VwGH 86/12/0004

VwGH86/12/000412.10.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Drexler, Dr. Herberth und Dr. Germ als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Janistyn, über die Beschwerde des RG in S, vertreten durch Dr. Walter Riedl , Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs‑Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 6. November 1985, Zl. 290.501/11‑2.1/85, betreffend Fahrtkostenzuschuß gemäß § 20b des Gehaltsgesetzes 1956, zu Recht erkannt:

Normen

GehG 1956 §20b
GehG 1956 §20b Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986120004.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der in S wohnhafte Beschwerdeführer steht als Stabswachtmeister in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich. Seine Dienststelle ist das Landwehrstammregiment 43/3, Ausbildungskompanie, in W.

Über Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Jänner 1984 stellte das Korpskommando II mit Bescheid vom 17. August 1984 fest, daß dem Beschwerdeführer gemäß § 20b Abs. 1 und 8 des Gehaltsgesetzes 1956 für die regelmäßige Zurücklegung der Wegstrecke zwischen seiner in W gelegenen Dienststelle und der nächstgelegenen Wohnung in S auf die Dauer des ungeänderten Fortbestandes der derzeitigen Voraussetzungen und der derzeitigen Tarife ein monatlicher Fahrtkostenzuschuß von S 474,-- gebührt. Das Begehren des Beschwerdeführers auf Berücksichtigung der Kosten der Schnellzugsbenützung von S nach W und zurück wurde gemäß § 20b Abs. 1 Z. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Berufung, in welcher er im wesentlichen einwendete, daß seine tägliche Zeitersparnis, wenn er anstelle von Personen- oder Eilzügen Schnellzüge verwenden würde, nicht, wie er bisher angegeben habe, 48, sondern 57 Minuten betrage. Wenn im „Verlautbarungsblatt 89/75 S.224 Abs. 1“ ausgeführt werde, daß „eine Zeiteinbuße von mindestens einer Stunde täglich im Verhältnis zur günstigsten Fahrtverbindung als erfüllte Voraussetzung zur Vergütung des Schnellzugszuschlages“ ausreichend sei, so stellten diese Darlegungen lediglich „ein Beispiel“ dar; es würde aber damit nicht festgelegt, daß eine Zeiteinbuße von knapp unter einer Stunde täglich (z.B. also 57 Minuten) nicht „ebenfalls die Voraussetzung für die Vergütung des Schnellzugszuschlages erfüllen kann“.

Das rechtzeitige Erscheinen des Beschwerdeführers an seinem Dienstort bei Benützung des Schnellzuges sei gewährleistet, da mehrere seiner Kollegen die Strecke Bahnhof W-Kaserne mit ihrem privaten Kraftfahrzeug zurücklegten und den Beschwerdeführer mitnehmen würden.

Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und der Anhörung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde dem Rechtsmittel mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nicht statt. In der Begründung führte sie im wesentlichen folgendes aus:

Der Beschwerdeführer habe jeweils Montag bis Donnerstag eine Dienstzeit von 7.30 bis 15.45 Uhr, am Freitag eine solche von 7.30 bis 15.30 Uhr. Fallweise habe er anläßlich des Bekleidungstausches, bei Taggeldauszahlungen usw. Dienst über diese Normdienstzeiten hinaus zu erbringen, wobei nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers an solchen Tagen das Ende seines Dienstes zwischen 16.15 und 21.15 Uhr schwanken könne. Die kürzeste „gang- oder befahrbare“ Wegstrecke zwischen dem Bahnhof W und der Dienststelle des Beschwerdeführers betrage ungefähr 2.300 Meter; der für die Zurücklegung dieser Strecke erforderliche Zeitaufwand könne mit etwa 25 Minuten veranschlagt werden.

Zwischen S (Wohnort des Beschwerdeführers) und W (Dienstort des Beschwerdeführers) hätten zum Zeitpunkt des Antrages des Beschwerdeführers folgende Bahnverbindungen bestanden:

S

ab 05.56 Uhr

E-625

oder

06.20 Uhr

D-499

W

ab 07.05 Uhr

E-625

oder

07.10 Uhr

D-499

W

ab 16.39 Uhr

Ex-228

oder

16.43 Uhr

P-3336

S

an 17.22 Uhr

Ex-228

oder

17.55 Uhr

P-3336

      

Da der Dienst des Beschwerdeführers im allgemeinen um 15.45 Uhr ende, seien für die Rückreise zu Vergleichszwecken der Ex-228 und der P-3336 heranzuziehen, während für die Anreise „unbestrittenermaßen der Eilzug 625 die zweckmäßigste Verbindung darstellt“, weil dieser lediglich 24 Minuten vor dem D‑499 von S abfahre, dafür aber bereits um 07.05 Uhr in W ankomme und somit das rechtzeitige Erreichen der Dienststelle um 7.30 Uhr gewährleiste, während dies bei einem Eintreffen in W mit dem D-499 um 07.10 Uhr bei einer Fußwegstrecke von 2.300 Metern nicht sichergestellt sei.

An Fahrtauslagen seien die Aufwendungen für das billigste in Betracht kommende öffentliche Beförderungsmittel nach dem günstigsten Tarif einschließlich der Kosten der notwendigen Benützung eines innerstädtischen Massenbeförderungsmittels zu berücksichtigen. Ausnahmen von dieser Regelung seien unter anderem dann zulässig

1. wenn durch die Benützung des billigsten öffentlichen Beförderungsmittels die Einhaltung der vorgeschriebenen Dienstzeit nicht möglich wäre,

2. wenn der Bedienstete mit dem billigsten öffentlichen Beförderungsmittel eine unverhältnismäßig längere Hinreise- oder Rückreisezeit aufwenden müßte als mit einem anderen öffentlichen Beförderungsmittel oder

3. wenn der Bedienstete mit dem billigsten öffentlichen Beförderungsmittel erheblich vor Dienstbeginn bei seiner Dienststelle eintreffen würde oder erst erheblich nach Dienstschluß die Rückreise antreten könnte.

Die im Punkt 2 und 3 angeführten Voraussetzungen würden beispielsweise dann erfüllt sein, wenn die tägliche Zeiteinbuße des Beamten im Verhältnis zur günstigsten Fahrtverbindung etwa eine Stunde betrage. Unter diesen Voraussetzungen könnte auch die Vergütung eines Schnellzugszuschlages in Betracht kommen.

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens sei neben den oben angeführten Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Züge und den Möglichkeiten der Zurücklegung der Wegstrecke Bahnhof Kaserne und des zeitgerechten Eintreffens an der Dienststelle zu Dienstbeginn auch erhoben worden, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 13. April 1984 bis 27. September 1984 (das entspreche 118 Arbeitstagen) an insgesamt 21 Tagen über die normale Dienstzeit hinaus Dienst versehen habe. Davon seien jedoch 6 Tage auf die im zweijährigen Rhythmus stattfindende „BTÜ“ entfallen. Dienstleistungen im Rahmen von militärischen Übungen bzw. von Journaldiensten wären aber von vorneherein auszuscheiden, da an solchen Tagen eine Rückkehr in den Wohnort auf Grund der Art des Dienstes nicht in Frage komme.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, daß er auf Grund seiner Tätigkeit des öfteren Dienstleistungen über die Normaldienstzeit erbringe und daher gezwungen sei, den D-Zug mit der Abfahrt von W um 16.39 Uhr zu benützen, müsse ihm entgegen gehalten werden, daß er nach seinen eigenen Angaben sowie nach den Angaben seiner Dienststelle derartige Dienstleistungen überwiegend nach 16.15 Uhr beendet habe, in einem solchen Fall aber der D-Zug unter Berücksichtigung der Wegstrecke Kaserne-Bahnhof W „keinesfalls“ benützt werden könne. Wohl aber würde in solchen Fällen eine Reihe von Regionalzügen für den Beschwerdeführer zwecks Zurücklegung der Wegstrecke vom Dienst- zum Wohnort zweckmäßigerweise in Betracht kommen.

Festgestellt müsse noch werden, daß der Zug Ex-228 mit Inkrafttreten des Sommerfahrplanes mit 2. Juni 1985 W bereits um 16.07 Uhr verlasse, sodaß er im Hinblick auf das normale Dienstende des Beschwerdeführers um 15.45 Uhr und die anzunehmende 25-minütige Wegzeit von der Kaserne zum Bahnhof W vom Beschwerdeführer wohl kaum zu erreichen sei.

Nach dem Angeführten sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20b Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 gebührt dem Beamten ein Fahrtkostenzuschuß, wenn die Wegstrecke zwischen der Dienststelle und der nächstgelegenen Wohnung mehr als 2 km beträgt, er diese Wegstrecke an Arbeitstagen regelmäßig zurücklegt und die monatlichen Fahrtauslagen für das billigste öffentliche Beförderungsmittel, das für den Beamten zweckmäßigerweise in Betracht kommt, den Fahrtkostenanteil übersteigen, den der Beamte nach Abs. 3 selbst zu tragen hat.

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, daß dem Beschwerdeführer grundsätzlich ein monatlicher Fahrtkostenzuschuß gebührt. In Streit steht nur, ob ihm auch der Schnellzugszuschlag zu gewähren ist oder nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 13. April 1972, Zl. 342/72), von welcher abzugehen auch im Streitfall keine Veranlassung zu erblicken ist, ist bei Gewährung eines bestimmten Fahrtkostenzuschusses nach dem Gesetz nicht das zweckmäßigere Beförderungsmittel in Betracht zu ziehen sondern ein Beförderungsmittel, das zweckmäßigerweise benutzt wird. Eine Auswahlmöglichkeit zieht das Gesetz nur bei der Höhe der Kosten durch die Verwendung der Steigerungsstufe „billigste“ in Betracht (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1986, Zl. 85/12/0099).

In der Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, daß kein Streit darüber bestehe, daß der Beschwerdeführer grundsätzlich - auf die offenbar nur wenigen Tage, an welchen er seinen Dienst nicht zum normalen, sondern aus dienstlichen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt beendet, wird im verwaltungsgerichtlichen Verfahren konkret nicht mehr eingegangen - bei Nichtbenutzung der Schnellzugsverbindungen zwischen seinem Wohn- und Dienstort und zurück täglich eine Zeiteinbuße von 57 Minuten erleiden würde. Demgegenüber betrage der Preisunterschied zwischen einer Monatsstreckenkarte nur für Personen- und Eilzüge und einer solchen für alle (also auch Schnell-)züge nur S 232,--. Das bedeute aber nichts anderes, als daß mit einem Betrag von rund S 11,-- täglich je Arbeitstag eine Zeitersparnis von rund einer Stunde erworben werden könne. Es müsse „als vollkommen lebensfremd bezeichnet werden, daß jemand von einer solchen Möglichkeit nicht Gebrauch macht, sei es um länger bei seiner Familie sein zu können, sei es, um seine Freizeit nach seinen Vorstellungen gestalten zu können oder sei es auch nur der besseren Erholung wegen“.

Der Verwaltungsgerichtshof ist durchaus der Auffassung des Beschwerdeführers, daß es im Hinblick auf den im konkreten Fall gegebenen Sachverhalt in der Regel vorteilhafter sein wird, zur Vermeidung des von beiden Parteien angenommenen Zeitverlustes des Beschwerdeführers eine Monatskarte mit Schnellzugszuschlag zu erwerben. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß der Unterschiedsbetrag auch gemäß § 20b des Gehaltsgesetzes 1955 vergütungsfähig ist. Der Verwaltungsgerichtshof teilt vielmehr die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß im Beschwerdefall ein in der Regel gegebener Zeitverlust von unbestrittenermaßen nicht einmal einer Stunde, der sich für die tägliche Hin- und Rückfahrt bei Benützung von Personen- oder Eilzügen ergibt, nicht unzumutbar ist und daher nicht zur Folge haben kann, daß dieses billigste öffentliche Verkehrsmittel als „zweckmäßigerweise nicht in Betracht kommend“ zu werten wäre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 13. April 1972, Zl. 342/72) ist bei der Gewährung eines Fahrtkostenzuschusses nach dem Gesetz nicht das zweckmäßigere Beförderungsmittel in Betracht zu ziehen, sondern ein Beförderungsmittel, das zweckmäßigerweise benutzt wird. Die Beurteilung hat sich nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1979, Zl. 2503/79, auf die Gesamtheit aller Kriterien zu beziehen, die für eine solche Entscheidung bei objektiver Betrachtungsweise als erheblich anzusehen sind.

§ 20b des Gehaltsgesetzes 1956 enthält keine ausdrückliche Regelung über den Anspruch auf den Ersatz eines Schnellzugszuschlages. Das Gesetz ist daher aus sich („zweckmäßigerweise“, „billigste“) und aus verwandten Rechtsvorschriften auszulegen.

Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 20. Oktober 1960, Zl. 1579/58, Slg. N.F. Nr. 5393/A) und Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis vom 25. Juni 1958, B 56/58, Slg. Nr. 3367/1958) haben zu der Verwaltungspraxis, den Trennungszuschuß nach § 34 Abs. 4 der Reisegebührenvorschrift 1955 über sechs Monate hinaus dann nicht zu gewähren, wenn die reine Fahrzeit zwischen Wohnort und Dienstort höchstens eine halbe Stunde beträgt, übereinstimmend ausgesprochen, daß dies nicht dem Gesetz widerspricht. Diese Rechtsprechung läßt sich auf den Fahrtkostenzuschuß nicht ohne weiteres übertragen, weil auf den Fahrtkostenzuschuß bei Zutreffen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht und daher von einer zulässigen Ermessensübung nicht gesprochen werden kann; sie bezieht sich darüber hinaus nicht auf die Frage, welcher Teil eines Fahrgeldes (hier: Schnellzugszuschlag) zum Zuschuß gebührt, sondern ob der Zuschuß überhaupt in Anspruch genommen werden kann oder nicht.

Eine andere Stelle der Reisegebührenvorschrift 1955 bezieht sich ausdrücklich auf den Schnellzugszuschlag. Nach § 6 Abs. 1 zweiter Satz dieser Vorschrift dürfen Schnellzüge für Entfernungen bis zu 50 Bahnkilometern nur mit Bewilligung der Dienststelle benützt werden. Dies bedeutet, daß der Beamte bei einer Dienstreise auf eine Entfernung von mehr als 50 Bahnkilometern ohne weiteres den Schnellzug benützen und den Schnellzugszuschlag verrechnen darf.

Ausgehend von diesen Überlegungen ergibt sich für den Beschwerdefall, in dem der tägliche Zeitgewinn des Beschwerdeführers durch die Benützung eines Schnellzuges wesentlich mehr als eine halbe Stunde (knapp eine Stunde) und die Entfernung zwischen dem Wohnort und dem Dienstort mehr als 50 Bahnkilometer beträgt, daß der Schnellzug das Beförderungsmittel ist, das zweckmäßigerweise benützt wird.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; er war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 12. Oktober 1987

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