VwGH 87/05/0147

VwGH87/05/014715.12.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer und Dr. Würth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde der HF in X, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 19. Juni 1987, Zl. 2-A/87, betreffend Verwaltungsübertretung nach der NÖ Bauordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §100;
BauO NÖ 1976 §115 Abs1 Z1;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §100;
BauO NÖ 1976 §115 Abs1 Z1;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.330,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 4. November 1986 wurde der Beschwerdeführerin nach einem langwierigen Verfahren schließlich die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Privatbegräbnisstätte auf der Parzelle 506/2, EZ 762 der KG X, erteilt; der Bescheid wurde zwischen dem

12. und dem 14. November 1986 zugestellt. Dagegen erhob eine Reihe von "Anrainern, Bewohnern und Grundstücksbesitzern der Oberen Waldgasse in S" Berufung. Den dieser Berufung stattgebenden Bescheid des Gemeinderates vom 16. Dezember 1986 behob die Niederösterreichische Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde auf Grund einer Vorstellung der Beschwerdeführerin und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Dabei sprach sie bindend aus, daß gemäß § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung als Anrainer Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950 nur genießen, wenn sie in ihren subjektivöffentlichen Rechten berührt werden. Es komme damit auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung an. Da die NÖ Bauordnung 1976 keine Bestimmung enthalte, wodurch die Anrainer infolge der Errichtung der Gruft in ihren subjektivöffentlichen Rechten verletzt werden könnten, komme ihnen keine Parteistellung zu. Der Gemeinderat hätte daher die Berufung der Anrainer mangels Parteistellung als unzulässig zurückweisen müssen.

Mit Bescheid vom 17. März 1987 "bestätigte" der Gemeinderat den baubehördlichen Bewilligungsbescheid des Bürgermeisters, berief sich jedoch in der Begründung darauf, daß er an die Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde, der Gemeinderat hätte die Berufung der Anrainer mangels Parteistellung als unzulässig zurückweisen müssen, gebunden sei.

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der genannten Gemeinde vom 19. Februar 1987 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, am 18. Dezember 1986 mit ihrem Bauvorhaben (Errichtung einer Privatbegräbnisstätte) begonnen zu haben, obwohl kein rechtskräftiger baubehördlicher Bewilligungsbescheid vorgelegen sei; sie habe dadurch eine Übertretung nach § 115 Abs. 1 Z. 1 der NÖ Bauordnung begangen, weshalb gegen sie gemäß § 115 Abs. 2 desselben Gesetzes eine Geldstrafe von S 20.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe von 10 Tagen, verhängt werde. Die Behörde stützte sich dabei im wesentlichen darauf, die Beschwerdeführerin sei am 26. November 1986 schriftlich davon in Kenntnis gesetzt worden, daß gegen den baubehördlichen Bewilligungsbescheid "Einspruch" erhoben worden sei und daher der Bescheid nicht rechtskräftig werde. Auf die Entscheidung der Vorstellungsbehörde komme es nicht an, nur eine neuerliche Entscheidung des Gemeinderates könne den baubehördlichen Bewilligungsbescheid des Bürgermeisters "in Kraft setzen".

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis in der Schuldfrage keine Folge, setzte jedoch die Geldstrafe von S 20.000,-- auf S 1.000,-- und die Ersatzarreststrafe von 10 Tagen auf 24 Stunden herab. Auch die belangte Behörde stützte sich darauf, daß der Beschwerdeführerin die Bewilligung für den Bau der Privatbegräbnisstätte erst mit Bescheid des Gemeinderates am 17. März 1987 erteilt worden sei, sie jedoch bereits im Dezember 1986 mit dem Bau begonnen habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Ein Bescheid erwächst in (formelle) Rechtskraft, wenn innerhalb der Rechtsmittelfrist keine zulässige Berufung eingebracht wird. Unzulässige Berufungen sind nämlich ebenso wie verspätete Berufungen von einer meritorischen Erledigung durch die Berufungsbehörde ausgeschlossen (§ 66 Abs. 4 AVG 1950). Ein Bescheid erwächst daher ungeachtet der Einbringung einer unzulässigen Berufung in Rechtskraft; die nachfolgende Zurückweisung durch die Berufungsbehörde hat lediglich feststellenden Charakter.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Gemeinderat als Baubehörde zweiter Instanz auf Grund des bindenden Vorstellungsbescheides davon ausgehen wollte, daß die Berufung mangels Parteistellung der Berufungswerber zurückzuweisen war, und sich lediglich im Ausdruck vergriffen hat, wenn er den Bewilligungsbescheid des Bürgermeisters "bestätigte".

Damit trat jedoch die Rechtskraft der Baubewilligung nicht erst auf Grund der Zustellung des Bescheides der Berufungsbehörde vom 17. März 1987 ein; mangels einer rechtzeitigen und zulässigen Berufung war bereits der Bescheid des Bürgermeisters vom 4. November 1986, zugestellt zwischen 12. und 14. November 1986, nach Ablauf der 14-tägigen Berufungsfrist spätestens am 28. November 1986 in Rechtskraft erwachsen.

Da die Strafbehörden erster wie zweiter Instanz der Beschwerdeführerin vorwarfen, am 18. Dezember 1986 mit dem Bauvorhaben begonnen zu haben, durfte sie sich - bezogen auf diesen Zeitpunkt - bereits auf eine rechtskräftige Baubewilligung berufen.

Damit liegt der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 115 Abs. 1 Z. 1 der NÖ Bauordnung nicht vor, sodaß der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, im Rahmen des geltend gemachten Anspruches.

Wien, am 15. Dezember 1987

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