Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg impl;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg impl;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund einer Anzeige führte der Wiener Magistrat am 5. September 1986 eine Augenscheinsverhandlung durch, bei der festgestellt wurde, daß auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen EZ 413, KG X, im südöstlichen Teil, nahe der G-gasse, ohne bau- und naturschutzbehördliche Bewilligung ein ca. 7 x 8 m großes Holzhaus errichtet worden ist. Weiters wurde festgestellt, daß seifenhältige Abwässer in eine Sickergrube eingeleitet werden. Die bei dieser Verhandlung anwesende Erstbeschwerdeführerin nahm der Verhandlungsschrift zufolge zu diesen Feststellungen nicht Stellung.
Mit Bescheid vom 19. September 1986 erteilte der Wiener Magistrat den Beschwerdeführerinnen den auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien gestützten Antrag, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides das Holzhaus abzutragen und binnen zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides das Einleiten seifenhältiger Abwässer in die Sickergrube aufzulassen.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführerinnen vor, daß die Holzhütte von ihnen nicht neu errichtet worden, sondern lediglich eine seit Jahrzehnten bestandene alte Holzhütte vor dem gänzlichen Verfall bewahrt und instandgesetzt worden sei. Sie seien daher bisher der Meinung gewesen, daß hiefür eine Baugenehmigung nicht notwendig sei. Trotzdem hätten sie am 24. September 1986 das Ansuchen um nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung gestellt. Nur vorsichtsweise für den Fall, daß diesem Ansuchen nicht entsprochen werden sollte, würden sie Berufung erheben und gleichzeitig den Antrag stellen, diese Berufung der Oberbehörde erst vorzulegen und nur dann hierüber zu entscheiden, wenn ihrem Ansuchen um nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung nicht entsprochen werden sollte.
In ihrem Vorlagebericht hat die Behörde erster Instanz zu diesem Berufungsvorbringen ausgeführt, es sei richtig, daß sich "an der Stelle" seit längerem eine Hütte befunden habe, für welche jedoch keine Baubewilligung vorgelegen sei. Anhand der Bildflüge aus den Jahren 1972 und 1982 sei zu ersehen, daß die nunmehr in Rede stehende Hütte größer sei als jene Hütte, die im Bildflug 1972 festgehalten sei. Aus diesem Grund sowie nach der Bausubstanz sei anzunehmen, daß zwischen 1972 und 1982 die jetzige Hütte zur Gänze neu errichtet worden sei. Weiters wurde festgestellt, daß entgegen den Berufungsausführungen bisher nicht um nachträgliche Baubewilligung angesucht worden sei. Dieser Vorlagebericht der Behörde erster Instanz wurde den Beschwerdeführerinnen vorgehalten. Zu diesem "Vorhalt" erklärte der von den Beschwerdeführerinnen beauftragte Architekt in einem Schreiben vom 20. Oktober 1986, es habe sich das Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung verzögert. Mit Eingabe vom 24. Juni 1987 legten die Beschwerdeführerinnen das Plandokument 5158 vom 29. September 1972 vor, wonach der 1975 vorgenommene Umbau bewilligungsfähig gewesen wäre.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien wurde die Berufung der Beschwerdeführerinnen abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß im Zuge des Berufungsverfahrens die Beschwerdeführerinnen ausgeführt hätten, das Plandokument 5158 vom 29. Oktober 1972 hätte für das Grundstück eine landwirtschaftliche Nutzung ausgewiesen, sodaß die Errichtung der Hütte für landwirtschaftliche und gärtnerische Zwecke bis zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen sei. Erst durch das Plandokument 5410 vom 12. Dezember 1975 sei eine Umwidmung erfolgt. Tatsächlich sei die Hütte im Frühjahr 1975 umgebaut worden und befinde sich seither in unverändertem Zustand. Die Berufungsbehörde stellte sich sodann auf den Standpunkt, daß. nach der Aktenlage eine baubehördliche Bewilligung nicht vorliege, sodaß der Auftrag, die Hütte zu beseitigen, rechtmäßigerweise ergangen sei. Auch die festgesetzte Erfüllungsfrist reiche zur technischen Durchführung der aufgetragenen Arbeiten aus und nehme, soweit im öffentlichen Interesse tolerierbar, auch auf die wirtschaftlichen Umstände Bedacht. Sollte eine nachträgliche Bewilligung für die Hütte erteilt werden, so wäre der angefochtene Bescheid hinfällig.
Die Beschwerdeführerinnen beantragen in ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Sie erachten sich in ihrem Recht, die bestehende Gartenhütte nicht abtragen zu müssen, sowie in ihrem Recht auf Instandsetzung ihrer Gartenhütte -
ohne Bewilligungspflicht nach der Bauordnung für Wien - verletzt.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 129 Abs. 10 Satz 1 der Bauordnung für Wien sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt ein Beseitigungsauftrag nach der angeführten Gesetzesstelle voraus, daß sowohl im Zeitpunkt der Errichtung der Baulichkeit als auch im Zeitpunkt der Erlassung des Bauauftrages der vorschriftswidrige Bau einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hat (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1986, Zl. 86/05/0062, BauSlg. Nr. 777). Ein baupolizeilicher Auftrag nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien ist auch dann zulässig, wenn für das Objekt ein "nachträgliches Baubewilligungsverfahren" anhängig ist (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 1984, Zlen. 84/05/0122, 0123, BauSlg. Nr. 302). Im Beschwerdefall kann nun kein Zweifel darüber bestehen, daß das gegenständliche über 50 m2 große Holzhaus sowohl im Zeitpunkt seiner Errichtung als auch im gegenwärtigen Zeitpunkt einer baubehördlichen Bewilligung bedurfte, weil die Bauordnung für Wien aus dem Jahre 1930 eindeutig für ein Gebäude dieser Art die baubehördliche Bewilligungspflicht festgelegt hat (vgl. § 60 Abs. 1 lit. a). Unter diesem Gesichtspunkt ist es daher rechtlich unerheblich, ob die Baulichkeit während des Zweiten Weltkrieges errichtet und 1975 lediglich instandgesetzt wurde oder im Jahre 1975 neu errichtet worden ist, wie dies die Baubehörde erster Instanz in ihrem Vorlagebericht an die Berufungsbehörde ausgeführt hat. Die im Akt befindlichen Unterlagen über die Bildflüge scheinen diese Aussage zu bestätigen und auch die Beschwerdeführerinnen selbst stellen in ihrer Beschwerde nicht in Abrede, daß die Gartenhütte "heute ein größeres Ausmaß besitzt als seinerzeit". Wenn daher die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Frage des Zeitpunktes der Errichtung der Baulichkeit nicht näher eingegangen ist, so kann ihr bei dieser Situation nicht zu Recht vorgeworfen werden, sie hätte Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
Wenn die Beschwerdeführerinnen darauf verweisen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein alter Bestand die Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich hat, so übersehen sie, daß auch ein während des Zweiten Weltkrieges errichtetes Gebäude nicht als ein alter Bestand im Sinne dieser Rechtsprechung zu beurteilen ist (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1964, Slg. N. F. Nr. 6509/A). Der Umstand, daß bisher eine Beanstandung nicht stattgefunden hat, vermag in diesem Zusammenhang entgegen dem Beschwerdevorbringen, die Vermutung der Konsensmäßigkeit nicht zu begründen. Auch das Vorbringen in der Beschwerde, daß der Vater der Beschwerdeführerinnen als Rechtsanwalt bei der Errichtung der Hütte eine erforderliche Baubewilligung erwirkt hätte, vermag die Rechtsvermutung für die Konsensmäßigkeit eines alten Bestandes nicht zu begründen, weil von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe noch nicht auf die Einhaltung baurechtlicher Vorschriften geschlossen werden kann. Überdies sei in diesem Zusammenhang nochmals erwähnt, daß die Beschwerdeführerinnen selbst in ihrer Beschwerde einräumen, daß die Gartenhütte ein größeres Ausmaß besitzt als die seinerzeit bestehende. Da die Beschwerdeführerinnen auf Verwaltungsebene gar nicht behauptet haben, daß eine Baubewilligung bestanden habe, war bei der gegebenen Sach- und Rechtslage entgegen den Beschwerdeausführungen ein weiteres Ermittlungsverfahren nicht erforderlich.
Auf die in der Beschwerde dargelegten Überlegungen betreffend die Frage, ob nur für den "vergrößerten Teil" der alten Hütte ein baubehördlicher Auftrag hätte erlassen werden dürfen, war nicht näher einzugehen, weil die belangte Behörde mit Grund annehmen durfte, daß für die gesamte Baulichkeit eine baubehördliche Bewilligung nicht vorliegt. In diesem Zusammenhang sei nur bemerkt, daß von unwesentlichen Ausbesserungen keinesfalls die Rede hätten sein können, wenn die nunmehrige Gartenhütte eindeutig ein größeres Ausmaß besitzt als die seinerzeit errichtete, was die Beschwerdeführerinnen, wie schon erwähnt, ausdrücklich zugestehen.
Da sich sohin die Beschwerde in allen Punkten als nicht begründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 26. April 1988
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