VwGH 86/09/0086

VwGH86/09/008610.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Griesmacher und Mag. Meinl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gyenge, über die Beschwerde des KP in M, vertreten durch Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Alter Platz 19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 4. April 1986, Zl. 14-SV-4135/2/86, betreffend Übertretung des Arzneimittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

VStG §30 Abs2;
VStG §30 Abs3;
VStG §30 Abs2;
VStG §30 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.990,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 28. Jänner 1986 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, im einzelnen bezeichnete Arzneimittel an die im Spruch des Straferkenntnisses bezeichneten nicht bezugsberechtigten Personen abgegeben und hiedurch neun Verwaltungsübertretungen nach § 83 Z. 6 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes begangen zu haben. Gemäß § 83 des Arzneimittelgesetzes wurden hiefür über den Beschwerdeführer unter Berücksichtigung des geltenden Verwaltungsstraferhöhungsgesetzes neun Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 49.500,-- - unter gleichzeitiger Festsetzung der jeweiligen Ersatzfreiheitsstrafen - verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Schreiben vom 5. September 1985 habe das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz beim Amt der Kärntner Landesregierung Anzeige gegen die "Firma X" in K erstattet. In dieser Anzeige werde der Firma im wesentlichen zur Last gelegt, sie habe unbefugt an nicht bezugsberechtigte Personen entgegen den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes Arzneimittel abgegeben. Diese Anzeige sei an den Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt weitergeleitet worden. Am 7. Oktober 1985 (übrigens der Tag des Einlangens der Anzeige bei der zuständigen Strafabteilung) sei der Beschwerdeführer als Beschuldigter geladen worden. Er habe sich im wesentlichen damit verantwortet, daß die gegenständlichen Präparate keine Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes seien. Aufgrund des Gutachtens des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz vom 10. Jänner 1986 stehe fest, daß die im Spruch angeführten Präparate Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes seien, weshalb der Beschwerdeführer diese unbefugt an nicht bezugsberechtigte Personen abgegeben habe. Es sei daher der Tatbestand des § 83 Z. 6 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes erfüllt.

Über eine gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung erkannte die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid dahin, daß der Berufung insofern Folge gegeben werde, als die verhängten Geldstrafen gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) in Verbindung mit § 19 VStG 1950 auf das in weiterer Folge jeweils bezeichnete Ausmaß, insgesamt auf S 44.550,--, - unter gleichzeitiger Neufestsetzung der jeweiligen Ersatzfreiheitsstrafen - herabgesetzt wurden. Weiters wurde der Spruch des erstbehördlichen Straferkenntnisses gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 dahin gehend geändert, daß die im ersten Absatz aufscheinenden Worte "in der Zeit vom 30.4.1985 bis 31.8.1985" zu entfallen hätten. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sich zunächst gegen die Bestrafung in neun Fällen gewendet und gemeint, daß nur eine Verwaltungsübertretung vorliege und daß der Umstand, daß Wiederholungen gegeben seien, sich lediglich straferhöhend auswirke.

Überdies, so führe der Beschwerdeführer weiter aus, besage § 83 des Arzneimittelgesetzes, daß eine Verwaltungsübertretung nur dann vorliege, wenn die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht sei. Gegen ihn werde aber im Landesgericht Klagenfurt ein Strafverfahren durchgeführt und er sei in Untersuchungshaft genommen worden. Abschließend werde der Antrag gestellt, das erstbehördliche Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, allenfalls das Verwaltungsstrafverfahren bis zur gerichtlichen Entscheidung zu unterbrechen. Dem sei entgegenzuhalten, daß die im erstbehördlichen Verfahren bei der Einvernahme am 22. Oktober 1985 vertretene Meinung, daß die vom Beschwerdeführer abgegebenen Produkte nicht dem Arzneimittelgesetz unterlägen, ihn nicht zu exkulpieren vermöchten. Einerseits sei durch das Gutachten des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz nachgewiesen, daß es sich bei den gegenständlichen Produkten um Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes handle, und andererseits hätte der Beschwerdeführer als Arzneimittelgroßhändler wissen müssen bzw., wenn er dies nicht gewußt habe, zu prüfen gehabt, ob diese Produkte Arzneimittel seien oder nicht. Erst danach hätte er die entsprechenden Dispositionen mit den Produkten treffen dürfen. Solche Prüfungen bzw. Klärungen seien aber durch den Beschwerdeführer nicht gemacht worden. Die Berufungsbehörde vermöge sich weiters der Auffassung des Beschwerdeführers nicht anzuschließen, es würde nur ein Delikt mit Wiederholungen vorliegen. Die Produkte seien an verschiedene Personen (Stellen) oder, wenn mehrmals an gleiche Personen, dann zu verschiedenen Zeiten geliefert worden. Hier lägen zweifellos jedesmal für sich abgeschlossene Tatbestände vor, für die jeweils der Straftatbestand des § 57 Abs. 1 in Verbindung mit § 83 Z. 6 des Arzneimittelgesetzes erfüllt sei. Die Berufungsbehörde habe aber die verhängten Strafen herabzusetzen gehabt, da die Strafbehörde erster Instanz es zu Unrecht als erschwerend gewertet habe, daß der Beschwerdeführer bereits in der Zeit vom 6. September 1984 bis 8. Oktober 1984 gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen habe. Der Beschwerdeführer sei nämlich im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses nicht einschlägig vorbestraft gewesen. Was den Einwand des Beschwerdeführers betreffe, eine Verwaltungsübertretung liege laut § 83 des Arzneimittelgesetzes nur vor, wenn die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht sei, so sei dieser Hinweis richtig. Für die Verwaltungsstrafbehörde sei es aber nicht absehbar, ob die vorliegenden Tatbestände auch gerichtlich strafbare Delikte seien. Sie stellten jedenfalls Verwaltungsübertretungen dar, und es sei daher die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde als Strafbehörden gegeben. Die Strafbehörde erster Instanz werde aber im Sinne des § 30 Abs. 2 VStG 1950 das Straferkenntnis vorerst nicht zu vollziehen, sondern den Ausgang des gerichtlichen Strafverfahrens abzuwarten haben. Der erste Absatz des erstbehördlichen Straferkenntnisses sei außerdem insofern abzuändern gewesen, als die Worte "in der Zeit vom 30.4.1985 bis 31.8.1985" zu entfallen hätten. Innerhalb dieses Zeitraumes seien nämlich, wie aus dem Verwaltungsstrafakt hervorgehe, die Rechnungen für die abgegebenen Medikamente erstellt bzw. der "Fälligkeitsantrag" auf den Rechnungen angegeben worden. Als Tatzeit aber komme der Tag der Lieferung (Abgabe) an die einzelnen genannten Abnehmer, wie aus dem Spruch des Straferkenntnisses ersichtlich, in Betracht.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtverhängung jeweils gesonderter Verwaltungsstrafen für die ihm angelasteten Handlungen bzw. auf Aussetzung des Verwaltungsstrafverfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens als verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, § 83 des Arzneimittelgesetzes besage in seinem letzten Absatz, daß eine Verwaltungsübertretung nur dann vorliege, wenn die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht sei. Gegen ihn sei beim Landesgericht Klagenfurt zu 15 Vr 446/86 ein Strafverfahren anhängig, weil ihm die in den Straferkenntnissen und Strafverfügungen angelasteten Verwaltungsübertretungen - es seien auch wegen gleichartiger Delikte weitere Verwaltungsstraferkenntnisse gegen ihn erlassen worden - auch strafrechtlich zur Last gelegt würden. Er habe sich aus diesem Grund auch in Untersuchungshaft befunden und anläßlich seiner Einvernahme ein umfangreiches Geständnis abgelegt, insbesondere aber auch angeführt, daß er die ihm zur Last gelegten Taten vorsätzlich begangen habe, weshalb nunmehr damit zu rechnen sei, daß er strafgerichtlich verurteilt würde. Da somit nicht davon ausgegangen werden könne, daß er eine Verwaltungsübertretung begangen habe, hätte die belangte Behörde ihn verwaltungsstrafrechtlich nicht belangen dürfen. Zumindest hätte sie aber, wenn sie sich darüber im Unklaren gewesen sei, ob die ihm zur Last gelegten Taten auch strafgerichtlich zu verfolgen seien, jedenfalls das Verwaltungsstrafverfahren bis zur Beendigung des gerichtlichen Strafverfahrens unterbrechen müssen. Im übrigen wird in der Beschwerde abgesehen davon vorgebracht, daß es sich bei den dem Beschwerdeführer angelasteten Verhalten jedenfalls um ein "fortgesetztes Delikt" handle, weshalb eine mehrfache Verurteilung und Strafverhängung nicht hätte stattfinden dürfen.

Der Beschwerde kommt schon aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu:

Gemäß § 83 des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983, macht sich einer Verwaltungsübertretung im Sinne der dort bezeichneten Z. 1 bis 10 schuldig, wenn die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist.

Gemäß § 30 Abs. 1 VStG 1950 sind, wenn einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last liegt, die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch eine und dieselbe Tat begangen worden sind. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen hat die Behörde, sofern aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlungen bildet und es zweifelhaft ist, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle darf, wenn die Behörde vor dieser Entscheidung ein Straferkenntnis gefällt hat, es vorläufig nicht vollzogen werden. Ergibt sich später, daß das Verwaltungsstrafverfahren nicht hätte durchgeführt werden sollen, so hat die Behörde erster Instanz das Straferkenntnis außer Kraft zu setzen und das Verfahren einzustellen.

§ 30 Abs. 3 VStG 1950 setzt ein rechtskräftiges Straferkenntnis voraus. Ist ein Berufungsverfahren anhängig, so hat hingegen die Berufungsbehörde nach Art. 2 vorzugehen.

Danach hätte aber die belangte Behörde im Hinblick auf die dargestellte Anordnung des § 83 des Arzneimittelgesetzes - insbesondere im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer schon in der Berufung gegebenen Hinweis auf ein anhängiges strafgerichtliches Verfahren - im Zweifelsfall das Verfahren im Sinne der Bestimmung des § 30 Abs. 2 VStG 1950 auszusetzen gehabt, sofern sie nicht nach Feststellung des wesentlichen Sachverhaltes solche Zweifel hätte ausschließen können (vgl. hiezu sinngemäß auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 1980, Zlen. 405, 407/79).

Da die belangte Behörde, die sachverhaltsmäßig die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Abs. 2 VStG im angefochtenen Bescheid - wie auch nunmehr nach den Darlegungen in der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift - nicht ausschließen konnte, verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den zusätzlich zur Verzeichnung in der Beschwerde in der Äußerung zur Gegenschrift geltend gemachten Betrag für "Pauschalkosten", da derartige Kosten nach der Anordnung des § 48 Abs. 1 Z. 3 VwGG nur für den mit der Einbringung der Beschwerde verbundenen Schriftsatzaufwand gebühren.

Wien, am 10. September 1986

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