetzung ist. Eine Begründung dafür, warum dessenungeachtet eine Berufung gegen die Festsetzung eines Säumniszuschlages mit der Begründung, daß es an der den Säumniszuschlag auslösenden „sachlichen Abgabepflicht“ mangle, Erfolg haben müsse, bleibt die Beschwerde schuldig.

Ein rechtswidriges Vorgehen der belangten Behörde vermag der Verwaltungsgerichtshof aber auch darin nicht zu erkennen, daß sie bei der gegebenen Situation nicht das Berufungsverfahren gemäß § 281 BAO ausgesetzt hat. Abgesehen davon, daß das Gesetz einen Rechtsanspruch auf eine Aussetzung des Verfahrens nicht einräumt, liegen die Voraussetzungen für eine solche Aussetzung bei der gegebenen Sachlage nicht vor. Auch ein allfälliger späterer Erfolg des Beschwerdeführers mit einem gegen die Abgabenbescheide erhobenen Rechtsmittel könnte nämlich nicht zur Folge haben, daß die Verhängung des Säumniszuschlages durch die Berufungsbehörde zu beheben wäre, sondern könnte nur über Antrag des Steuerpflichtigen gemäß § 221a Abs. 2 BAO die nachträgliche Herabsetzung oder gänzliche Beseitigung dieses Säumniszuschlages nach sich ziehen.

Daran vermag - abgesehen von Zweckmäßigkeitserwägungen - auch der Umstand nichts zu ändern, daß zur Hereinbringung des Säumniszuschlages schon vor Erledigung der gegen die Abgabenbescheide erhobenen Rechtsmittel und damit vor der Möglichkeit einer Antragstellung nach § 221a Abs. 2 BAO von den Abgabenbehörden Exekution geführt werden kann. Diese Möglichkeit wäre gemäß § 254 BAO in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung auch bei Aussetzung des Verfahrens über die gegen den Säumniszuschlag erhobene Berufung offengestanden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tage zu Zlen. 87/13/0106, 0107).

Der Beschwerdeführer behauptet schließlich noch, die belangte Behörde hätte zu einem anderen Bescheid kommen müssen, wenn sie nicht gegen die Bestimmungen der §§ 113 und 115 BAO verstoßen hätte. Konkrete Hinweise darauf, in welchem Punkt die Abgabenbehörden ihrer Pflicht zur Rechtsbelehrung über Verlangen des Beschwerdeführers (§ 113 BAO) bzw. ihrer Ermittlungspflicht (§ 115 BAO) nicht nachgekommen wären, sind der Beschwerde nicht zu entnehmen und vom Verwaltungsgerichtshof auch sonst nicht zu erkennen.

2.) Zur Zl. 87/13/0105 (Lastschriftanzeige):

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht „auf Sachentscheidung im Sinne des § 216 BAO“ sowie in seinem Recht, „einen materiellen Abrechnungsbescheid im Sinn des § 216 BAO zu erhalten“, verletzt.

Beim Verwaltungsgerichtshof angefochten und von ihm zu überprüfen ist die Berufungsentscheidung der belangten Behörde, mit welcher die Zurückweisung der vom Beschwerdeführer gegen eine erstinstanzliche Lastschriftanzeige erhobenen Berufung bestätigt wurde. Daß der Beschwerdeführer mit seinem Schriftsatz vom 3. Oktober 1986 eine solche Berufung erhoben hat, ist schon nach dem Wortlaut dieses Schriftsatzes nicht zu bezweifeln und wurde vom Beschwerdeführer unmißverständlich dadurch bekräftigt, daß er gegen die Zurückweisung dieser Berufung wiederum berufen hat.

Daß aber eine Lastschriftanzeige kein Bescheid und daher eine gegen sie erhobene Berufung schon aus diesem Grunde als unzulässig zurückzuweisen ist, wird von der Beschwerde gar nicht in Zweifel gezogen. Da der angefochtene Bescheid anderes nicht zum Ausdruck bringt, erweist sich die dagegen erhobene Beschwerde jedenfalls als unbegründet.

Das Vorbringen der Beschwerde, die vom Beschwerdeführer als Berufung bezeichnete und von den Abgabenbehörden auch al s solche behandelte Eingabe vom 3. Oktober 1986 stelle (auch) einen Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides nach § 216 BAO dar, richtet sich in Wahrheit nicht gegen den Inhalt des angefochtenen Bescheides. Abgesehen davon, daß diese Eingabe inhaltlich nicht erkennen läßt, welchen Tilgungstatbestand der Beschwerdeführer gegenüber seinen aus den Abgabenbescheiden erwachsenen Zahlungsverpflichtungen geltend machen wollte, wird mit diesem Vorbringen nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen letztinstanzlichen Bescheides, sondern - auf völlig ungeeignete Weise - eine Säumigkeit des Finanzamtes in der vollständigen Erledigung vom Beschwerdeführer gestellter Anträge behauptet. Dies wird insbesondere auch durch das Vorbringen in der Beschwerde deutlich, wonach die Abgabenbehörde erster Instanz im Hinblick auf den Inhalt des Antrages des Beschwerdeführers ein entsprechendes Verfahren nach § 216 BAO hätte einleiten müssen. Eine Aufhebung des erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheides mit dem Auftrag an das Finanzamt, eine Entscheidung nach § 216 BAO zu erlassen, war der belangten Behörde jedoch wegen des Umfanges der „Sache“ des bei ihr anhängigen Berufungsverfahrens, die ausschließlich die Überprüfung des vom Finanzamt gewählten Zurückweisungsgrundes hinsichtlich der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung umfaßte, und im Hinblick auf § 289 BAO verwehrt.

Es erweisen sich daher beide hier angefochtenen Bescheide als mit dem Gesetz im Einklang.

Da bereits der Inhalt der beiden Beschwerden erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren diese Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 11. November 1987

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