VwGH 86/12/0137

VwGH86/12/013722.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Drexler, Dr. Herberth und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Pinter, über die Beschwerde des RL in Mitterschlag, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 49, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 11. April 1986, Zl. 523.659/2-2.5/85, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes, zu Recht erkannt:

Normen

WehrG 1978 §37 Abs2 lita;
WehrG 1978 §37 Abs2 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem am 13. Juni 1962 geborenen, für den Wehrdienst tauglichen Beschwerdeführer wurde zunächst bis 15. August 1982 die Einberufung zum Grundwehrdienst aufgeschoben und in der Folge gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes bis 15. August 1985 gewährt. Nach Erhalt des Einberufungsbefehles zum 1. Oktober 1985 stellte er am 13. Juni 1985 einen weiteren Befreiungsantrag, den er ebenso wie seine vorangegangenen Ansuchen mit der Notwendigkeit seiner Mitarbeit im Landwirtschaftsbetrieb seiner Mutter begründete.

Mit Bescheid vom 8. August 1985 gab das Militärkommando Oberösterreich diesem Antrag nicht Folge. Die amtlichen Ermittlungen hätten ergeben, daß die Mutter des Beschwerdeführers eine aus 2,35 ha Eigengrund und 8,5 ha Pachtgrund bestehende Landwirtschaft betreibe, in der sieben Kühe, vier Jungtiere und zwei Schweine gehalten würden. Als Arbeitskraft stehe die Mutter des Beschwerdeführers (57 Jahre) zur Verfügung. Der Beschwerdeführer sei hauptberuflich bei der Firma Internorm in Sarleinsbach als Schichtarbeiter beschäftigt und arbeite in der Freizeit in der mütterlichen Landwirtschaft mit. Im gemeinsamen Haushalt wohne weiters noch der Bruder A (16 Jahre). Der Beschwerdeführer besitze einen Führerschein. An maschinellen Einrichtungen seien zwei Zugmaschinen, ein Ladewagen, ein Kreiselschwader, ein Kreiselmäher, ein Kreiselheuer und ein Motormäher vorhanden. In rechtlicher Hinsicht führte die Behörde aus, daß im Beschwerdefall keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen im Sinne des § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 vorlägen, weil der Beschwerdeführer nicht Eigentümer der in Rede stehenden Landwirtschaft sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müßten die wirtschaftlichen Interessen aber ausschließlich in der Person des Wehrpflichtigen selbst gelegen sein. Auch eine künftige Übernahme der mütterlichen Landwirtschaft stelle kein besonders rücksichtswürdiges wirtschaftliches Interesse dar, weil die vorgesehene Übernahme ein in der Zukunft liegendes Ereignis sei, die entscheidende Behörde aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur von solchen Tatsachen auszugehen habe, die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bereits gegeben seien. Auch familiäre Interessen hätten nicht in einem die Befreiung vom Grundwehrdienst rechtfertigenden Ausmaß berücksichtigt werden können. Dies deshalb, weil in der Landwirtschaft nur Wiesen bewirtschaftet würden, die Heu- und Grummeternte aber während der Präsenzdienstleistung des Beschwerdeführers (Oktober bis März) nicht stattfinde. Somit seien auch die vorhandenen landwirtschaftlichen Geräte in dieser Zeit nicht zu bedienen. Im großen und ganzen sei während der Zeit der Präsenzdienstleistung nur das Vieh zu betreuen. Diese Tätigkeit könne der Mutter des Beschwerdeführers mit Unterstützung des im selben Haushalt lebenden Bruders A zugemutet werden. Weiters habe der Beschwerdeführer infolge der nahegelegenen Garnison die Möglichkeit, an freien Wochenenden seine Mutter zu unterstützen und bei dringenden Arbeiten bei seinem Einheitskommandanten um eine Dienstfreistellung im Sinne des § 49 Abs. 9 des Wehrgesetzes 1978 anzusuchen.

Mit Schreiben vom 19. August 1985 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung und führte aus, der landwirtschaftliche Betrieb seiner Mutter werde ausschließlich von ihm bewirtschaftet. Seine Mutter sei wohl Besitzerin des Betriebes, auf Grund ihres schlechten Gesundheitszustandes sei sie aber nur mehr für leichte Arbeiten und für die Führung des Haushaltes einsetzbar. Schwere und mittelschwere Arbeiten im Betrieb könne sie nicht mehr verrichten. Dazu legte der Beschwerdeführer eine vom Gemeindearzt Dr. BN in X ausgestellte ärztliche Bestätigung vor, in der festgehalten wurde, daß die Mutter des Beschwerdeführers wegen Depressionen, Pancreatitis, Stadium post Cholocystektomie, Myalgien BWS-LWS bei degenerativer Wirbelsäulenerkrankung und Angina pectoris bei Linkshypertrophie in Behandlung stehe und ein Weiterführen der Landwirtschaft für sie allein nicht durchführbar sei. Der Beschwerdeführer wies weiters darauf hin, daß eine Mitarbeit seines Bruders A im landwirtschaftlichen Betrieb wegen eines mit 1. September 1985 beginnenden Lehrverhältnisses nicht mehr möglich sei. Zur behördlichen Annahme, daß in der Zeit von Oktober bis März im wesentlichen nur Stallarbeit anfalle, brachte er vor, daß auch die Stallarbeit seiner Mutter allein nicht mehr zugemutet werden könne. Er müsse auch die Melkarbeiten vornehmen. Außerdem seien bis Oktober die anfallenden Ackerarbeiten, im besonderen aber auch die Kartoffelernte, nicht abgeschlossen. Seine Mutter könne keinesfalls allein die landwirtschaftlichen Flächen abernten.

Weiters machte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 3. Februar 1986 zu der ihm mitgeteilten Sachverhaltsannahme der belangten Behörde geltend, im Bereich der Landwirtschaft habe sich insofern eine Änderung ergeben, als seit 1. Jänner 1986 etwa 6 ha landwirtschaftliche Nutzgründe dazugepachtet worden seien. Durch die Zupachtung sei nun der Maschinenpark besser ausgenützt, andererseits sei aber auch ein größerer Arbeitseinsatz notwendig. Da die Mutter nur mehr zu 50 v.H. einsatzfähig sei und außerdem keinen Führerschein besitze, sei seine Hilfe im Betrieb notwendig. Inzwischen wohne auch sein Bruder A nicht mehr daheim, sondern sei bei einem weiteren Bruder in der Bundesrepublik Deutschland in dessen Gastgewerbe tätig.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge. In der Begründung dieser Entscheidung hielt sie in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Bescheid fest, im Zusammenhang mit der gegenständlichen Landwirtschaft lägen keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers vor, weil der Betrieb im Eigentum seiner Mutter stehe. Die primäre Existenzgrundlage des Beschwerdeführers stelle seine unselbständige Erwerbstätigkeit bei der Firma Internorm in Sarleinsbach dar. Dieser Arbeitsplatz bleibe ihm gemäß den Bestimmungen des Arbeitsplatz-Sicherungsgesetzes erhalten. Zur Zupachtung weiterer landwirtschaftlicher Gründe ab 1. Jänner 1986 wies die belangte Behörde darauf hin, daß es grundsätzlich Sache des Wehrpflichtigen sei, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes so einzurichten, daß im Fall einer Einberufung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden würden. Die belangte Behörde führte weiters aus, daß zwar familiäre Interessen vorlägen, weil bei der Mutter des Beschwerdeführers eine Minderung der Erwerbsfähigkeit gegeben sei. Diese Interessen seien aber nicht so besonders rücksichtswürdig, das deshalb die Befreiung des Beschwerdeführers von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gerechtfertigt erscheine. Der Beschwerdeführer habe schon bisher seine Mutter nur in seiner Freizeit unterstützen können. Der Mutter könne unter Bedachtnahme auf ihren Gesundheitszustand und auf die Größe und Beschaffenheit des Landwirtschaftsbetriebes dessen Bewirtschaftung während der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes durch den Beschwerdeführer während der Wintermonate im eingeschränkten Umfang zugemutet werden. Nach den Bestimmungen des ABGB seien alle Kinder (die Mutter des Beschwerdeführers habe insgesamt fünf Söhne) zur Unterstützung ihrer Eltern gleichermaßen verhalten und nicht ausschließlich der Sohn, der zur Erfüllung seiner Wehrpflicht einberufen werden soll. Diesbezüglich vertrete die Berufungsbehörde die Ansicht, daß seit der Stellung des Beschwerdeführers im Jahr 1980 für alle Familienmitglieder genügend Zeit zur Disposition bestanden habe. Im übrigen wies die belangte Behörde darauf hin, daß der Beschwerdeführer auch während der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nach Maßgabe seiner dienstfreien Zeit die Möglichkeit habe, im Landwirtschaftsbetrieb seiner Mutter mitzuarbeiten. Darüber hinaus könne er in dringenden Fällen bei seinem Einheitskommandanten um eine Dienstfreistellung ansuchen. Aus diesen Erwägungen könne nicht angenommen werden, daß durch die Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes der Gesundheitszustand der Mutter des Beschwerdeführers weitergehend gefährdet erscheine.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber unter Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde erstattete

Gegenschrift erwogen:

Gemäß § 37 Abs. 2 des Wehrgesetzes 1978 können Wehrpflichtige von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen

Präsenzdienstes befreit werden:

a) von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen - insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen - erfordern,

b) auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. den Beschluß vom 21. Dezember 1976, Zlen. 2783, 2784/76, Slg. Nr. 9211/A, und das Erkenntnis vom 10. Dezember 1970, Zl. 1471/70, Slg. N. F. Nr. 7931/A) steht dem Wehrpflichtigen ein subjektives Recht darauf, aus öffentlichen Rücksichten von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes befreit zu werden, nicht zu. Die Behauptung des Beschwerdeführers, daß die Voraussetzung des § 37 Abs. 2 lit. a des Wehrgesetzes 1978 vorliege, weil ein Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung der landwirtschaftlichen Betriebe bestehe, vermag daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Nach § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 kann die Behörde von ihrem Recht, in Ausübung des Ermessens eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes zu gewähren, nur bei Vorliegen von besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen Gebrauch machen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes haben die Verwaltungsinstanzen das Vorliegen solcher Interessen im Beschwerdefall zu Recht verneint. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Mitarbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb ist unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlicher Interessen nicht berücksichtigungsfähig, weil dieser Betrieb unbestrittenermaßen im Alleineigentum seiner Mutter steht. Bei der Beurteilung der familiären Interessenslage war zunächst auf die Art des in Rede stehenden landwirtschaftlichen Betriebes Bedacht zu nehmen. Nach den im Verwaltungsverfahren getroffenen und vom Beschwerdeführer trotz gebotener Gelegenheit unwidersprochen gebliebenen Feststellungen handelt es sich beim Eigengrund (der nur das auffallend geringe Ausmaß von 2,35 ha aufweist) und auch beim gesamten vor dem 1. Jänner 1986 gepachteten Grundbesitz um Wiesen. Die Behörde erster Instanz durfte daher unbedenklich davon ausgehen, daß in der Zeit von Oktober bis März ein Anfall erheblicher Erntearbeiten oder sonstiger Außenarbeiten nicht anzunehmen ist. Von einer Notwendigkeit, zur Ermittlung der in der Landwirtschaft anfallenden Arbeiten einen landwirtschaftlichen Sachverständigen heranzuziehen, kann entgegen der Meinung des Beschwerdeführers überhaupt keine Rede sein. Zu Recht unberücksichtigt gelassen wurde von der belangten Behörde die Zupachtung von ungefähr 6 ha mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1986. Die Mutter des Beschwerdeführers mußte mit Rücksicht auf den damaligen Stand des Verfahrens die Einberufung des Beschwerdeführers zum Grundwehrdienst jedenfalls in Betracht ziehen. Was aber die Stallarbeit betrifft, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren seine Behauptung, diese könne seiner Mutter allein nicht mehr zugemutet werden, nicht näher begründet. Auch die vorgelegte ärztliche Bestätigung gibt darüber keinen ausreichenden Aufschluß. Eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens hält der Verwaltungsgerichtshof in diesem Punkt aber nicht für erforderlich, weil er der Auffassung der belangten Behörde, daß der Mutter des Beschwerdeführers gegebenenfalls eine vorübergehende Einschränkung der Tierhaltung zumutbar sei, nicht entgegenzutreten vermag. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, daß die Mutter des Beschwerdeführers über kein Einkommen - jenes aus dem landwirtschaftlichen Betrieb ausgenommen - verfüge, eine für das verwaltungsgerichtliche Verfahren unbeachtliche Neuerung darstellt. Sie steht auch im Widerspruch zum Inhalt des ersten Befreiungsansuchens des Beschwerdeführers vom 15. April 1982, in dem der Beschwerdeführer angegeben hatte, daß seine Mutter eine Witwenpension in Höhe von ca. S 3.000,-- beziehe. (Sein Vater war 1981 tödlich verunglückt.)

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß aus den bereits angeführten Gründen die behauptete Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes nicht vorliegt. Auch einen sonstigen Verfahrensmangel von wesentlicher Bedeutung vermochte der Gerichtshof nicht festzustellen. Da sich der angefochtene Bescheid schließlich auch nicht als inhaltlich rechtswidrig erwies, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 22. September 1986

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