VwGH 86/15/0097

VwGH86/15/009719.10.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Piffl , über die Beschwerde des FM in S, vertreten durch Dr. Josef Weixelbaum, Rechtsanwalt in Linz, Kaisergasse 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IX, vom 16. Mai 1986, Zl. 6/2-3084/3/83, betreffend Umsatzsteuer 1981, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §1 Abs1 Z1;
UStG 1972 §4 Abs7;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986150097.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit notariell aufgenommenem Übergabsvertrag vom 1. April 1981 überließ der Beschwerdeführer seinem Sohn die bis dahin von ihm betriebene Gastwirtschaft samt Gebäude - mit allen Aktiven und Passiven - sowie land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz. Der Beschwerdeführer bedingte sich "als Altersvorsorge für sich und

seine Gattin ... jeweils auf Lebzeiten das Recht aus, in Natura

mit jenen Speisen und Getränken aus dem Gastgewerbebetrieb mitversorgt zu werden, welche üblicherweise von der Familie des Unternehmers konsumiert werden, soferne das Gasthaus auch tatsächlich betrieben wird". Außerdem behielt sich der Beschwerdeführer für sich selbst und seine Ehegattin das lebenslängliche, unentgeltliche und unteilbare Wohnungsrecht an einer bestimmten Wohnung im sogenannten "Nebengebäude" im Ausmaß von ca. 120 m2, ferner an der Terrasse zu dieser Wohnung und an einer darunter liegenden Garage sowie ein Gartenmitbenützungsrecht vor. Vereinbart war ferner, daß sich die für das Wohnungsrecht vereinbarte Unentgeltlichkeit auch auf die Betriebskosten sowie auf die vollständige Energieversorgung der Wohnräume und deren laufende Instandhaltung erstreckt. Für den Fall der Nichtinanspruchnahme des Wohnungsrechtes verpflichtete sich der Übernehmer zur Leistung eines wertgesicherten Monatsbetrages von S 1.000,--.

Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, daß die sogenannten "Ausgedingslasten" zuzüglich der vom Sohn des Beschwerdeführers übernommenen Passiven in Höhe von S 147.444,-- Entgelte im Sinne des § 4 Abs. 7 UStG 1972 darstellten. Hiebei ging der Prüfer von einem Teilwert der Aktiven zum Übergabsstichtag von S 387.000,-- aus. Die Restbuchwerte der vom Beschwerdeführer übertragenen Betriebsanlagen zum 31. März 1981 betrugen laut Beilage zur Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr rund S 562.000,--. Ausgehend vom Entgeltcharakter der Betriebsübertragung nahm der Prüfer eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1972 betreffend Investitionen am Betriebsgebäude in der Höhe von S 65.998,-- vor.

Gegen den der Rechtsansicht des Prüfers folgenden vorläufigen Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr erhob der Beschwerdeführer Berufung und hielt diese auch gegen den endgültigen Umsatzsteuerbescheid, der sich auf die Ergebnisse einer weiteren abgabenbehördlichen Prüfung stützte, aufrecht. Insbesondere stellte der zum Übergabezeitpunkt 60 Jahre alte und aus Gesundheitsgründen in den vorzeitigen Ruhestand getretene Beschwerdeführer die Entgeltlichkeit der Betriebsübertragung an seinen einzigen Sohn, der auch als Alleinerbe vorgesehen gewesen sei, in Abrede. Die von seinem Sohn übernommenen Passiven seien "im Verhältnis zum geschätzten Verkehrswert des übernommenen Unternehmens von untergeordneter Bedeutung". Auch das für den Übergeber und für seine Gattin ausbedungene Wohnrecht samt Verpflegung stelle keine ins Gewicht fallende Gegenleistung für den fast schuldenfreien Betrieb dar. Nach den objektiven Gegebenheiten habe der Beschwerdeführer demnach keine Gegenleistung für das von ihm übergebene Unternehmen angestrebt. Dementsprechend seien auch die auf § 12 Abs. 10 UStG 1972 gestützten Vorsteuerkürzungen zu Unrecht vorgenommen worden.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde brachte der Vertreter des Beschwerdeführers vor, die Schätzung des Verkehrswertes durch den Prüfer sei unrealistisch. Bei dem vom Beschwerdeführer übergebenen Grundbesitz handle es sich um einen Dreikanthof, bestehend aus einem Gasthof mit sieben Fremdenzimmern, einem Wirtschaftstrakt für die Landwirtschaft und einer landwirtschaftlich genutzten Grundfläche im Ausmaß von neun Hektar. Er schätze den Verkehrswert dieses Grundbesitzes auf über S 10 Mio..

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Dies im wesentlichen mit folgender Begründung:

Im Beschwerdefall seien ein Gewerbebetrieb und eine Landwirtschaft, deren Verkehrswerte der Prüfer mit S 1,5 Mio., der Beschwerdeführer mit S 10 Mio. geschätzt habe, gegen Gewährung von freier Station für den Beschwerdeführer und dessen Ehegattin im Wert von S 327.600,-- zuzüglich der übernommenen Betriebsschulden in Höhe von S 147.444,-- übergeben worden. Wenn auch die Schätzung des Beschwerdeführers der Realität näher komme als die Schätzung des Betriebsprüfers, sei davon auszugehen, daß auch ein auffallendes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung Entgeltlichkeit nicht ausschließe. Die Vertragsgestaltung weiche im vorliegenden Fall von derjenigen, die dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1984, Zl. 83/15/0172, zu Grunde gelegen habe, deswegen wesentlich ab, weil "kein Schenkungsvertrag, sondern eine Vereinbarung über ein sogenanntes Ausgedinge, wie dies bei Übergabe von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen unter nahen Verwandten üblich" sei, vorliege. Mit derartigen Verträgen sei der Anspruch des Übergebers auf bestimmte Leistungen des Übernehmers verbunden. Der Anspruch auf die Ausgedingsleistungen stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übergabe der Betriebe, sodaß die für die Annahme eines Leistungsaustausches erforderliche innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung gegeben sei. Obwohl im Beschwerdefall Leistung und Gegenleistung nicht äquivalent seien, liege in der Betriebsübergabe durch den Beschwerdeführer ein gemaß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 im Inland steuerbarer Umsatz, der zu einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 leg. cit. Anlaß gebe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, daß eine Vorsteuerberichtigung für das Streitjahr mangels Entgeltlichkeit der Betriebsübergabe unterbleibe.

Die belangte Behörde räumte in ihrer Gegenschrift ein, daß die Naturalleistungen zu Unrecht als "Ausgedinge" bezeichnet worden seien. Zivilrechtlich werde darunter eine auf einem Bauerngut ruhende dingliche Verpflichtung zu Natural-, Geld- und Arbeitsleistungen zum Zweck des Unterhaltes des früheren Eigentümers verstanden. Im Beschwerdefall sei aber neben einem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen auch ein Gewerbebetrieb übereignet worden, sodaß die im angefochtenen Bescheid getroffene Subsumtion unzutreffend sei. Allerdings ändere dies nichts an der im angefochtenen Bescheid getroffenen rechtlichen Beurteilung über das (sich aus der Pflicht zum Betrieb der Gastwirtschaft durch den Übernehmer ergebende) Vorliegen eines Leistungsaustausches zwischen den Vertragspartnern.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall ist die Frage streitentscheidend, ob die Übergabe eines Gastgewerbebetriebes und von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen durch den Beschwerdeführer an seinen Sohn als nicht umsatzsteuerbarer Vorgang oder als eine entgeltliche Geschäftsveräußerung im Sinne des S 4 Abs. 7 UStG 1972 mit der Konsequenz, daß infolgedessen eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 leg. cit. vorzunehmen ist, zu beurteilen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem zitierten Erkenntnis vom 24. Mai 1984 jene Kriterien angeführt, die bei der Lösung der Frage heranzuziehen sind, ob eine Unternehmensübertragung gegen Entgelt oder ohne Gegenleistung stattgefunden hat. Danach kann von ersterem nicht die Rede sein, wenn Unentgeltlichkeit das Handeln des Unternehmers bestimmt und er von vornherein eine Gegenleistung nicht anstrebt. Bewirkt ein Unternehmer seine Leistung nicht, um eine Gegenleistung zu erhalten, so steht eine allfällige Leistung des Leistungsempfängers zur Leistung des Unternehmers nicht in der für eine Gegenleistung notwendigen inneren Verknüpfung. Ist die Leistung des Unternehmers also darauf gerichtet, dem Übernehmer ein Unternehmen (einen Betrieb) mit seinen Aktiven und Passiven unentgeltlich zu übertragen, so kann nicht deshalb, weil der Übernehmer mit den Aktiven auch die Passiven des Unternehmens (Betriebes) übernimmt, gefolgert werden, daß er die Passiven als Gegenleistung für die Übertragung der Aktiven übernimmt. Ob der Wille der Beteiligten in der Tat auf eine unentgeltliche Betriebsübereignung gerichtet ist, stellt einen nach der Lage des Falles zu lösende und im damaligen Beschwerdefall zu bejahende Beweisfrage dar.

Im vorliegenden Fall ließ die belangte Behörde das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers unwidersprochen, er sei zum Zeitpunkt der Betriebsübergabe an seinen auch als Alleinerben vorgesehenen einzigen Sohn 60 Jahre alt gewesen und er sei aus Gesundheitsgründen in den vorzeitigen Ruhestand getreten; ferner, daß die vom Sohn des Beschwerdeführers übernommenen Passiven sowie die von ihm dem Beschwerdeführer bzw. seiner Ehegattin zu erbringenden Leistungen, verglichen mit dem geschätzten Verkehrswert des Unternehmens, nicht ins Gewicht gefallen seien. Letzteres bestätigt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst dadurch, daß sie von einem auffallenden Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht. Der Aktenlage zufolge bietet sich damit aber das Bild einer unentgeltlichen Geschäftsübertragung dar, die nicht umsatzsteuerbar ist.

Dennoch hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen, weil sie die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis vom 24. Mai 1984 bloß auf Fälle von Betriebsübertragungen für anwendbar erachtet, in denen zwischen den Beteiligten ein Schenkungsvertrag (und also nicht ein "Übergabsvertrag") geschlossen worden ist. Schon in dem dem zitierten Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall war für die Beurteilung als Schenkungsvertrag aber nicht die formale Gestaltung, sondern allein der Umstand, daß Unentgeltlichkeit das Handeln des Unternehmensübereigners bestimmt hat, entscheidend. Aus jenem Erkenntnis ergibt sich daher nicht, daß es für die hier zu lösende Rechtsfrage auf die Bezeichnung einer von unentgeltlichem Handeln bestimmten Vereinbarung als Schenkungsvertrag ankommt.

Auch das in der Gegenschrift der belangten Behörde von dieser ins Treffen geführte Argument, eine Geschäftsveräußerung im ganzen des Beschwerdeführers an seinen Sohn liege im Hinblick auf die von letzterem übernommene Verpflichtung zum Betrieb der Gastwirtschaft vor, ist schon deswegen verfehlt, weil sich bei dem eingangs im Wortlaut wiedergegebenen Inhalt der Vereinbarung eine solche Betriebspflicht aus dem Übergabsvertrag keineswegs entnehmen läßt.

Schon diese Ausführungen zeigen, daß die belangte Behörde das Gesetz unrichtig angewendet hat. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 19. Oktober 1987

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