VwGH 86/17/0032

VwGH86/17/003220.2.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Scheinecker, über die Beschwerde der Marktgemeinde L vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz Dobersberger in Wien I, Kleeblattgasse 11, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Jänner 1983, Zl. II/2V82148, betreffend Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages (mitbeteiligte Partei: JK in L) zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §14 Abs1 idF vor 8200-1
BauO NÖ 1976 §14 Abs5 idF vor 8200-1
BauO NÖ 1976 §15 idF vor 8200-1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986170032.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 20. Februar 1974, AZ. 59/74, erteilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin der mitbeteiligten Partei gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 der NÖ. Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, in der Fassung LGBl. 8200-1 die Bewilligung zum Neubau von Lager- und Arbeitshallen. Die bewilligten Baulichkeiten wurden unbestrittenermaßen im Laufe des Jahres 1974 errichtet. Mit Bescheid vom 4. März 1976, AZ. 703/7576, erteilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin eine weitere Bewilligung zum Neubau einer Halle sowie eines Materialbunkers für die Mischanlage. Beide Bewilligungen bezogen sich auf das Grundstück mit der Parzellennummer 856/1 in der Katastralgemeinde der Beschwerdeführerin.

1.2. Das gegenständliche Grundstück war zum Zeitpunkt der obgenannten Bewilligungen laut Regulierungsplan (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan) vom 25. August 1966 als Grünland ausgewiesen. Eine Umwidmung in Bauland-Betriebsgebiet erfolgte erst mit der Verordnung der Marktgemeinde L vom 6. Juni 1980, die mit Bescheid der NÖ. Landesregierung, Zl. II/2R 265-1981, vom 5. August 1981 genehmigt wurde und nach Kundmachung am 27. August 1981 in Kraft trat.

1.3. Der Bürgermeister der Beschwerdeführerin schrieb der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 29. März 1982 einen Aufschließungsbeitrag in der Höhe von S 293.904, anläßlich der erstmaligen Bauführung „gemäß § 15 NÖ. Bauordnung“ vor.

Die mitbeteiligte Partei erhob mit Schreiben vom 19. April 1982 gegen diesen Bescheid Berufung an den Gemeinderat und wendete ein, daß ein Aufschließungsbeitrag auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr vorgeschrieben werden könne.

Der Gemeinderat der Beschwerdeführerin gab der Berufung mit Bescheid vom 13. September 1982 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß das gegenständliche Grundstück laut Regulierungsplan vom 25. August 1966 im Zeitpunkt der Baubewilligungen vom 20. Februar 1974 und vom 4. März 1976 als Grünland ausgewiesen gewesen sei. Die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages habe erst nach Umwidmung des gegenständlichen Grundstückes von Grünland in Bauland-Betriebsgebiet mit 27. August 1981 erfolgen können. Es liege somit keine Verjährung vor.

Die mitbeteiligte Partei erhob mit Schreiben vom 22. September 1982 Vorstellung an die Aufsichtsbehörde und führte hiezu aus, daß die Forderung der Beschwerdeführerin bereits verjährt sei, da die Bauwerke auf dem betreffenden Grundstück bereits im Jahre 1974 errichtet und die im Jahr 1976 bewilligten Neubauten an die bestehende Halle angebaut worden seien. Im übrigen könne das nachträgliche Hinzukommen eines Merkmales (Umwidmung von Grünland in Bauland) nicht zur Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages führen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die NÖ. Landesregierung der Vorstellung statt, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Beschwerdeführerin. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß ein Abgabentatbestand, an den der Landesgesetzgeber die Verpflichtung zur Entrichtung eines Aufschließungsbeitrages knüpfe, die Tatsache der gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 der NÖ. Bauordnung bewilligungspflichtigen Bauführung sei. Es müsse aber bei der Auslegung des Abgabentatbestandes der erstmaligen Bauführung der Zusammenhang mit § 14 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976, wonach aus Anlaß einer Grundabteilung ein Aufschließungsbeitrag nur im Falle der Schaffung eines Bauplatzes vorgeschrieben werden könne, beachtet werden. Es sei sohin zum Abgabentatbestand der erstmaligen Bauführung erforderlich, daß ein durch einen individuellen konkreten hoheitlichen Verwaltungsakt geschaffener „Bauplatz“ erstmalig bebaut werde. Im gegenständlichen Fall habe jedoch auf einem „Bauplatz“ nie eine Bauführung stattgefunden, da erst mit dem Inkrafttreten des örtlichen Raumordnungsprogrammes vom 25. August 1981 und somit nach der Bauführung für das gegenständliche Grundstück die Widmungs- und Nutzungsart Bauland-Betriebsgebiet festgelegt worden sei. Die gegenständliche Abgabenvorschreibung sei daher nicht gesetzmäßig, da der Sachverhalt nicht alle erforderlichen Tatbestandsmerkmale erfülle.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 21. November 1985 ablehnte. Mit Beschluß vom 24. Jänner 1986 wurde die Beschwerde auf Grund eines rechtzeitigen Antrages durch die Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den Bescheid der NÖ. Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben je eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, vom Mitbeteiligten den genannten Aufschließungsbeitrag in Höhe von S 293.904, zu fordern. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt sie vor, daß gemäß § 14 der NÖ. Bauordnung eine Voraussetzung für die Einhebung eines Aufschließungsbeitrages die Lage des Grundstückes im Bauland sei. Im konkreten Fall sei zwar der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Erstbaues, nämlich einer Lager- und Arbeitshalle, auf einem im Grünland gelegenen Grundstück erteilt worden. Auf Grund des Inkrafttretens des örtlichen Raumordnungsprogrammes am 27. August 1981, in dem für das erwähnte Grundstück die Widmungs- und Nutzungsart auf Bauland festgelegt worden sei, ergebe sich jedoch, daß der erstmalige Bau dennoch im Bauland gelegen sei. Daß damit der einmalige Aufschließungsbeitrag bereits fällig und mit Recht gefordert worden sei, leite sich insbesondere aus der Bestimmung des § 14 Abs. 1 der NÖ. Bauordnung ab. Die Beschwerdeführerin vermeint, daß der Gesetzgeber mit dem dort verwendeten Wort „zuvor“ entweder auf den ersten Satz des § 14 Abs. 1 NÖ. Bauordnung verweise, der die Gemeinde berechtige, aus Anlaß der Grundabteilung einen Aufschließungsbeitrag zu verlangen, oder daß dieses Wort nichts anderes ausdrücke, als daß bisher noch kein Aufschließungsbeitrag entrichtet worden sei. Beide Auslegungen berechtigten jedoch nicht zum Schluß, daß bei Bauten im Grünland Aufschließungsbeiträge nicht vorgeschrieben werden dürften.

Das Beschwerdevorbringen ist unbegründet.

2.2. § 3 Abs. 2 der NÖ. Abgabenordnung (und zwar in allen jeweils geltenden Fassungen des relevanten Zeitraumes vom Zeitpunkt der erstmaligen Baubewilligung vom 20. Februar 1974 bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Abgabenbescheides der Beschwerdeführerin vom 29. März 1982) bestimmt, daß der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit auf die Entstehung des Abgabenanspruches ohne Einfluß ist. Voraussetzung für das Recht zur Festsetzung einer Abgabe und den Eintritt ihrer Fälligkeit ist jedenfalls die vorherige Entstehung des Abgabenanspruches.

Unter dem Tatbestand, an dessen Verwirklichung § 3 Abs. 1 leg.cit. das Entstehen der Abgabenschuld knüpft, ist die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen (hier in der NÖ. Bauordnung) enthaltenen abstrakten Voraussetzungen zu verstehen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen (Abgabenschuld und Abgabenanspruch) eintreten sollen.

Die Frage, ob im Beschwerdefall der Abgabenanspruch entstanden ist oder nicht, ist daher nach der zum Zeitpunkt der Bauführungen anläßlich der Baubewilligung vom 2. Februar 1974 und der Baubewilligung vom 3. März 1976 in Geltung stehenden Fassung der NÖ. Bauordnung zu beurteilen.

Gemäß § 15 der NÖ. Bauordnung 1976 in der Fassung vor der am 1. September 1981 in Kraft getretenen Novelle LGBl. 8200-1 sind die in den §§ 13 und 14 vorgesehenen Anliegerleistungen jedenfalls nur einmal zu erbringen, und zwar anläßlich der Grundabteilung. Anläßlich der erstmaligen Bauführung gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1, 2 und 3 sind sie dann zu erbringen, wenn keine Grundabteilung durchgeführt oder Anliegerleistungen bisher nicht erbracht wurden. Die Beiträge nach § 14 können von der Gemeinde auch noch nach vollendeter Bauführung anläßlich der Errichtung der betreffenden Aufschließungsanlagen eingehoben werden.

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits mehrfach mit dem normativen Gehalt des § 15 der NÖ. Bauordnung in der oben erwähnten Fassung befaßt:

Zum einen hat er bereits in seinem Erkenntnis vom 7. April 1972, Zl. 1677/71, in Übereinstimmung mit dem Verfassungsgerichtshof (vgl. dessen Erkenntnis vom 9. Juni 1971, Slg. Nr. 6448) ausgesprochen, ungeachtet der Überschrift des § 15 (Fälligkeit der Anliegerleistungen) lasse der Wortlaut dieser Gesetzesstelle keinen Zweifel darüber offen, daß hier zusätzlich zu den Abgabentatbeständen der §§ 13 und 14 der NÖ. Bauordnung ein weiterer Abgabentatbestand für den Fall festgelegt wurde, daß ein nicht durch Grundabteilung geschaffener Bauplatz erstmalig bebaut oder daß die erstmalige Bauführung zwar auf einem durch Grundabteilung geschaffenen Bauplatz durchgeführt wird, für diesen aber bisher gleichartige Anliegerleistungen nicht erbracht wurden (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1980, Zl. 663/79, vom 27. Oktober 1980, Zl. 3114/80, vom 29. November 1985, Zl. 83/17/0201, und vom 12. Dezember 1986, Zl. 84/17/0137, sowie die dort jeweils angeführte weitere Rechtsprechung).

Demnach ist ein Abgabentatbestand, an den der Landesgesetzgeber die Verpflichtung zur Entrichtung eines Aufschließungsbeitrages knüpft, die Tatsache der gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 NÖ. Bauordnung bewilligungspflichtigen Bauführung.

Zum anderen war für den Verwaltungsgerichtshof bei Auslegung dieses zusätzlichen Abgabentatbestandes des § 15 der NÖ. Bauordnung die vom Gesetzgeber gewählte Rechtstechnik der ausdrücklichen Verweisung auf die §§ 13 und 14 leg. cit. bestimmend; bei der Auslegung des Abgabentatbestandes der „erstmaligen Bauführung“ ist daher der normsystematische Zusammenhang mit § 14 Abs. 2 leg. cit., wonach aus Anlaß einer Grundabteilung ein Aufschließungsbeitrag nur im Falle der Schaffung eines Bauplatzes (§ 2 Z. 7 leg. cit.) vorgeschrieben werden kann, zu beachten (siehe die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1979, Zlen. 3137, 3138/78, vom 29. September 1980, Zl. 663/79, und vom 8. Februar 1982, Zl. 81/17/0043).

2.4. Für den Abgabentatbestand der „erstmaligen Bauführung“ ist aus den oben dargelegten Gründen erforderlich, daß ein durch einen individuellen konkreten hoheitlichen Verwaltungsakt geschaffener Bauplatz erstmalig bebaut wird. Auf einem „Bauplatz“ fand jedoch im gegenständlichen Beschwerdefall nie eine „Bauführung“ statt; erst nach der Bauführung wurde die bereits verbaute Fläche mit Rechtswirksamkeit vom 27. August 1981 zum „Bauland-Betriebsgebiet“ erklärt.

Damit entspricht aber die streitgegenständliche Abgabenvorschreibung nicht dem gesetzlichen Erfordernis der Erfüllung des in der Abgabenvorschrift enthaltenen Tatbestandes und dem in § 92 der NÖ. Abgabenordnung 1977 normierten rechtsstaatlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung.

Da die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde die dargestellte Rechtslage richtig erkannt hat, hat sie ihren aufhebenden Vorstellungsbescheid nicht mit der geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und die beschwerdeführende Gemeinde nicht in ihrem Recht auf gesetzmäßige Handhabung des Aufsichtsrechtes verletzt.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofeshttps://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1965_45_0/1965_45_0.pdf , hingewiesen.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Da die mitbeteiligte Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof keinen Antrag auf Aufwandersatz gestellt hatte, konnte ihr gemäß § 59 Abs. 1 VwGG ein solcher nicht zuerkannt werden.

 

Wien, am 20. Februar 1987

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