Normen
AnliegerleistungsG Slbg §11 Abs1
AnliegerleistungsG Slbg §11 Abs3
AnliegerleistungsG Slbg §16 Abs2
AVG §66 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986170105.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist bücherliche Eigentümerin der Grundstücke Nr. 225/3, 231/3 mit der BP 280 jeweils KG G, auf denen mehrere Bauten stehen. Auf Grund der Herstellung des Hauptkanals in der F‑gasse im Jahre 1985, an dem die erwähnten Grundstücke u.a. liegen, schrieb der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der erwähnten Grundstücke den Beitrag gemäß § 11 Anliegerleistungsgesetz LGBl. Nr. 77/1976 in der Fassung LGBl. Nr. 61/1982 (in der Folge: ALG) mit S 108.703,-- vor. Zu diesem Betrag gelangte die Behörde erster Instanz unter Zugrundelegung einer überschreitenden (§ 16 Abs. 2 ALG) Längenausdehnung von 41,02 m (Längenausdehnung aus der Summe der Grundstücksflächen von 3.460 m2: 99,88 m gemäß § 11 Abs. 3 ALG, abzüglich der Anrechnungen gemäß § 16 Abs. 2 ALG: 1. Hauptkanal H‑straße 37,50 m, 2. Hauptkanal R‑straße 21,36 m) und eines Viertels des mit Beschluß des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg vom 13. Dezember 1984 festgestellten Durchschnittspreises je Längenmeter (S 10.600,--) gemäß § 11 Abs. 3 ALG von S 2.650,--.
Die Beschwerdeführerin bekämpfte diese Abgabenfestsetzung in ihrer Berufung mit der Begründung, sie dürfe wegen ihrer Beitragsleistung für den Hauptkanal in der R‑straße nicht neuerlich zu einer Beitragsleistung herangezogen werden. Ansonsten würde rückwirkend in wohlerworbene Rechte aus dem betreffenden Bescheid des Jahres 1978 eingegriffen.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab und setzte den Beitrag, weil das im bücherlichen Eigentum der Republik Österreich (Bundeswasserbauverwaltung) stehende Grundstück 629/2 im Ausmaß von 153 m2 ebenfalls zur Bauplatzfläche gehöre, mit S 120.389,50 fest.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Unterbleiben einer Beitragsvorschreibung aus Anlaß der Errichtung des Hauptkanals in der F‑gasse verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Eigentümer der am Hauptkanal der Gemeinde liegenden, zum Bauplatz erklärten Grundstücke haben gemäß § 11 Abs. 1 ALG bei der Errichtung des Hauptkanals einen Beitrag von je einem Viertel der Kosten zu leisten, gleichgültig, ob die Grundstücke an die Hauskanäle angeschlossen sind oder nicht. Gemäß § 1 Abs. 4 ALG sind für die Beitragsregelungen der §§ 3, 6, 11 und 12 zum Bauplatz erklärten Grundstücken solche gleichzuhalten, auf denen Bauten stehen, für deren Errichtung nach dem Bebauungsgrundlagengesetz LGBl. Nr. 69/1968 eine Bauplatzerklärung erforderlich wäre. Die Kosten sind laut § 11 Abs. 3 ALG in der Weise zu ermitteln, daß der Gemeinderat den Durchschnittspreis aller Hauptkanäle im Gemeindegebiet per Längenmeter feststellt. Auf dieser Grundlage ist der Beitrag im Sinne des Abs. 1 für den Bauplatz nach dessen Längenausdehnung zu berechnen. Als Längenausdehnung gilt bei einem Grundstück mit einer Fläche von 1200 m2 die Seite eines Quadrates, das den Flächeninhalt des Bauplatzes aufweist, als Längenausdehnung kleinerer oder größerer Grundstücke gilt jener Teil (jenes Vielfache) dieser Strecke, der (das) dem Verhältnis der Fläche des jeweiligen Bauplatzes zur Fläche von 1200 m2 entspricht. Wurden für Grundflächen auf Grund früherer Rechtsvorschriften Kostenbeiträge für Hauptkanäle geleistet, entsteht gemäß § 16 Abs. 2 zweiter Satz ALG aus Anlaß der Bauplatzerklärung daraus gebildeter, am Hauptkanal liegender Bauplätze nur insoweit eine neuerliche Beitragspflicht, als die Längenausdehnung gemäß § 11 Abs. 3 die den geleisteten Beitrag zu Grunde gelegte Längenausdehnung im Bereich des betreffenden Bauplatzes überschreitet. Dies gilt gemäß § 16 Abs. 2 dritter Satz ALG auch für weitere, die Beitragspflicht begründende Kanalanlagenerrichtungen bei bestehenden Bauplätzen.
Aus diesen Rechtsvorschriften ergibt sich, daß jede Errichtung eines Hauptkanales gegenüber Eigentümern von zum Bauplatz erklärten, am Hauptkanal liegenden Grundstücken die Beitragspflicht auslöst. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, durch die Vorschreibung des Beitrages aus Anlaß der Errichtung des Hauptkanales in der R‑straße sei die Beitragsverpflichtung ein für allemal endgültig geregelt worden, ist daher unzutreffend. Dergleichen hat auch vor der Novelle 1982 zum Anliegerleistungsgesetz nicht gegolten und wurde vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. November 1981, Zl. 2591/79, betreffend die Beitragsvorschreibung 1978 nicht ausgesprochen. In diesem Erkenntnis heißt es (S. 7):
„Die im § 11 Abs. 3 ALG genannte ‚Längenausdehnung‘ ist somit nur mehr eine Rechnungsgrundlage, in der sich der Flächeninhalt des Bauplatzes ausdrückt. Ist danach einmal eine Beitragsvorschreibung erfolgt, dann ist eine Gesamtfläche in der genannten Längenausdehnung abschließend berücksichtigt.“
Dadurch wurde nicht zum Ausdruck gebracht, daß bei Errichtung eines weiteren Hauptkanales, an dem die Grundstücke ebenfalls liegen, ein Abgabenanspruch nicht mehr entstehen könnte. Lediglich die Anrechnungsvorschrift des § 16 Abs. 2 ALG schloß (bei gleichbleibender Rechtslage) aus, daß eine für die Berechnung eines Beitrages in Anschlag zu bringende Längenausdehnung verbleiben konnte.
Die mittlerweile eingetretene Änderung der Rechtslage, wonach die Längenausdehnungen als Faktor der Beitragsermittlung nicht mehr die Quadratwurzel der Flächeninhalte der Bauplätze darstellen, sondern ausgehend von einer Normfläche (1200 m2) proportional zum Flächenausmaß gebildet werden, bewirkt, daß Flächen über dem erwähnten Normmaß nicht mehr degressiv zur Beitragsleistung herangezogen werden, sondern proportional. Eine solche Änderung der Rechtslage steht dem Gesetzgeber jedoch im Rahmen seines rechtspolitischen Handlungsspielraumes zu. Abgesehen davon, daß ein Verfassungsgebot der Unantastbarkeit erworbener Ansprüche nicht besteht, kann auch nicht davon gesprochen werden, daß die Beitragsvorschreibung aus 1978 überhaupt zum Ausdruck gebracht hätte, der Beschwerdeführer werde in aller Zukunft mit den erwähnten Grundstücken nicht mehr zur Leistung eines Beitrages aus Anlaß einer weiteren Kanalherstellung herangezogen werden. Die Beschwerdeführerin geht daher zu Unrecht davon aus, die belangte Behörde habe mit ihrer Beitragsvorschreibung Rechtswirkungen des Bescheides aus 1978 beseitigt.
Sie irrt aber auch, wenn sie meint, durch das Gesetz aus 1982 sei die Rechtslage rückwirkend zu ihren Lasten geändert worden. Die erwähnte Novelle erfaßt nämlich nur Fälle, in denen der Abgabentatbestand nach ihrem Inkrafttreten verwirklicht wird, bezogen auf den hier in Betracht kommenden Beitragstatbestand (Errichtung eines Haupkanales) also auf Fälle, in denen der Hauptkanal nach dem 1. August 1982 errichtet wird. Gegen diese Gesetzesänderung bestehen, vom Standpunkt des Gleichheitsgrundsatzes aus gesehen, keine Bedenken, weil alle Betroffenen unter gleichen Bedingungen (Errichtung des Hauptkanales nach dem 1. August 1982) gleich behandelt werden.
Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerdeführerin, es seien ihr die schließlich wieder aufgefundenen Akten über die Bauplatzerklärung vom 5. November 1928 nicht zur Kenntnis gebracht worden. Abgesehen davon, daß nach Darstellung der belangten Behörde in der Gegenschrift das Auffinden der Akten erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgt ist, versäumt es die Beschwerdeführerin, die Wesentlichkeit des von ihr behaupteten Verfahrensmangels darzulegen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag von sich aus eine Wesentlichkeit des Mangels nicht zu erkennen:
Die Größe ihrer Grundstücke muß die Beschwerdeführerin kennen, sie wird von ihr aber auch nicht anders angegeben, als sie von der belangten Behörde der Berechnung des Beitrages zu Grunde gelegt wurde.
Zwar zeigt die Einsicht in die mit den Verwaltungsakten vorgelegten Akten „G 207“ betreffend die Parzellierungsbewilligung vom 5. November 1928, daß eine Erklärung der Grundstücke, deren bücherliche Eigentümerin die Beschwerdeführerin ist, zu Bauplätzen durch den erwähnten Bescheid nicht erfolgte. In diesem Bescheid heißt es, es werde die Bewilligung zur Abteilung auf Bauplätze bei Einhaltung und Erfüllung folgender Bedingungen erteilt:
„1./ Die Aufteilung der Grundflächen hat im allgemeinen nach dem vorliegenden Plan zu geschehen...“
Dieser Plan weist jedoch eine völlig andere Grundstücksgestaltung im Bereich jener Flächen auf, auf denen die Grundstücke der Beschwerdeführerin liegen, als diese sie nach der Mappendarstellung haben (zahlreiche Parzellen im Ausmaß zwischen 540 bis 630 m2 zur Errichtung von Einfamilienhäusern). Die Grundstücke der Beschwerdeführerin entsprechen daher auch nicht annähernd der erteilten Parzellierungsbewilligung, welche gemäß § 27 Abs. 3 Bebauungsgrundlagengesetz als Bauplatzerklärung gemäß § 12 ff leg. cit. gilt.
Dieser Umstand ist jedoch deshalb unwesentlich, weil gemäß § 1 Abs. 4 ALG den zum Bauplatz erklärten Grundstücken solche gleichzuhalten sind, auf denen Bauten bestehen, für deren Errichtung nach dem Bebauungsgrundlagengesetz eine Bauplatzerklärung erforderlich wäre. Dies trifft wegen der auf den Grundstücken der Beschwerdeführerin bestehenden Bauten gemäß § 12 Abs. 1 Bebauungsgrundlagengesetz zu.
Unrichtig ist auch die Behauptung der Beschwerdeführerin, der angefochtene Bescheid verstieße, weil er den Beitrag im Vergleich zum Bescheid erster Instanz erhöht habe, gegen das Verbot der reformatio in peius. Ein solches Verbot besteht nach dem hier anzuwendenden § 66 Abs. 4 AVG nicht; danach kann die Berufungsbehörde den vor ihr angefochtenen Bescheid der Behörde erster Instanz auch zum Nachteil des Berufungswerbers ändern.
Quer über das Grundstück Nr. 225/3 verläuft zwar das nicht im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Grundstück Nr. 629/2 (öffentliches Wassergut). Dies hat jedoch nicht zur Folge, daß der an der R‑straße gelegene Teil des Grundstückes Nr. 225/3 als eigenes Grundstück angesehen werden dürfte, das nicht am Hauptkanal in der F‑gasse liege. Ein Grundstück ist nämlich jener Teil einer Katastralgemeinde, der im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster mit einer eigenen Nummer bezeichnet wird (§ 7 a Abs. 1 VermG). Die beiderseits des Grundstückes Nr. 629/2 gelegenen Teile stellen daher ein Grundstück mit der Nr. 225/3 dar.
Im Recht ist die Beschwerde daher lediglich mit dem Vorwurf, die belangte Behörde habe fälschlich die Fläche des Grundstückes Nr. 629/2, welches nicht im Eigentum der Beschwerdeführerin steht, in die Berechnung der Längenausdehnung einbezogen. Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, diese Fläche sei in die Berechnung einzubeziehen gewesen, weil die Republik Österreich als Eigentümer des öffentlichen Wassergutes nicht zur Beitragsleistung herangezogen werden könne, weil die Fläche durch Objekte der Beschwerdeführerin überbaut sei und weil bei „richtiger (baurechtlich bzw. ‚wirtschaftlicher‘) Betrachtung ein ‚gemeinsamer‘ Bauplatz“ bestünde. Mit diesen Ausführungen ist die belangte Behörde im Unrecht:
Für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (wirtschaftliches Eigentum) ist in Ermangelung entsprechender Rechtsgrundlagen kein Raum. „Wirtschaftliches Eigentum“ an einem Grundstück kennt auch das Baurecht nicht. Die Salzburger Landesabgabenordnung findet gemäß ihrem § 1 Abs. 2 lit. b auf den strittigen Beitrag als Interessentenbeitrag keine Anwendung.
Die angebliche Bauplatzeigenschaft des Grundstückes Nr. 629/2 (dieses Grundstück ist laut den in den Verwaltungsakten erliegenden Plänen im übrigen nur teilweise überbaut) macht die weitere Voraussetzung des § 11 Abs. 1 ALG, wonach der Beitragspflichtige Eigentümer der Grundstücke sein muß, nicht entbehrlich. Auch unter Bauplatz gemäß § 11 Abs. 3 ALG, aus dessen Fläche die Längenausdehnung zu berechnen ist, kann daher nur ein Grundstück im Sinne des Abs. 1 verstanden werden, dessen Eigentümer also der Beitragspflichtige ist. Daß unter Eigentum in diesem Zusammenhang nur solches im zivilrechtlichen Sinn verstanden werden darf, steht außer Zweifel, zumal auch die verwandten Vorschriften des Baurechtes unter dem Eigentümer eines Grundstückes stets nur den zivilrechtlichen Eigentümer verstehen.
Die belangte Behörde ist selbst nicht davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin etwa kraft Gesetzes gemäß § 418 ABGB ‑ Ersitzung wäre gemäß § 4 Abs. 5 WRG 1959 ausgeschlossen ‑ Eigentum an dem Grundstück Nr. 629/2 erworben hätte. Für eine Beurteilung der Frage eines Eigentumserwerbes gemäß § 418 ABGB fehlt es auch an der Ermittlung des wesentlichen Sachverhaltes.
Die Ansicht der belangten Behörde, daß der Eigentümer des Grundstückes Nr. 629/2 nicht zur Beitragsleistung herangezogen werden könne, müsse die Beschwerdeführerin abgabepflichtig machen, findet keine Grundlage im Gesetz.
Wenn sich die belangte Behörde in der Gegenschrift zur Stützung ihres Standpunktes auf den Gleichheitsgrundsatz zu berufen versucht, ist dies schon vom Ansatz her verfehlt, weil eben die Stellung als zivilrechtlicher Eigentümer das vom Gesetzgeber herangezogene, durchaus nicht sachfremde Tatbestandsmerkmal für die Verteilung der Beitragspflichten ist.
Da die belangte Behörde insofern die Rechtslage verkannt hat, mußte der (unteilbare) angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Danach besteht kein Aufwandersatzanspruch für Umsatzsteuer auch neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand. Das betreffende Mehrbegehren war abzuweisen.
Wien, am 19. September 1986
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