European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986110142.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
An den Beschwerdeführer erging folgende, mit 12. Februar 1986 datierte, Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Hermagor:
"Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Hermagor .... wurde über Sie wegen Übertretung nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 101 Abs. 1 lit. a des KFG 1967 eine Geldstrafe .... verhängt, weil Sie am 16. 12. 1985 den Lkw-Zug .... gelenkt und dabei das höchst zulässige Gesamtgewicht überschritten haben. Die Gewichtsüberschreitung wurde durch die städtische Waage in Lienz festgestellt und beträgt die Wiegegebühr S 283,90. Wurde eine Überschreitung des höchst zulässigen Gewichtes festgestellt, so hat gemäß § 101 Abs. 7 des KFG 1967 der Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges die Kosten des Wägens zu ersetzen.
Sie werden daher ersucht, diesen Betrag innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens zur Einzahlung zu bringen."
Diese Erledigung qualifizierte der Beschwerdeführer als Bescheid und erhob dagegen Berufung.
Mit "Kostenbescheid" der Bezirkshauptmannschaft vom 14. März 1986 wurde der Beschwerdeführer "gemäß § 64 Abs. 3 des VStG 1950 in Verbindung mit § 101 Abs. 7 des KFG 1967" verpflichtet, den Betrag von S 283,90 binnen zwei Wochen zu bezahlen. Der Bescheid enthält eine mit der Erledigung vom 12. Februar 1986 übereinstimmende Begründung und die (Rechtsmittel)-Belehrung, daß dagegen Vorstellung erhoben werden kann.
Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die zuletzt genannte Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde vom 14. März 1986 als unzulässig zurückgewiesen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, daß es im vorliegenden Beschwerdeverfahren nur um die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hermagor vom 14. März 1986 geht. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Kostenvorschreibung hat ebenso außer Betracht zu bleiben wie die Frage, ob die Erledigung vom 12. Februar 1986 ein Bescheid war oder nicht.
Die belangte Behörde hat die Zurückweisung der Berufung damit begründet, daß es sich bei dem Bescheid vom 14. März 1986 um einen Mandatsbescheid nach § 57 AVG 1950 gehandelt habe, gegen den nicht die Berufung, sondern eine Vorstellung zulässig gewesen wäre. Die als Berufung bezeichnete Eingabe könne nicht in eine Vorstellung umgedeutet werden, sondern müsse als unzulässige Berufung behandelt und zurückgewiesen werden.
Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hermagor vom 14. März 1986 ist kein Mandatsbescheid im Sinne des § 57 AVG 1950.
Die Erstbehörde hat im Spruch ihres Bescheides § 101 Abs. 7 KFG 1967 zitiert. Nach dieser Bestimmung hat der Zulassungsbesitzer eines Fahrzeuges die Kosten des auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Wägens des Fahrzeuges, bei dem eine Überschreitung u. a. des höchsten zulässigen Gesamtgewichtes festgestellt wurde, zu ersetzen. Der dort vorgesehene Kostenersatz erfolgt außerhalb eines Verwaltungsstrafverfahrens; sofern die übrigen Voraussetzungen des § 57 AVG 1950 gegeben sind, kann die Behörde den Kostenersatzbescheid auch in Form eines Mandatsbescheides im Sinne des § 57 AVG 1950 erlassen. Die Behörde muß dies aber in einer für die Partei erkennbaren Weise tun. Die Erlassung eines Mandatsbescheides ist gegenüber der Erlassung eines Bescheides nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Ausnahme. Im Zweifel muß daher davon ausgegangen werden, daß nicht ein Bescheid im Sinne des § 57 AVG 1950 mit den daran geknüpften Konsequenzen erlassen worden ist. Wenngleich es im gegebenen Zusammenhang nicht auf die ausdrückliche Nennung des § 57 AVG 1950 oder die Bezeichnung als "Mandatsbescheid" ankommt - diesbezüglich unterscheidet sich die Rechtslage nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 von der nach § 9 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes, nach dessen Abs. 1 letzter Satz ein Dienstrechtsmandat ausdrücklich als solches zu bezeichnen ist (vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 4881/1964) - so muß die Behörde doch unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß sie von der Möglichkeit des § 57 AVG 1950 Gebrauch gemacht hat.
Für den Beschwerdeführer war diese Erkennbarkeit nicht gegeben. Der Bescheid vom 14. März 1986 trägt nicht die Bezeichnung als Mandatsbescheid. § 57 AVG 1950 wird weder im Spruch noch in der Begründung zitiert. Es wird auch nicht begründet, wieso die Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Mandatsbescheides als gegeben erachtet hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1931, Zl. A 183/31, zitiert bei Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren8, S. 870f, und bei Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts3, S. 187). Die Erstbehörde hat auch schon vorher, nämlich mit der Erledigung vom 12. Februar 1986, den Kostenersatzanspruch gegenüber dem Beschwerdeführer geltend gemacht und der Beschwerdeführer hat sich dazu, in Form seiner "Berufung", geäußert. Lediglich die Rechtsmittelbelehrung, daß gegen den Bescheid eine Vorstellung zulässig sei, deutet auf das Vorliegen eines Mandatsbescheides. Dieser Umstand allein reicht aber zu der Qualifikation als Mandatsbescheid nicht aus. Kein anderer der genannten maßgeblichen Umstände läßt den Bescheid als Mandatsbescheid erscheinen, die Durchführung eines "Ermittlungsverfahrens" mit Parteiengehör für den Beschwerdeführer spricht sogar dagegen. Dasselbe gilt auch für die Zitierung des § 64 Abs. 3 VStG 1950 im Spruch des Bescheides, weil § 57 AVG 1950 im Verwaltungsstrafverfahren nicht anwendbar ist (§ 24 zweiter Satz VStG 1950).
Die Rechtsmittelbelehrung ist daher unrichtig. Das aber hat zur Folge, daß die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung zulässig war. Dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 kann als Grundgedanke entnommen werden, daß eine fehlende oder unrichtige Rechtsmittelbelehrung keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit einer Berufung hat (vgl. § 61 Abs. 2 AVG 1950). Die belangte Behörde hätte die - nach dem Gesagten zulässige - Berufung des Beschwerdeführers nicht zurückweisen dürfen.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis brauchte auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht eingegangen zu werden. Bemerkt wird lediglich, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht vorliegt, weil sie jedenfalls zur Entscheidung über eine Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hermagor - ungeachtet der Rechtswidrigkeit der von ihr ausgesprochenen Zurückweisung - zuständig war.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da der Beschwerde lediglich eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde anzuschließen war; die für die Vorlage eines weiteren Bescheides der belangten Behörde entrichteten Stempelgebühren konnten nicht ersetzt werden.
Wien, am 17. Dezember 1986
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