VwGH 87/05/0149

VwGH87/05/014915.12.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des EB in W, vertreten durch Dr. Ingo Ubl, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. Juni 1987, Zl. II/2‑V‑86235, betreffend einen baubehördlichen Entfernungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde J, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §100 Abs1
BauO NÖ 1976 §100 Abs4
BauO NÖ 1976 §19 Abs4
BauO NÖ 1976 §98 Abs1
BauO NÖ 1976 §98 Abs2
BauRallg
ROG NÖ 1974 §13 Abs1 Z6
ROG NÖ 1974 §14 Abs2
ROG NÖ 1974 §14 Abs3
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z6
ROG NÖ 1976 §19 Abs4
ROG NÖ 1976 §30

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987050149.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. März 1986 wurde dem Beschwerdeführer unter Berufung auf § 113 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 der Auftrag erteilt, „Baulichkeiten (Hütte mit Zubau)“ auf dem Grundstück Nr. 903, EZ. 211 des Grundbuches über die Kat. Gem. J, bis längstens 30. Juni 1986 zu entfernen.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem auf dem Sitzungsbeschluß vom 7. Oktober 1986 beruhenden Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. November 1986 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 „hinsichtlich der Hütte“ stattgegeben. Bezüglich des Zubaues zu dieser Hütte wurde sie jedoch als unbegründet abgewiesen und für den Abbruch des Zubaues eine Frist bis längstens 31. 1. 1987 festgelegt.

Die Berufungsbehörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß in bezug auf die Hütte vom Bestehen einer Baubewilligung auszugehen sei, wogegen der Zubau für eine Nutzung im Rahmen der bestehenden Flächenwidmung Grünland - Landwirtschaft im Sinne des § 19 Abs. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 nicht erforderlich sei.

Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. Juni 1987 gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens sowie des Wortlautes des § 113 Abs. 2 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 führte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, es sei nach dem Akteninhalt unbestritten, daß für das Grundstück Nr. 903 der Kat. Gem. J nach dem rechtswirksamen örtlichen Raumordnungsprogramm der mitbeteiligten Gemeinde aus dem Jahre 1974 die Widmungs- und Nutzungsart Grünland - Landwirtschaft festgelegt sei. Außerdem liege das Grundstück innerhalb des Landschaftsschutzgebietes „Wienerwald“. Da nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Verordnung immer nach dem Gesetz zu beurteilen sei, das im Zeitpunkt ihrer Erlassung gegolten habe, sei im vorliegenden Fall nicht die Bestimmung des § 19 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, sondern jene des § 14 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 anzuwenden gewesen. Dies sei jedoch im vorliegenden Fall ohne weitere Auswirkungen, da in den Begriffsinhalten der Widmungs- und Nutzungsart Grünland - Landwirtschaft zwischen den beiden Raumordnungsgesetzen kein Unterschied bestehe. Zufolge § 14 Abs. 3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 dürften im Grünland nur solche Gebäude, Bauwerke und Anlagen errichtet werden, die für eine bestimmungsgemäße Nutzung nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle erforderlich seien. Der Beschwerdeführer habe anläßlich einer von der Aufsichtsbehörde durchgeführten örtlichen Erhebung entsprechend einem diesbezüglichen Ersuchen des Amtssachverständigen für Landwirtschaft seine Absicht erklärt, die noch vorhandenen Ziersträucher zu entfernen und diese durch Obstbäume zu ersetzen. Insgesamt sollen 30 Obstbäume einschließlich der bereits bestehenden ausgepflanzt werden. Über Sorten und Unterlagen habe sich der Beschwerdeführer derzeit nicht festlegen wollen. Mit Sicherheit würden jedoch Halbstämme mit der Ausrichtung auf Safterzeugung gesetzt. Die so gewonnenen Obstsäfte sollen als biologisches Naturprodukt im Kaffeehaus des Beschwerdeführers verkauft werden. Der Amtssachverständige für Landwirtschaft habe sodann folgendes Gutachten abgegeben: Der Beschwerdeführer sei Eigentümer des Grundstückes Nr. 903 der Kat. Gem. J, welches eine Katasterfläche von 1855 m2 aufweise. Es handle sich dabei um eine rechteckig ausgeformte Grundfläche, die gegen Süden mäßig ansteige. Beim Lokalaugenschein sei eine Naturwiese vorgefunden worden, die mit einzelnen Koniferen und Obstbäumen bestockt gewesen sei. Es handle sich bei den Obstbäumen um Birnen, Äpfel, Kirsche, Zwetschke, Marille und Pfirsich, welche in den letzten sechs Jahren ausgepflanzt worden seien. Wie vom Beschwerdeführer ausgeführt, soll für die Produktion von Obstsäften der Bestand auf 30 Obstbäume ausgedehnt werden. Die Bewirtschaftung einer ca. 1800 m2 großen Grundfläche durch Auspflanzung von 30 Obstbäumen sei auf Grund des geringen Umfanges, nicht nur des Obstbestandes, sondern auch der Grundfläche selbst, nicht als Erwerbsobstbau, wie er in landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise vorgenommen werde, anzusehen. Die grundlegenden Voraussetzungen für einen planvollen und nachhaltig geführten Obstbaubetrieb seien einerseits durch den geringen Umfang und anderseits durch die Sortenvielfalt nicht gegeben. Da somit eine planvolle und nachhaltige, auf Ertrag ausgerichtete Bewirtschaftung des Grundstückes Nr. 903 weder derzeit angetroffen werde, noch sich aus der geplanten künftigen Nutzungsform ableiten lasse, sei ein Gebäude im Sinne der Raumordnungsbestimmungen nicht erforderlich. Aus diesem durchaus schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen für Landwirtschaft, welches im übrigen die Feststellungen des Sachverständigen im Verfahren vor dem Gemeinderat vollinhaltlich bestätige, sei, so führte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides weiter aus, zwingend abzuleiten, daß im vorliegenden Fall von einer planvollen, grundsätzlich auf Einnahmen gerichteten nachhaltigen Tätigkeit und damit von einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Rede sein könne. Wenn aber demnach nicht einmal ein landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb vorliege und auch nach den Angaben des Beschwerdeführers über die geplante weitere Nutzung dieses Grundstückes auch künftig nicht vorliegen werde, könne zu dieser hobbymäßigen Nutzung ein Gebäude im Sinne des S 14 Abs. 2 und 3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (richtig wohl: 1974) nicht als erforderlich angesehen werden. Abgesehen davon habe das vom Gemeinderat durchgeführte Ermittlungsverfahren nach Auffassung der Aufsichtsbehörde eindeutig ergeben, daß für das vom angefochtenen baupolizeilichen Auftrag umfaßte sogenannte „Anzügl“ kein schriftlicher Bescheid vorliege, mit dem hiefür eine baubehördliche Bewilligung erteilt worden sei. Im § 118 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 1976 sei festgelegt, daß Bescheide auf Grund dieses Gesetzes und damit selbstverständlich auch baubehördliche Bewilligungsbescheide schriftlich zu erlassen seien. Bloß mündlich verkündete Bescheide seien als rechtsunwirksam zu qualifizieren, und die Berufung auf eine mündliche Zusage reiche daher nicht aus. Die Überprüfung des bekämpften Berufungsbescheides bzw. des diesem vorangegangenen Verfahrens habe somit nach Ansicht der Aufsichtsbehörde eindeutig ergeben, daß für den beschriebenen Zubau, dessen Abbruch aufgetragen worden sei, keine baubehördliche Bewilligung vorliege. Nach den Feststellungen des Amtssachverständigen für Landwirtschaft sei für die bestehende bzw. geplante Nutzung dieses Grundstückes ein Gebäude nicht erforderlich und es könne daher auch im Falle der nachträglichen Antragstellung eine baubehördliche Bewilligung wegen Widerspruches zu der im rechtswirksamen örtlichen Raumordnungsprogramm festgelegten Widmungs- und Nutzungsart Grünland - Landwirtschaft nicht erteilt werden. Es sei somit erwiesen, daß sämtliche Voraussetzungen für die Erlassung eines auf § 113 Abs. 2 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 gestützten baupolizeilichen Auftrages vorliegen. Daran könne auch der geplante Anbau von Dinkel auf einer ca. 1000 m2 großen Fläche nichts ändern, da nach Aussage des Amtssachverständigen für Landwirtschaft durch die ackerbauliche Nutzung dieser Fläche ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht begründet werde.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde erwogen:

Gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 hat die Baubehörde den Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen, wenn für diese keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und eine solche auch im Fall der nachträglichen Antragstellung nicht erteilt werden könnte.

Der Auftrag zur Entfernung des in Rede stehenden, baubehördlich nicht bewilligten Zubaues wurde also von der Berufungsbehörde unter der Voraussetzung zu Recht erteilt, daß für diesen auch im Falle der nachträglichen Antragstellung keine baubehördliche Bewilligung erteilt werden könnte.

Gemäß dem aus dem Jahre 1974 stammenden Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde liegt dieser Zubau auf einem Grundstück mit der Flächenwidmung Grünland - Landwirtschaft, weshalb für die Auslegung dieses Begriffes, wie schon in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend ausgeführt worden ist, das NÖ Raumordnungsgesetz 1974 heranzuziehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1983, Zl. 82/05/0143, BauSlg. Nr. 54).

Nach § 14 Abs. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 sind als Grünland jedenfalls Flächen vorzusehen, die für land- und forstwirtschaftliche Nutzung, für Gärtnereien und Kleingärten, für Kur-, Erholungs-, Spiel- und Sportzwecke, für Parkanlagen, für Friedhöfe u. dgl. bestimmt sind. Alle Flächen des Grünlandes, die nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung dienen und nicht Ödland sind, müssen im Flächenwidmungsplan unter Angaben der besonderen Nutzung ausgewiesen werden. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle dürfen im Grünland nur solche Gebäude, Bauwerke und Anlagen errichtet werden, die für eine bestimmungsgemäße Nutzung nach Abs. 2 erforderlich sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 17. November 1981, Slg. N. F. Nr. 10.592/A, eingehend mit der Zulässigkeit von Baulichkeiten im Falle einer Widmung Grünland - Landwirtschaft auseinandergesetzt und die Auffassung vertreten, daß bei Beantwortung der Frage, ob eine Baulichkeit für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung erforderlich ist, an die hiefür erforderlichen Kriterien ein strenger Maßstab anzulegen ist. Zum Begriff der Landwirtschaft, so wurde damals ausgeführt, gehöre, daß sie eine planvolle, grundsätzlich auf Erzielung von Einnahmen gerichtete nachhaltige Tätigkeit darstelle. Der Gerichtshof kann sich daher nicht der vom Beschwerdeführer offenbar vertretenen Meinung anschließen, daß die Erforderlichkeit im Sinne des S 14 Abs. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 schon dann als gegeben anzunehmen sei, wenn die Bewirtschaftung einer Grundfläche unter Mitnahme der erforderlichen Geräte vom Wohnort aus und die sofortige Verbringung der Ernte dorthin nicht leicht möglich ist.

Der im Zuge des aufsichtsbehördlichen Verfahrens befaßte Amtssachverständige für Landwirtschaft hat im Rahmen der erwähnten Verhandlung entsprechend der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung vertreten, daß die Bewirtschaftung einer ca. 1800 m2 großen Grundfläche durch Auspflanzung von 30 Obstbäumen auf Grund des geringen Umfanges, nicht nur des Obstbestandes, sondern auch der Grundfläche selbst, nicht als Erwerbsobstbau, wie er in landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise vorgenommen werde, anzusehen sei.

Die grundlegenden Voraussetzungen für einen planvollen und nachhaltig geführten Obstbaubetrieb seien einerseits durch den geringen Umfang und anderseits durch die Sortenvielfalt nicht gegeben. Eine planvolle und nachhaltige, auf Ertrag ausgerichtete Bewirtschaftung werde auf dem Grundstück des Beschwerdeführers weder derzeit angetroffen noch lasse sie sich aus der geplanten künftigen Nutzungsform ableiten.

Diesem Gutachten ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten und hat nach der über diese Verhandlung aufgenommenen Niederschrift lediglich erklärt, daß er ein ca. 1000 m2 großes Grundstück gepachtet habe und darauf Dinkel angebaut worden sei. Dazu hat der Amtssachverständige, wie schon ausgeführt, ergänzend unwidersprochen festgestellt, daß durch die ackerbauliche Nutzung von 1000 m2 in keiner Weise ein Landwirtschaftsbetrieb begründet werde.

Unter diesen Umständen hat die belangte Behörde mit Recht die Auffassung vertreten, daß der Beschwerdeführer durch den baubehördlichen Auftrag zur Entfernung des in Rede stehenden Zubaues nicht in seinen Rechten verletzt worden ist, zumal nicht übersehen werden darf, daß sich auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers entsprechend der Befundaufnahme des Sachverständigen der Aufsichtsbehörde ohnedies zusätzlich noch ein in Blockbauweise errichteter Aufenthaltsraum in einem Außenausmaß von 2,70 x 3,70 m befindet, hinsichtlich dessen der erstinstanzliche Abtragungsauftrag durch den dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Berufungsbescheid im wesentlichen mit dem Hinweis auf einen bestehenden baubehördlichen Konsens aufgehoben worden ist. Auch nach der Entfernung des Zubaues bleibt also eine im Spruch des erwähnten Berufungsbescheides als „Hütte“ bezeichnete Baulichkeit bestehen, die vom Beschwerdeführer entsprechend der in Aussicht genommenen Nutzung seiner Liegenschaft verwendet werden kann.

Auf die in der Beschwerde angestellten Überlegungen über einen aus dem beabsichtigten Obstanbau jährlich zu erzielenden Mindestertrag von S 72.500,-- kann der Gerichtshof wegen des sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebenden Neuerungsverbotes nicht eingehen. Gleiches gilt für die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, Dinkel müsse zum Entspelzen sechs bis acht Wochen auf Holz gelagert und öfter umgeschaufelt werden. Die nach Auffassung des Beschwerdeführers notwendigen Geräte können im übrigen durchaus in der ohnedies bestehen bleibenden „Hütte“ gelagert werden.

Der Beschwerdeführer ist daher durch die Abweisung seiner Vorstellung nicht in seinen Rechten verletzt worden, weshalb die vorliegende Beschwerde gegen diesen aufsichtsbehördlichen Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 15. Dezember 1987

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