VwGH 86/11/0122

VwGH86/11/012230.1.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde des Dr. WV in W, vertreten durch den als Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt Dr. Günter Steiner in Wien VII, Mariahilfer Straße 4/4, gegen 1. den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juli 1986, Zl. MA 70‑12/181/86, betreffend Auftrag zur Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln (erstangefochtener Bescheid), 2. den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juli 1986, Zl. MA 70‑12/181/86, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe (zweitangefochtener Bescheid), zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §44 Abs1 litc
KFG 1967 §44 Abs4
VVG §5
VwGG §30 Abs2
VwGG §30 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986110122.X00

 

Spruch:

Der erstangefochtene Bescheid wird im Umfang des Ausspruches betreffend den Auftrag zur unverzüglichen Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der zweitangefochtene Bescheid wird zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 18.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. Oktober 1981 wurde die Zulassung des Personenkraftwagens des Beschwerdeführers mit dem Kennzeichen W nnn zum Verkehr wegen Nichtentrichtung der Kfz‑Steuer gemäß § 9 Abs. 3 KfzStG aufgehoben. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der (im Devolutionswege zuständig gewordene) Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr mit Bescheid vom 31. Jänner 1986 keine Folge. Dem Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gab der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 23. Juni 1986, Zl. AW 86/11/0009, statt. Der Beschluß wurde dem Beschwerdeführer am 8. Juli, der damals belangten Behörde am 9. Juli 1986 zugestellt.

Auf Grund einer Anzeige des Haftpflichtversicherers nach § 61 Abs. 4 KFG 1967 sprach die Bundespolizeidirektion Wien mit Mandatsbescheid vom 18. September 1985 gemäß § 44 Abs. 1 lit. c leg. cit. neuerlich die Aufhebung der Zulassung des oben bezeichneten Pkws zum Verkehr aus. Gleichzeitig erteilte sie dem Beschwerdeführer gemäß § 44 Abs. 4 KFG 1967 den Auftrag zur unverzüglichen Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. Dezember 1985 wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Mandatsbescheid keine Folge gegeben und dieser bestätigt sowie die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen. Dies mit der Begründung, es bestehe keine Haftpflichtversicherung für das Kraftfahrzeug und es sei im vorrangigen Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit, die Teilnahme nicht versicherter Kraftfahrzeuge am Verkehr raschestmöglich zu unterbinden.

Mit Bescheid vom 10. Jänner 1986 verhängte die Bundespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer gemäß § 5 VVG 1950 eine Geldstrafe von S 3.000,--, weil er seiner Verpflichtung zur Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln trotz Aufforderung nicht nachgekommen sei.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. Dezember 1985 hinsichtlich des Ausspruches über die Aufhebung der Zulassung zum Verkehr Folge gegeben und dieser Spruchteil aufgehoben, hingegen der Auftrag zur unverzüglichen Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln bestätigt.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. Jänner 1986 betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe keine Folge gegeben und dieser Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 „in Verbindung mit § 10 Abs. 2 lit. a“ VVG 1950 bestätigt.

Mit seiner gegen den erst- und zweitangefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer dem gesamten Vorbringen zufolge den zweitangefochtenen Bescheid zur Gänze, hingegen den erstangefochtenen Bescheid nur im Umfang des mit diesem bestätigten Auftrages zur unverzüglichen Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln. Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung beider Bescheide. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält die angefochtenen Bescheide deshalb für rechtswidrig, weil die „Vollstreckungsverfügung“ (im gegebenen Zusammenhang ist damit der Auftrag zur Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln gemeint) im Hinblick auf die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1986, Zl. AW 86/11/0009, nicht hätte bestätigt werden dürfen und aus diesem Grunde auch die Zwangsstrafenverhängung unzulässig gewesen sei. Für die letztere Maßnahme habe überdies zufolge der Aufhebung der Bescheide der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. September 1985 und vom 27. Dezember 1985 im Umfang ihres Ausspruches über die Aufhebung der Zulassung des Pkws zum Verkehr ein Exekutionstitel (Titelbescheid) gefehlt.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug ... für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle ist auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden, wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben. Gemäß § 30 Abs. 3 zweiter Satz VwGG hat die Behörde im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung den Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Verfügungen zu treffen. Unter „Vollzug“ im Sinne des § 30 Abs. 2 (und 3) VwGG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Beschluß eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg. Nr. 10.381/A) die Umsetzung eines Bescheides in die Wirklichkeit zu verstehen (dies im Sinne der Herstellung sowohl der dem Bescheidinhalt entsprechenden materiellen Rechtslage als auch des ihr entsprechenden faktischen Zustandes).

Im Hinblick auf die mit dem Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 31. Jänner 1986 rechts: kräftig verfügte Aufhebung der Zulassung des Pkws des Beschwerdeführers zum Verkehr hat die belangte Behörde mit dem erstangefochtenen Bescheid zu Recht den inhaltsgleichen Ausspruch des Bescheides der Erstbehörde vom 27. Dezember 1985 mit der Begründung aufgehoben, es stünde dieser Entscheidung ein bereits rechtskräftiger Bescheid entgegen. Sie hat weiters zutreffend im bezeichneten Bescheid des Bundesministers die nunmehrige Grundlage für den Auftrag zur Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln sowie für die Verhängung einer Zwangsstrafe erblickt. Für letztere Maßnahme lag entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ein Exekutionstitel (Titelbescheid) in Form des von der belangten Behörde mit dem erstangefochtenen Bescheid bestätigten bescheidmäßigen Auftrages zur Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln vor. Zu Recht hat die belangte Behörde (in der Gegenschrift) weiters den Bescheid des Bundesministers, mit dem die Aufhebung der Zulassung zum Verkehr rechtskräftig ausgesprochen worden ist, als einen der Vollstreckung im Sinne des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1950 nicht zugänglichen Rechtsgestaltungsbescheid und den Bescheid, mit dem der mehrfach erwähnte Abgabeauftrag erteilt worden ist, als Exekutionstitel (Titelbescheid) für die von ihr ebenfalls bestätigte Vollstreckungsverfügung (Verhängung einer Zwangsstrafe) bezeichnet. Die belangte Behörde hätte aber im Hinblick auf § 30 Abs. 3 zweiter Satz VwGG davon ausgehen müssen, daß der mit dem erstangefochtenen Bescheid bestätigte Auftrag zur unverzüglichen Abgabe des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln und die mit dem zweitangefochtenen Bescheid bestätigte Zwangsstrafe als der „Umsetzung in die Wirklichkeit“ des Bescheides des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 31. Jänner 1986 dienende Maßnahmen in dessen „Vollzug“ ergangen sind, dem aber der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1986 über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegengestanden ist. Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, daß angesichts des im Beschwerdefall herangezogenen Aufhebungstatbestandes des § 44 Abs. 1 lit. c KFG 1967 - dessen Vorliegen vorausgesetzt - rasches Handeln geboten war. Dazu hätte aber im Sinne des § 30 Abs. 2 zweiter Satz VwGG unter Hinweis auf die geänderten Voraussetzungen zunächst - im Wege des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr als der im Verfahren betreffend die Aufhebung der Zulassung belangten Behörde - eine neuerliche (anderslautende) Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die aufschiebende Wirkung erwirkt werden müssen, um solcherart den „Vollzug“ des die Aufhebung der Zulassung aussprechenden Bescheides vom 31. Jänner 1986 zu ermöglichen. Da dies unterblieben ist, wurden die bekämpften Verfügungen des erst- und des zweitangefochtenen Bescheides entgegen dem aus § 30 Abs. 2 und 3 VwGG erfließenden Vollzugsverbot erlassen und der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Beachtung desselben verletzt.

Schon aus diesem Grund waren die angefochtenen Bescheide im bekämpften Umfang gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Begehren auf Ersatz von Stempelgebühren in Höhe von S 1.600,-- war gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG abzuweisen: Darnach hat ein Beschwerdeführer als obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz der Stempelgebühren, die er im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entrichten hat. Der Beschwerdeführer hat jedoch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Stempelgebühren nicht zu entrichten, weil ihm im Rahmen der mit hg. Beschluß vom 10. September 1986, Zlen. 86/11/0122, 0123, AW 86/11/0019, 0020, bewilligten Verfahrenshilfe die (einstweilige) Befreiung von der Entrichtung der Stempelgebühren gewährt worden ist.

Wien, am 30. Jänner 1987

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