VwGH 87/05/0029

VwGH87/05/002924.3.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsrat Dr. Müllner, in der Beschwerdesache des Dr. RL in W, vertreten durch Dr. Christoph Müller-Hartburg, Rechtsanwalt in Wien III, Am Heumarkt 7/93, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde M wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §6 Abs1;
AVG §73 Abs2;
BauO OÖ 1976 §67;
BauRallg;
B-VG Art119;
B-VG Art132;
GdO OÖ 1979 §99 Abs1;
VwGG §27;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987050029.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde sein Ansuchen vom 8. Februar 1982 um Abschreibung und Teilung eines bestimmten Grundstückes nicht bescheidmäßig erledigt. Nach Ablauf der gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 festgelegten Frist habe der Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. den "Antrag gestellt, die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde habe die Zuständigkeit zur Entscheidung in dieser Angelegenheit wahrzunehmen". Das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung habe gemäß § 6 AVG 1950 den diesbezüglichen Antrag an die zuständige Stelle - den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde - weitergeleitet. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde habe als zweite und letzte Instanz bis heute nicht entschieden.

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Entsprechend § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt, so geht gemäß dem Abs. 2 dieses Paragraphen auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Jede Säumnisbeschwerde setzt nach § 27 VwGG einen Parteiantrag an die vor dem Verwaltungsgerichtshof belangte Behörde voraus. Ein solcher liegt im Beschwerdefall nicht vor.

Wie sich aus dem zweiten Satz des § 73 Abs. 2 AVG 1950 ergibt, muß ein Devolutionsantrag unmittelbar bei der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde eingebracht werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein bei einer anderen Behörde eingebrachter Devolutionsantrag, auf welchem Wege immer er der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde dann auch zugekommen sein mag, den Übergang der Entscheidungspflicht nicht bewirken. Im übrigen ist die Vorschrift des § 73 Abs. 2 AVG 1950 gegenüber der des § 6 Abs. 1 AVG 1950, der die Behörden verpflichtet, Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen, die "lex specialis"; durch die Anwendung der Vorschrift des § 6 Abs. 1 AVG 1950 kann der in der Außerachtlassung der Formvorschrift des § 73 Abs. 2 leg. cit. gelegene Mangel nicht saniert werden (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 11. September 1968, Slg. N.F. Nr. 7392/A, und vom 8. April 1986, Zl. 85/05/0046).

Entsprechend dem oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen hat der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung eingebracht, welches diesen Antrag gemäß § 6 Abs. 1 AVG 1950 an den in der nunmehrigen Beschwerde als säumig bezeichneten Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde weitergeleitet hat.

Gemäß § 66 Abs. 1 der OÖ Bauordnung ist die Baubehörde erster Instanz in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde der Bürgermeister, in Städten mit eigenem Statut der Magistrat. Nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung ist Baubehörde erster Instanz in allen übrigen Angelegenheiten die Bezirksverwaltungsbehörde. Daß es sich um eine Angelegenheit der überörtlichen Baupolizei, in der als erste Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde und in zweiter Instanz der Landeshauptmann von Oberösterreich zu entscheiden hätte, handle, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet; vielmehr ist aus dem Beschwerdevorbringen ersichtlich, daß in erster Instanz der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde über das Ansuchen des Beschwerdeführers zu entscheiden gehabt hätte, woraus ersichtlich ist, daß eine Angelegenheit der örtlichen Baupolizei - somit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde - vorliegt. In Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei kommt der Oberösterreichischen Landesregierung gemäß Art. 119 B-VG, § 99 Abs. 1 der OÖ Gemeindeordnung 1965 und § 67 der OÖ Bauordnung die Stellung der Gemeindeaufsichtsbehörde, nicht aber der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde zu. Der vom Beschwerdeführer zunächst an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung gerichtete und von diesem an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde weitergeleitete Antrag konnte daher keine Zuständigkeit der Landesregierung oder des Landeshauptmannes als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde betreffen. Auch kommt dem "Amt der Landesregierung" in Bauangelegenheiten neben seiner Hauptfunktion als Hilfsapparat der beiden zuletzt genannten Behörden nicht die Stellung einer Behörde zu.

Wie bereits ausgeführt, vermochte die Weiterleitung des Devolutionsantrages an die zuständige sachlich in Betracht kommende Oberbehörde - den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde - nicht den Übergang der Zuständigkeit auf diese Behörde bewirken. Im Beschwerdefall liegt daher schon nach dem Beschwerdevorbringen kein den Übergang der Zuständigkeit auf den als säumig bezeichneten Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde auslösender Antrag des Beschwerdeführers vor. Die vorliegende Säumnisbeschwerde war somit als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 24. März 1987

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