Normen
AVG §60;
MeldeG 1972 §16 Z1 idF 1979/336 1985/427;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1 Satz2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 23. Juli 1986 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, er habe als Erziehungsberechtigter seiner minderjährigen Kinder Senay und Nilifer es unterlassen, diese, nachdem sie in seiner Wohnung L, Sstraße 34, Unterkunft genommen hatten, innerhalb von drei Tagen bei der Meldebehörde anzumelden; die "Dauer der Übertretung betrage bei Senay vom 29.12.1978 bis 30.4.1985 und bei Nilifer vom 30.8.1978 bis 30.4.1985". Dadurch habe er § 6 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 Meldegesetz übertreten. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 16 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 60 Stunden verhängt. Begründend führte die Behörde aus, Senay D. sei vom 15. November 1973 bis 28. Dezember 1978 in Lustenau gemeldet gewesen. An diesem Tage sei sie abgemeldet worden, wobei sie sich jedoch weiterhin in der Wohnung ihres Vaters (des Beschwerdeführers) aufgehalten habe. Zumindest bis zum Tag der Erstattung der Anzeige, dem 30. April 1985, habe sie bzw. ihr Vater sich nach Ablauf der Dreitagefrist deshalb einer Übertretung des Meldegesetzes schuldig gemacht. Nilifer D. halte sich seit 26. August 1982 an der Adresse ihres Vaters auf. Dieser wäre daher innerhalb von drei Tagen verpflichtet gewesen diese anzumelden. Da er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, habe sich Nilifer D. vom 30. August 1982 zumindest bis zum Tage der Erstattung der Anzeige unangemeldet an der Unterkunft des Vaters aufgehalten. An diesen Übertretungen würden auch kurzfristige Auslandsbesuche nichts ändern, da nachgewiesener- und von seiten des Beschuldigten zugegebenermaßen die Minderjährigen den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen während des gesamten Zeitraumes der Übertretungen in L gehabt hätten. Nach Angabe des Beschwerdeführers selbst habe er für die Mädchen kein Visum bekommen, weshalb er sie nicht zur Anmeldung gebracht habe. Da er aber in der Türkei niemanden gehabt habe, der auf die Mädchen aufpassen hätte können, habe er sie in seiner Wohnung aufgenommen. An der Richtigkeit dieser glaubwürdigen Angaben habe die Behörde keinen Zweifel. Für die Strafbemessung seien das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung bzw. Gefährdung der schützten Interessen, das Ausmaß des Verschuldens, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die Erschwerungs- und Milderungsgründe maßgebend. Die ausgesprochene Strafe sei unter Berücksichtigung dieser Grundsätze festgesetzt und werde deshalb als sämtlichen zu beachtenden Gesichtspunkten angemessen und notwendig erachtet, um den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen derselben Art abzuhalten. Als mildernd sei dem Beschwerdeführer angerechnet, daß er sich durch die Nichterteilung eines Visums für seine Kinder in einer gewissen Zwangslage befunden habe, wobei die Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zwangsläufig auch eine solche des Meldegesetzes nach sich ziehen habe müssen. Trotzdem wirke sich die Dauer der Übertretung aber als erschwerend aus, sodaß die ausgesprochene Strafe, die ein Drittel des Strafrahmens darstelle, angemessen sei.
Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab. Die Tat als solche werde nicht bestritten, der Beschwerdeführer habe auch in der Berufung nochmals angeführt, daß ein Tatsachengeständnis vorliege. Diesbezüglich werde daher auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen. Zur Ansicht des Beschwerdeführers, nach einer erfolgten Ausreise und der anschließenden Wiedereinreise nach Österreich würde die Meldepflicht neuerlich entstehen, werde folgendes ausgeführt: Eine Unterkunftnahme erfolge in dem Zeitpunkt, in dem von einer Unterkunft erstmals widmungsgemäß Gebrauch gemacht werde. Dies sei bei der Unterkunft in einer Wohnung erst dann der Fall, wenn eine Person diese tatsächlich zum Wohnen oder Schlafen benütze. Die Aufgabe der Unterkunft erfolge in dem Zeitpunkt, in dem die Beziehung zwischen der Person und der Unterkunft gänzlich gelöst werde. Dies sei bei der Unterkunft in einer Wohnung dann der Fall, wenn aus den äußeren Umständen hervorgehe, daß ihr bisheriger Benützer offensichtlich nicht mehr beabsichtigt, diese Wohnung auch künftig noch als seine Unterkunft zu benützen. Eine vorübergehende Abwesenheit etwa zu Zwecken eines Urlaubs- oder Studienaufenthaltes gelte nicht als Aufgabe der Unterkunft, sofern die Unterbrechung des Aufenthaltes von absehbarer Dauer sei. Sowohl Tatzeit als auch Tatdauer seien demnach im Sinne des Verwaltungsstrafgesetzes richtig bestimmt worden. Die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend Verjährung des Deliktes seien "rechtlich nicht zu halten". Der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt ausgeführt, daß ein Dauerdelikt vorliege, wenn das strafbare Verhalten in der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes bestehe. Bei Dauerdelikten laufe die Verjährungsfrist von dem Zeitpunkt an, in dem das strafbare Verhalten aufgehört habe. Die Anzeige des Gendarmeriepostens L. sei am 25. Juni 1985 erstattet worden. Die Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter an den Beschwerdeführer sei durch die Behörde erster Instanz am 30. Juli 1985 erfolgt. Es seien daher weder Verfolgungsnoch Vollstreckungsverjährung eingetreten. Der Beschwerdeführer rüge auch, daß die Behörde erster Instanz die Geldstrafe nicht seinem Einkommen und seinem Vermögen angemessen ausgesprochen habe. Anläßlich der Einvernahme durch die Gendarmerie habe der Beschwerdeführer angegeben, über ein monatliches Nettoeinkommen von S 9.000,-- zu verfügen. Er sei besitz- und vermögenslos. Bei der "Festlegung" der Geldstrafe sei neben dem zur Verfügung stehenden Einkommen jedoch auch die Schwere und der Unrechtsgehalt der Tat zu "bewerten". Unter diesem Gesichtspunkt dürfe nicht übersehen werden, daß der Beschwerdeführer über Jahre hinweg den ihm angelasteten Tatbestand gesetzt habe. Die Außerachtlassung der meldepolizeilichen Vorschriften stelle eine gravierende Beeinträchtigung des Rechtsanspruches der Republik Österreich auf möglichst genaue Erfassung aller im Bundesgebiet aufhältigen Personen dar. Wie der Beschwerdeführer auch in seinem Geständnis aufzeige, habe er die polizeiliche Meldung deshalb unterlassen, um die ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufhältigen Kinder einer allfälligen fremdenpolizeilichen Maßnahme zu entziehen. Schuld- und Unrechtsgehalt seines Handelns seien daher gravierend. Unter Einbeziehung der ihm zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel sei die belangte Behörde zu dem Schluß gekommen, daß die im unteren Bereich des gegebenen Strafrahmens liegende Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- durchaus vermögens- und schuldangepaßt sei. Die vom Beschwerdeführer dargelegten Ausführungen betreffend Tagsatz gemäß dem Strafgesetzbuch seien insofern nicht zielführend, als "dieses System" nicht auf das Verwaltungsverfahren "transferiert" werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht nach dem Meldegesetz bestraft zu werden und in verschiedenen Verfahrensrechten verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 Meldegesetz 1972, BGBl. Nr. 30/1973, in der Fassung der Meldegesetznovelle 1979, BGBl. Nr. 336, und der Meldegesetznovelle 1985, BGBl. Nr. 427, ist derjenige, der in einer Wohnung Unterkunft nimmt, sofern in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, innerhalb von drei Tagen bei der Meldebehörde anzumelden. Gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. trifft die Meldepflicht für einen Minderjährigen dessen Erziehungsberechtigten. Gemäß § 16 Z. 1 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde von dieser, mit einer Geldstrafe bis zu S 3.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer die ihn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treffende Meldepflicht nicht oder nicht fristgerecht erfüllt.
Die Verwaltungsübertretung nach § 16 Z. 1 leg. cit. stellt ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt dar, wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom 29. Jänner 1980, Zl. 1401/78, und vom 22. September 1982, Zlen. 82/01/0108, 0109, ausgesprochen hat, das in der Unterlassung der Meldepflicht und auch in der Nichtbeachtung der fristgerechten Meldung besteht. Ein Unterlassungsdelikt hat die Wirkung eines Dauerdeliktes (vgl. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 26. Oktober 1953, Slg. N.F. Nr. 3156/A), bei dem nicht nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes, sondern auch die Aufrechterhaltung desselben pönalisiert ist. Die Verjährung beginnt ab dem Aufhören (der Beseitigung) des rechtswidrigen Zustandes (§ 31 VStG 1950).
Der Beschwerdeführer bestreitet in der Beschwerde, wie er es auch im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde getan hat, daß ein Dauerdelikt vorliege, weil seine beiden Töchter mehrmals während des der Bestrafung zu Grunde gelegten Zeitraumes nach Deutschland und in die Türkei gereist seien und bei jeder Einreise wieder die Meldepflicht neu begründet worden sei. Er hat hiefür Einsicht in die Reisepässe der beiden Töchter ebenso wie Zeugen in Deutschland als Beweis angeboten. Die belangte Behörde hielt diesem Einwand nur entgegen, daß vorübergehende Abwesenheit etwa zu Zwecken eines Urlaubs- oder Studienaufenthaltes nicht als Aufgabe der Unterkunft gelte, sofern die Unterbrechung des Aufenthaltes von absehbarer Dauer sei. Diese objektiv zutreffende Rechtsansicht der belangten Behörde vermag aber im vorliegenden Fall nicht darzutun, daß die Töchter des Beschwerdeführers jeweils nur zu solchen Zwecken verreist seien, weil in dieser Richtung jegliche sachverhaltsbezogenen Feststellungen auf Grund von Ermittlungen fehlen. Betreffend die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verletzung der Meldepflicht seiner Tochter N. liegt im übrigen insofern ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung bezüglich des Tatzeitraumes vor, als im Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz - die belangte Behörde hat diesen bestätigt und auch keine neuen Feststellungen getroffen - dem Beschwerdeführer ein Zeitraum vom 30. August 1978 bis 30. April 1985 angelastet wurde, in der Begründung hingegen ein Zeitraum vom 30. August 1982 bis 30. April 1985. Auch dies stellt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar (vgl. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse vom 19. Mai 1969, Zl. 1635/67, und vom 7. März 1978, Zl. 2095/77). Ferner hat die belangte Behörde bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer für drei eheliche Kinder zu sorgen hat. Hingegen sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Ausführungen der belangten Behörden hinsichtlich des Verhältnisses von Geldstrafe zur Ersatzarreststrafe zutreffend.
Der so mit Verletzung von Verfahrensvorschriften belastete angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostentscheidung stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 8. April 1987
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