VwGH 86/14/0027

VwGH86/14/002726.4.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel sowie die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des Ing. FS in W, vertreten durch Dr. Gerald Haas, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Ringstraße 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat III, vom 16. Dezember 1985, Zl 14/30/2-BK/Re-1985, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1983, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §37 Abs1;
EStG 1972 §67;
EStG 1972 §37 Abs1;
EStG 1972 §67;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 2.760 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch solche aus Vermietung und Verpachtung bezieht, stand bis 31. März 1983 zu einem Bauunternehmer in einem Dienstverhältnis. Anläßlich der Auflösung des Dienstverhältnisses wurde ihm eine Abfertigung bezahlt. Ab 1. April 1983 ging er mit einem anderen Bauunternehmer wieder ein Dienstverhältnis ein.

Mit Schreiben vom 20. September 1983 wurde dem Beschwerdeführer von seinem ehemaligen Arbeitgeber für seine langjährige Sondertätigkeit eine Gratifikation von 1 Mio S zugesprochen und unter Abzug von Lohnsteuer am 1. Dezember 1983 ausbezahlt. Der ehemalige Arbeitgeber des Beschwerdeführers sah die Gratifikation zur Gänze als sonstigen Bezug an. Die Besteuerung der selben erfolgte für einen Betrag von 991.747 S im Sinn des § 67 Abs 10 EStG nach dem Lohnsteuertarif.

In der Einkommensteuererklärung beantragte der Beschwerdeführer, ihm hinsichtlich der gesamten Gratifikation den Hälftesteuersatz nach § 37 Abs 2 Z 1 EStG zuzubilligen.

Unter Hinweis auf die Bestimmung des § 37 Abs 1 letzter Satz EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung lehnte das Finanzamt die begünstigte Besteuerung der Gratifikation ab.

Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, für das Vorliegen eines sonstigen Bezuges im Sinn des § 67 EStG sei dessen Auszahlung noch innerhalb des letzten Lohnzahlungszeitraumes erforderlich. Bei späterer Auszahlung sei der Tatbestand "neben dem laufenden Arbeitslohn" nicht gegeben, weswegen diesfalls kein sonstiger Bezug, sondern nur eine Entlohnung vorliege. Die Anwendung des § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG sei daher für eine derartige Entlohnung auch bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit denkmöglich. Da die Gratifikation erst lange nach dem letzten Lohnzahlungszeitraum ausbezahlt worden sei, liege kein sonstiger Bezug vor, weswegen hinsichtlich des Betrages von 1 Mio S der Hälftesteuersatz zuzubilligen sei.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, Vergütungen nach einer allfälligen Beendigung eines Dienstverhältnisses seien auch dann, wenn keine laufenden Bezüge mehr zufließen, als sonstige Bezüge anzusehen. Der Hälftesteuersatz sei auf Einkünfte, die unter die Bestimmungen des § 67 EStG fielen, nicht anzuwenden, weswegen es sich erübrigte zu prüfen, ob ansonsten die Voraussetzungen des § 37 Abs 2 Z. 1 EStG vorlägen oder nicht.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vertrat der Beschwerdeführer unter teilweiser Wiederholung seiner Ausführungen in der Berufung die Ansicht, der vom Gesetz geforderte Tatbestand "neben dem laufenden Arbeitslohn", liege ebenso wie eine "willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes" nicht vor. § 67 Abs. 9 und 10 EStG enthielten überdies nur tarifmäßige Bestimmungen, denen ein materiellrechtlicher Gehalt fehle.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens mit der Begründung ab, aus § 67 EStG sei keineswegs abzuleiten, daß nur die steuerlich begünstigten Bezüge als sonstige Bezüge anzusehen wären. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des Abs. 10 leg cit. Somit sei der Hälftesteuersatz auch dann nicht anwendbar, wenn zwar sonstige - steuerlich jedoch nicht begünstigte - Bezüge vorlägen. Der Tatbestand "neben dem laufenden Arbeitslohn" sei dabei lediglich für eine allfällige Begünstigung, nicht aber für die Qualifikation als sonstige Bezüge entscheidend.

In der vorliegenden Beschwerde wird im wesentlichen unter Wiederholung der Ausführungen im Verwaltungsverfahren inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.

In ihrer Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde möge als unbegründet und kostenpflichtig abgewiesen werden.

In einem am 31. August 1987 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz regte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1986, B 715/85-7, mit dem die Verfassungsmäßigkeit des letzten Satzes in § 37 Abs 1 EStG idF des Abgabenänderungsgesetzes 1981 von Amts wegen geprüft wurde, an, einen auf Art 140 Abs. 1 B-VG gestützten Antrag zu stellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als sonstige Bezüge im Sinn des § 67 EStG können nur solche angesehen werden, die ihrem Wesen nach nicht zum laufenden Arbeitslohn gehören, die also nicht regelmäßig und nicht für den üblichen Lohnzahlungszeitraum geleistet werden. Können somit Bezüge dem laufenden Arbeitslohn nicht hinzugerechnet werden, so handelt es sich um sonstige Bezüge. Das Wesen der sonstigen Bezüge ist somit durch Lohnteile charakterisiert, die der Arbeitgeber neben, also zusätzlich zum laufenden Bezug bezahlt, wobei dies aus äußeren Merkmalen ersichtlich sein muß (vgl Werner-Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer, 10. Hauptabschnitt Tz 1).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem in der Beschwerde zitierten Erkenntnis vom 2. Juli 1985, Zl 84/14/0150, - im Gegensatz zur Interpretation des Beschwerdeführers - ausgeführt hat, ist das Wort "neben" in der Wortfolge "neben dem laufenden Arbeitslohn" im § 67 Abs. 1 EStG nicht zeitlich, sondern einzig und allein kausal zu verstehen. Somit kommt es zur Lösung der Frage, ob die Gratifikation als sonstiger Bezug anzusehen ist oder nicht, nicht darauf an, daß diese erst geraume Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses und daher nach Auszahlung des letzten laufenden Bezuges bezahlt worden ist. Daran vermag auch der vom Beschwerdeführer aufgezeigte Umstand nichts zu ändern, daß die Gratifikation freiwillig - somit ohne jeglichen Rechtsanspruch - geleistet wurde. Denn zum Arbeitslohn zählt nach § 25 Abs. 1 Z 1 EStG jeder Vorteil aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. An der Zuordnung der Gratifikation zu den sonstigen Bezügen ändert auch die Tatsache nichts, daß diese zum Großteil vom ehemaligen Arbeitgeber nicht nach den Bestimmungen des § 67 Abs 1 bis 8 begünstigt, sondern nach § 67 Abs. 10 EStG wie ein laufender Bezug nach dem Lohnsteuertarif besteuert wurde. Die belangte Behörde ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie unter Hinweis auf den letzten Satz des § 37 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung hinsichtlich der Gratifikation den Hälftesteuersatz nicht zugebilligt hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19. März 1987, G 269/86-8 ua, die Bestimmung des § 37 Abs. 1 letzter Satz EStG idF des Abgabenänderungsgesetzes 1981 mit Ablauf des 31. Dezember 1987 als verfassungswidrig aufgehoben (vgl die Kundmachung BGBl. Nr. 432/1987). Dadurch wurde diese verfassungsrechtlich unangreifbar. Sie ist gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme der Anlaßfälle weiterhin anzuwenden, weil der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis nichts anderes ausgesprochen hat. Die Anregung des Beschwerdeführers, der Verwaltungsgerichtshof möge einen auf Art 140 Abs. 1 B-VG gestützten Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung der oben erwähnten Bestimmung stellen, wurde erst nach Ergehen des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht.

Dem angefochtenen Bescheid haftet die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes nicht an, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 26. April 1989

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