VwGH 86/12/0085

VwGH86/12/008523.6.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Drexler, Dr. Herberth und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Pinter, über die Beschwerde des Mag. GK in G, vertreten durch Dr. AE, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 3. Februar 1986, Zl. 3256/1-III 5/86, betreffend Untersagung einer Nebenbeschäftigung, zu Recht erkannt:

Normen

RDG §63 Abs1;
RDG §63 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Richter in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich. Seine Dienststelle ist das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Mit Eingabe vom 18. April 1985 meldete der Beschwerdeführer dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz gemäß § 63 des Richterdienstgesetzes (RDG), er gehe einer Nebenbeschäftigung nach. Es handle sich hiebei um die Erstellung rechtlicher Beurteilungen von Sachverhalten, die ihm von seinem Vertragspartner, seinem Schwiegervater Dr. AE, der als Rechtsanwalt in L tätig sei, "vorgegeben werden". Die Nebenbeschäftigung werde von ihm im wesentlichen in Heimarbeit durchgeführt, jedenfalls außerhalb der Kanzlei seines Vertragspartners. Er unterliege hinsichtlich des Ortes und der Zeit der Begutachtung keinen Weisungen. Es solle keinerlei Kontakt mit "Klienten statthaben". Auch würden von ihm solche Sachverhalte nicht bearbeitet werden, die - soweit dies absehbar sei in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes für ZRS Graz oder des Landesgerichtes für ZRS Graz fielen. Begutachtet würden vom Beschwerdeführer Sachverhalte, die sein Schwiegervater einerseits als Rechtsanwalt, andererseits aber auch als Vorsteher und Rechtskonsulent der X Realgemeinschaft zu bearbeiten habe. Die Nebenbeschäftigung nehme etwa vier Tage monatlich in Anspruch. Die Zumittlung und Ablieferung der Arbeitsunterlagen erfolge im Postwege oder anläßlich privater Aufenthalte. Die Entlohnung erfolge nach Stückzahl der Erledigungen zuzüglich Barauslagen. Der Beschwerdeführer habe diese Nebenbeschäftigung angenommen, weil er der Ansicht sei, daß die im § 63 RDG umschriebenen Untersagungsvoraussetzungen nicht vorlägen. Die ausgeübte Nebenbeschäftigung sei der im Richteramt ausgeübten Tätigkeit ähnlich und widerstreite daher nicht der Würde des Amtes. Sie behindere den Beschwerdeführer auf Grund des geringen Umfanges auch nicht in der Ausübung seines Dienstes. Er sei bei der Verrichtung der Nebenbeschäftigung an keinen Ort und keine Termine gebunden. Während seiner mehr als sechsjährigen Richtertätigkeit habe es noch nie Beschwerden oder Beanstandungen wegen verspäteter Erledigung gegeben. Weiters weist er darauf hin, er habe in den letzten drei Jahren keine Ausfertigungs- und Erledigungsrückstände gehabt. Die ausgeübte Nebenbeschäftigung könne nicht die Vermutung der Befangenheit in Ausübung des Dienstes hervorrufen, da der Beschwerdeführer in Rechtssachen, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen würden und die von seinem Vertragspartner als Bevollmächtigten vertreten werden, gemäß § 20 JN als Richter ausgeschlossen wäre. Überdies liege die entfaltete Tätigkeit in einem anderen Gerichtshofsprengel. Der Beschwerdeführer ersuchte daher, die gemeldete Nebenbeschäftigung ohne deren Untersagung zur Kenntnis zu nehmen.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Graz untersagte mit Bescheid vom 9. Dezember 1985 die Ausübung der vom Beschwerdeführer gemeldeten Nebenbeschäftigung eines Rechtskonsulenten für Dr. AE. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die Tätigkeit des Beschwerdeführers für seinen Schwiegervater beschränke sich auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhalten, die ihm von seinem Auftraggeber mitgeteilt werden. Dabei erhalte er fernmündlich oder schriftlich - ohne daß er die Namen der Partei zur Kenntnis bekomme eine Information, eine Rechtsansicht seines Auftraggebers oder eines Gegners, die er beurteilen solle. Die Erledigung der Arbeit vollziehe sich vornehmlich in der Herstellung von Ablichtungen von Entscheidungen oder Kommentarstellen, der Ausgabe von Fundstellen bwz. im Begutachtungsfall in der Zumittlung eines besprochenen privaten Schallträgers. Diese Bandaussagen würden in der Kanzlei seines Auftraggebers übertragen und dienten - nicht unterschrieben als Entscheidungshilfen. In der Kanzlei seines Auftraggebers trete der Beschwerdeführer nicht in Erscheinung. Es sei zwischen ihm und seinem Auftraggeber auch ausdrücklich vereinbart, daß er nach außen hin nicht aufscheinen dürfe. Darüber hinaus handle es sich bei der Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers tatsächlich nicht um die Ausfertigung von Rechtsgutachten im eigentlichen Sinn, sondern um die Darstellung rechtlicher Erwägungen zu vorgegebenen Sachverhalten unter Hinweis auf ergangene Entscheidungen. Weder vor noch nach Aufnahme der Nebenbeschäftigung seien in der vom Beschwerdeführer geführten Gerichtsabteilung Verfahrensverzögerungen oder Ausfertigungsrückstände aufgetreten. Es sei auch nicht zu Erstattung von Befangenheitsanzeigen gekommen. Die Ausübung der Nebenbeschäftigung habe bisher keinen Einfluß auf die Erfüllung der richterlichen Dienstpflichten des Beschwerdeführers gehabt. Diesen Sachverhalt stellte die Behörde erster Instanz im wesentlichen aus den Angaben des Antragstellers fest.

Weiters wird in der Bescheidbegründung ausgeführt, trotz dieser scheinbar für den Beschwerdeführer sprechenden Sachverhaltsmerkmale, sprächen grundsätzliche rechtliche Überlegungen dagegen, die von ihm gemeldete Nebenbeschäftigung zur Kenntnis zu nehmen und nicht zu untersagen, weil sie der Würde des Richteramtes widerstreite. Eine Nebenbeschäftigung widerstreite der Würde des Amtes des Richters, wenn sie geeignet sei, das Ansehen des Richteramtes in der Bevölkerung zu schmälern. Eine Nebenbeschäftigung könne im Hinblick auf die Dienststellung des diese Nebenbeschäftigung Ausübenden auch dann der Würde des Richteramtes widerstreiten, wenn die ihr zugrunde liegende Tätigkeit an sich nicht negativ zu bewerten sei. Pflicht des Richters sei gemäß § 56 RDG sein Amt gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen. Vom Richter werde erwartet, sich ein Urteil über einen Sachverhalt erst nach Wahrung des Parteiengehörs zu bilden. Der Rechtsanwalt hingegen sei gemäß § 9 Abs. 1 RAO verpflichtet, die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Möge der Beschwerdeführer auch keine unmittelbare rechtsberatende Tätigkeit wie ein Rechtsanwalt ausüben, weil zwischen ihm und den Klienten noch der Auftraggeber stehe, so müsse sich eine Verpflichtung zu "parteilicher Betrachtungsweise" auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers niederschlagen, widrigenfalls der Auftraggeber seinen ihm als Rechtsanwalt obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommen könnte. Dazu komme, daß auch die Bestimmung des § 20 lit. a RAO die Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit der Führung eines besoldeten Staatsamtes (mit Ausnahme des Lehramtes) und mit der Ausübung des Notariates für unvereinbar erkläre. Eine vergleichbare Bestimmung finde sich im § 7 Abs. 1 der Notariatsordnung. Danach habe sich der Notar ausschließlich seinem Amt zu widmen und in seiner Amtsführung unabhängig und unparteiisch zu sein, woraus eine Zurückhaltung sogar gegenüber anderen Berufsgruppen und ihren Angehörigen abgeleitet werde. Die wechselseitige Unvereinbarkeit von Notariat und Rechtsanwaltschaft ergebe sich aus der Verschiedenheit der jeden der beiden Berufsstände im Rechtsleben zukommenden, von der Rechtsordnung zugewiesenen Aufgaben. Was für das Notariat gelte, habe umso mehr auch für das Richteramt zu gelten. Aber selbst der hinsichtlich Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dem Richter nahestehende Notar dürfe kein "besoldetes Staatsamt" ausüben. Aus diesen Überlegungen schloß die Behörde erster Instanz, ein Richter, welcher als Nebenbeschäftigung eine Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt ausübe, wobei es auf feine Unterschiede in der Gestaltung dieser Tätigkeit gar nicht ankomme, entspreche nicht jenem Bild, das sich das Volk von ihm als Träger einer der drei Staatsgewalten mache.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er vorbrachte, er würde keine Tätigkeit entfalten, wenn er der Überzeugung wäre, diese sei mit der Würde des Richteramtes unvereinbar oder seiner Tätigkeit abträglich. Die nebenberufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers beschränke sich auf die objektive Beurteilung und Auslegung von Rechtsvorschriften. Der Grundsatz des Parteiengehörs sei nur für die Urteilsfindung zwingend geboten. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers sei untergeordnet und stelle nur eine Unterstützung dar, in dem er sein erworbenes Wissen unverbindlich zur Verfügung stelle und Entscheidungshilfen im objektiven Sinn des Wortes anbiete. Die Befürchtung, daß sich die Verpflichtung nach § 9 Abs. 1 RAO zu einer "parteilichen Betrachtungsweise" auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers auswirken könne, sei ebenso unbegründet wie der Hinweis, daß widrigenfalls dessen Auftraggeber seiner ihm obliegenden Verpflichtung als Rechtsanwalt nicht nachkommen könnte. Die subjektive Betrachtung des Beschwerdeführers in einem Rechtsfall sei für dessen Schwiegervater ohne Interesse, weil es nicht gelte, Wunschvorstellungen zu vollziehen, sondern einen Sachverhalt unter Hinweis auf die Rechtsprechung und Lehre objektiv rechtlich beurteilen zu können. Diese Art der Nebenbeschäftigung bedeute eine Bereicherung der Rechtskenntnisse des Beschwerdeführers, weil Vertrags- und Verwaltungssachen zum wesentlichen Aufgabenbereich der Anwaltskanzlei zählten. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers unterscheide sich sehr wesentlich von jener, die üblicherweise bei einem Rechtsanwalt ausgeübt werde, weil sie sich auf die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes beschränke, der Beschwerdeführer weder in der Kanzlei anwesend sei, noch von ihm Schriftsätze verfaßt würden. Dazu komme die räumliche Entfernung zwischen Amtssitz und Anwaltskanzlei. Die im erstinstanzlichen Bescheid vorgetragene Rechtsansicht würde den Richter verpflichten, seine Tätigkeit auf das Richteramt zu beschränken und keine wie immer zu bezeichnende Nebentätigkeit entgeltlich oder unentgeltlich auszuüben. Auch bei nebenberuflicher Tätigkeit eines Richters im Rahmen einer politischen Partei, eines Kreditinstitutes, einer Genossenschaft, Kapitalgesellschaft und schließlich auch die Ausübung eines Abgeordnetenmandates lasse die Objektivität des Richters bei Ausübung des Richteramtes in Zweifel ziehen. Wenn aber beispielsweise die Tätigkeit eines Vorstehers eines Bezirksgerichtes mit der Tätigkeit des Bürgermeisters in derselben Gemeinde für zulässig erachtet worden sei, falle es schwer zu begreifen, daß die Nebentätigkeit des Beschwerdeführers als Verletzung der Würde des Richteramtes erkannt werden müßte.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Bescheidbegründung wird die Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers als "rechtliche Beurteilung von Sachverhalten" festgestellt. Diese würden ihm von seinem Schwiegervater (Auftragsgeber) vorgegeben. Er werde außerhalb der Kanzlei seines Vertragspartners tätig, unterliege hinsichtlich Ort und Zeit der Begutachtung keinem Weisungsrecht und habe keinen Kontakt mit den Klienten des Vertragspartners. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers für seinen Schwiegervater beschränke sich auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhalten auf Grund einer Information, die er beurteilen bzw. für die er in vergleichbaren Fällen ergangene Entscheidungen heraussuchen solle. Die Erledigung der Arbeit vollziehe sich hauptsächlich in der Herstellung von Ablichtungen von Entscheidungen oder Kommentarstellen, der Ausgabe von Fundstellen bzw. im Begutachtungsfall in der Zumittlung eines besprochenen privaten Schallträgers. Diese Banddiktate würden in der Kanzlei seines Auftraggebers übertragen und dienten - nicht unterschrieben als Entscheidungshilfen. In der Kanzlei seines Auftraggebers trete der Beschwerdeführer nicht in Erscheinung. Es sei zwischen ihm und seinem Auftraggeber ausdrücklich vereinbart, er dürfe nach außen hin nicht aufscheinen. Darüber hinaus handle es sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers für seinen Schwiegervater tatsächlich nicht um die Ausfertigung von Rechtsgutachten im eigentlichen Sinne, sondern lediglich um die Darstellung rechtlicher Erwägungen zu vorgegebenen Sachverhalten unter Hinweis auf ergangene Entscheidungen. Weder vor noch nach Aufnahme dieser Nebenbeschäftigung seien in der vom Beschwerdeführer geführten Gerichtsabteilung Verfahrensverzögerungen oder Ausfertigungsrückstände aufgetreten. Es sei auch nicht zu Erstattung von Befangenheitsanzeigen gekommen. Die Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers habe bisher keinen Einfluß auf die Erfüllung seiner richterlichen Dienstpflichten gehabt.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Bestimmung des § 63 Abs. 1 RDG, der Beschwerdeführer werde durch die Tätigkeit für seinen Schwiegervater in der Erfüllung seiner Dienstpflichten nicht behindert, weshalb der Untersagungsgrund des § 63 Abs. 1 zweiter Fall RDG nicht zu tragen komme. Der Annahme der Behörde erster Instanz, die Nebenbeschäftigung widerstreite der Würde des Amtes des Richters (§ 63 Abs. 1 erster Fall RDG), setze der Beschwerdeführer in seiner Berufung eine Reihe von Gründen entgegen, auf die nach Ansicht der belangten Behörde nicht einzugehen sei, weil sie als Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 berechtigt sei, in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle der Unterbehörde zu setzen. Sie vertritt die Rechtsmeinung, die Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers sei allein schon deshalb zu untersagen, weil sie jedenfalls die Vermutung der Befangenheit in Ausübung des Dienstes hervorrufen könnte (§ 63 Abs. 1 dritter Fall RDG). In diesem Fall genüge es, daß die Vermutung der Befangenheit in Ausübung des Dienstes hervorgerufen werden könnte. Unter Hinweis auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird weiter ausgeführt, der Beweis der Befangenheit sei hiebei ebensowenig erforderlich wie der Beweis, daß auch nur die Vermutung der Befangenheit tatsächlich in einem konkreten Fall entstanden sei. Es genüge vielmehr schon die - nach der Art der konkreten Nebenbeschäftigung und der Art des tatsächlich ausgeübten Dienstes zu beurteilende - Möglichkeit der Entstehung einer Befangenheitsvermutung; eben diese Möglichkeit lasse sich nach Auffassung der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht ausschließen. Der Inhalt der Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers liege in der juristischen Aufbereitung eines Sachverhaltes nach Maßgabe der zu vergleichbaren Fällen vorhandenen Lehre und Rechtsprechung; der Beschwerdeführer übe diese Tätigkeit gegen Entgelt erwerbsmäßig für einen in die Liste der Rechtsanwälte eingetragenen Rechtsanwalt in X, also im Interesse eines berufsmäßigen Parteienvertreters, aus. Daß diese seine Tätigkeit bei den Gerichten in Graz nicht bekannt würde, widerspreche der Lebenserfahrung, möge der Beschwerdeführer auch mit seinem Vertragspartner vereinbart haben, daß sein Name in den den Einzelfall betreffenden Schriftsätzen nicht genannt werde und er somit nach außen nicht aufscheine. Im Hauptberuf sei der Beschwerdeführer Streitrichter beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; auch in dieser Eigenschaft sei er mit der juristischen Subsumtion von Sachverhalten befaßt. Ferner gehöre der Kontakt mit Parteien und deren - in der Regel berufsmäßig - Vertretern zum Wesen seines Dienstes. Daß auf Seite dieser Parteien und ihrer Vertreter gegen einen im Nebenberuf für einen anderen Parteienvertreter juristisch tätigen Richter die Vermutung der Befangenheit in Ausübung des Dienstes entstehen könnte, ließe sich nicht von der Hand weisen. Es wäre zu eng, wollte man die Möglichkeit der Entstehung der Vermutung der Befangenheit begrifflich ausschließen, indem man die Betrachtung auf jene Fälle beschränke, in denen der Schwiegervater und Vertragspartner des Beschwerdeführers als Parteienvertreter auftrete und der Beschwerdeführer daher ohnedies aus dem Grunde des § 20 Z. 2 der Jurisdiktionsnorm von der Ausübung des Richteramtes in bürgerlichen Rechtssachen ausgeschlossen wäre. Die Vermutung der Befangenheit könnte vielmehr mindestens ebenso aus dem allgemeinen Konkurrenzverhältnis der Parteienvertreter (einschließlich des Schwiegervaters des Beschwerdeführers) untereinander entstehen, somit auch in Fällen, in denen der Schwiegervater des Beschwerdeführers selbst nicht Parteienvertreter und der Beschwerdeführer auch nicht vom Richteramt ausgeschlossen sei. Die Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers erweise sich damit aus dem Grund des § 63 Abs. 1 dritter Fall RDG als unzulässig, sodaß es dahingestellt bleiben könne, ob die Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers darüber hinaus auch der Würde des Richteramtes widerstreite.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich dem Inhalt der Beschwerdeschrift nach in seinem Recht auf Ausübung der angezeigten Nebenbeschäftigung verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 1 des Richterdienstgesetzes (RDG) darf der Richter neben seinem Amt keiner Beschäftigung nachgehen und keine Stellung annehmen, die der Würde seines Amtes widerstreiten oder die ihn in der Erfüllung seiner Dienstpflichten behindern oder die Vermutung der Befangenheit in Ausübung des Dienstes hervorrufen könnten.

Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Frage strittig, ob die ihrem Inhalt nach unbestritten festgestellte Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers die Vermutung der Befangenheit in Ausübung des Dienstes hervorrufen könnte (§ 63 Abs. 1 dritter Fall RDG).

Der Wortlaut der hier anzuwendenden Bestimmung entspricht jener des § 33 Abs. 1 der Dienstpragmatik, sodaß die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesem Gesetz entwickelten Grundsätze im Beschwerdefall herangezogen werden können. So hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. März 1969, Zl. 1113/68 ausgesprochen, daß in diesem Fall der Beweis der Befangenheit nicht erforderlich ist. Allerdings kann nur eine begründete Vermutung der Befangenheit des Beschwerdeführers in Ausübung des von ihm tatsächlich ausgeübten Dienstes eine Untersagung der Nebenbeschäftigung rechtfertigen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juni 1970, Zl. 58/70 Slg. N.F. Nr. 7820/A).

Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage erweist sich die Rechtsauffassung der belangten Behörde, die festgestellte Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers könnte die Vermutung seiner Befangenheit hervorrufen, nicht als rechtswidrig. Insbesondere ist aus dem besonderen Verhältnis des Streitrichters zu den Parteienvertretern im Zivilprozeß ein ständiger Kontakt mit Personen unvermeidlich, die in einem Konkurrenzverhältnis zu seinem Auftraggeber stehen notwendig verbunden. Auch wenn der Auftraggeber des Beschwerdeführers seine Rechtsanwaltskanzlei in einem benachbarten Gerichtssprengel (Leoben) hat, bestehen dennoch häufig Vertretungsverhältnisse von Rechtsanwälten, die über den unmittelbaren Sprengel des Gerichts sein Einschreiten bei benachbarten Gerichten erforderlich machen. Der Ausschluß des Beschwerdeführers als Richter in einer Zivilrechtssache, in der sein Vertragspartner als Parteienvertreter auftritt, macht die Vermutung der Befangenheit in Ausübung seines Dienstes keineswegs denkunmöglich, wie der Beschwerdeführer vermeint, weil etwa im Falle eines Vollmachtswechsels kein Ausschlußgrund vorläge.

Darüber hinaus ist der Ansicht der belangten Behörde zuzustimmen, daß aus dem allgemeinen Konkurrenzverhältnis der Parteienvertreter untereinander, auch in Fällen, in denen der Schwiegervater des Beschwerdeführers selbst nicht als Parteienvertreter auftritt, gegenüber einem Richter, der in anderen Fällen für einen Parteienvertreter als Rechtsberater tätig geworden ist, die Vermutung der Befangenheit bestehen bleiben könnte. Die Nebenbeschäftigung der erwerbsmäßigen Beratung eines Rechtsanwaltes in Rechtsfragen könnte aber darüber hinaus in Kreisen der rechtssuchenden Bevölkerung die Möglichkeit entstehen lassen, die Unbefangenheit eines solchen Richters im allgemeinen in Zweifel zu ziehen. So wäre es auch möglich, daß dem Richter die Vermutung der Befangenheit in Ausübung des Dienstes wegen seiner beratenden Tätigkeit für einen Rechtsanwalt in Fällen unterstellt würde, in welchen er keine derartige Tätigkeit ausgeübt hat. Dies umsomehr, als auf Grund des festgestellten Sachverhaltes seine Tätigkeit nach außenhin überhaupt nicht in Erscheinung treten soll. Demnach ließe sich aber nie objektiv feststellen, in welchen Fällen er tatsächlich im Rahmen seiner Nebenbeschäftigung als Rechtsberater eines Parteienvertreters tätig gewesen ist.

Die belangte Behörde hat auch auf Grund von Erfahrungswerten unbedenklich festgestellt, daß eine derartige Tätigkeit eines Richters, unabhängig vom Inhalt seiner Vereinbarungen mit dem Vertragspartner, nicht unbekannt bleiben würde. Es ist vielmehr mit Recht zu vermuten, daß über die Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers Gerüchte entstehen könnten, die diese in einem für ihn ungünstigeren Licht erscheinen ließen, als sie sich nach dem von ihm dargestellten Tätigkeitsbild festgestellt wurde. Gerade wegen der dem Richter gemäß § 57 Abs. 1 RDG auferlegten besonderen Pflichten, sein Amt gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen, ist bei einer erwerbsmäßigen Nebenbeschäftigung, die unmittelbar im dienstlichen Aufgabenbereich des Beamten ausgeübt werden soll, ein strenger Maßstab anzulegen, um auch nur den Anschein einer Parteilichkeit oder Eigennützigkeit bei der Ausübung des Amtes zu vermeiden.

Demgegenüber trifft die Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu, dem Richter sei jede Nebenbeschäftigung verboten, wenn man die Rechtsmeinung der belangten Behörde teile, weil eine gesellschaftliche oder politische Tätigkeit des Richters an sich noch nicht die Vermutung der Befangenheit hervorrufen kann.

Geht man von der dargestellten Rechtslage aus, dann erweist sich auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers als unbegründet. Insbesondere ist die Anhörung der Standesvertretung des Beschwerdeführers - der Vereinigung der österreichischen Richter und Staatsanwälte, Sektion Steiermark - im Gesetz nicht vorgesehen, sodaß eine Verletzung von Verfahrensvorschriften diesbezüglich nicht vorliegt. Im übrigen wird unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes unter Heranziehung von Erfahrungswerten bekämpft. Diese Ausführungen sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Es erübrigt sich daher, über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag gemäß § 30 Abs. 2 VwGG abzusprechen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 23. Juni 1986

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