VwGH 86/07/0252

VwGH86/07/025210.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde des Dkfm. JF in W, vertreten durch Dr. Michael Gnesda, Rechtsanwalt in Wien IV, Schwarzenbergplatz 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. August 1986, Zl. III/1-25.863-86, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs2;
VVG §1;
VVG §10 Abs2 litb;
VwRallg;
WRG 1959 §137 Abs1;
AVG §59 Abs2;
VVG §1;
VVG §10 Abs2 litb;
VwRallg;
WRG 1959 §137 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 10. März 1986 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 137 WRG 1959 schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von S 3.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzarreststrafe von vier Tagen) verhängt, weil er am 6. November 1985 als Verantwortlicher der Dkfm. JF KG die Auflage Punkt 20.) des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. Juli 1973, Zl. III/1-13.803/14-1973, beim Betrieb der Mülldeponie auf dem Grundstück 514/1 KG T nicht eingehalten habe. Aus der Begründung des Straferkenntnisses ergibt sich, daß die Behörde im wesentlichen auf Grund von Wahrnehmungen eines Amtssachverständigen davon ausging, es sei zur Tatzeit die gesamte Umgebung der besagten Mülldeponie durch verwehte Müllreste verunreinigt gewesen.

Mit Bescheid vom 26. August 1986 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge, änderte aber den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch die nähere Bestimmung ab, der Beschwerdeführer habe es am angegebenen Tag unterlassen, daß beim Betrieb besagter Mülldeponie leicht verwehbare, außerhalb des Deponiebereiches gelangte Bestandteile des Mülls, wie Papier und Plastik, unaufgefordert eingesammelt bzw. entfernt worden seien. Begründend führte die Rechtsmittelbehörde aus, das mit der wasserrechtlichen Bewilligung aus 1973 erteilte Wasserbenutzungsrecht sei zunächst auf den Beschwerdeführer und sodann auf die genannte KG übergegangen. Der Beschwerdeführer sei der Wasserrechtsbehörde gegenüber für die Einhaltung des bezeichneten Bewilligungsbescheides verantwortlich. Die wasserrechtliche Bewilligung sei an die Einhaltung bestimmter Auflagen geknüpft worden. Die Auflage unter Punkt 20.) laute:

"Sollten trotz aller Vorsichtsmaßnahmen leicht verwehbare Bestandteile des Mülls, wie Papier, Plastik, etc. auf welche Art immer außerhalb des Grundbereiches gelangen, so ist dieses unaufgefordert einzusammeln bzw. zu entfernen."

Am 6. November 1985 sei die in Rede stehende Mülldeponie durch einen technischen Amtssachverständigen des NÖ Gebietsbauamtes II Wr. Neustadt überprüft und es seien hiebei verwehte Müllbestandteile im östlichen bzw. südöstlichen Föhrenwald sowie auf dem nördlichen Grundstück in großer Menge festgestellt, ferner mehrere Lichtbilder zur zusätzlichen Beweissicherung aufgenommen worden.

Diese Feststellung des technischen Amtssachverständigen könne durch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe im Jahre 1985 nachweisbar laufend eine Anzahl von Gelegenheitsarbeiten zur Entfernung der Verwehungen auf Nachbargrundstücken der Deponie betraut und hiefür in diesem Jahre über S 40.000,-- an Fremdlöhnen aufgewendet, nicht entkräftet werden; besage doch allein schon das Wort "Gelegenheits"-Arbeiter, daß diese Personen nicht laufend zur Verfügung stünden.

Es sei die vom Beschwerdeführer in Auftrag gegebene Säuberung der umliegenden Grundstücke offensichtlich zu wenig gewissenhaft durchgeführt und durch dieses fahrlässige Verhalten daher die Auflage unter Punkt 20.) des Bewilligungsbescheides zum Zeitpunkt der Überprüfung nicht eingehalten worden. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung sei daher erwiesen.

In seiner Berufung stelle der Beschwerdeführer jedoch ein Verschulden seinerseits in Abrede.

Bei der gemäß § 137 Abs. 1 WRG 1959 strafbaren Nichteinhaltung der bezeichneten Bescheidauflage handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt, dessen Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmale eines Erfolges bestehe und bei dem gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 die Beweislast für das Verschulden umgekehrt werde. Dies bedeutet, daß in diesem Falle der Beschuldigte sein mangelndes Verschulden "INITIATIV" zu beweisen habe. Es handle sich um eine widerlegliche Schuldvermutung zu Lasten des Täters.

Einen solchen Entlastungsbeweis habe der Beschwerdeführer aber nicht erbracht, da eine bloße Unzumutbarkeit zur Entschuldigung nach § 5 Abs. 1 VStG 1950 nicht genüge, sondern allein die unverschuldete Unmöglichkeit, die gegenständliche Auflage einzuhalten.

Weiters könne der dem Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 obliegende Entlastungsbeweis nicht allein durch den Nachweis erbracht werden, daß er seine Verantwortung auf andere - hiezu taugliche - Personen übertragen habe, sondern es bedürfe des weiteren Beweises, daß auch für eine geeignete Kontrolle der beauftragten Personen Vorsorge getroffen worden sei. Es liege nämlich Fahrlässigkeit auch dann vor, wenn der Täter, falls er der Erfüllung einer ihm auferlegten Pflicht nicht persönlich nachkomme, sondern sie anderen übertrage - wie dies der Beschwerdeführer vorbringe -, sich nicht davon überzeuge, ob sein Auftrag im Sinne seiner Verpflichtung (hier: entsprechend der Auflage) auch befolgt worden sei.

Ein fahrlässiges Verhalten des Verpflichteten sei somit nicht nur bei Auswahl einer ungeeigneten Person (was bei "Gelegenheitsarbeitern" durchaus denkbar sei), sondern auch bei nicht entsprechend eingehender und dauernder Kontrolle der eingesetzten Person(en) anzunehmen.

Einen Nachweis dahin gehend, daß der Beschwerdeführer irgendwelche Kontrollmaßnahmen bezüglich der Einhaltung der zu beachtenden behördlichen Auflage vorgekehrt und durchgeführt habe, sei von ihm aber nicht einmal versucht worden.

Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz hätte ihm den Entlastungsbeweis "abgeschnitten", indem sie ihm die Möglichkeit genommen hätte, durch Ortsaugenschein und seine persönliche Einvernahme sowie Vorlage der Lohnunterlagen über die bezahlten Gelegenheitsarbeiter den Beweis im Rahmen des Ermittlungsverfahrens anzutreten, sei geradezu absurd, zum Teil aktenwidrig und gehe daher völlig ins Leere.

Bei Ungehorsamsdelikten sei es nämlich Sache des Beschuldigten, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spreche.

Weiters sei dem Beschwerdeführer mit einem im Rechtshilfeweg erlassenen Beschuldigtenladungsbescheid, in dem genau und erschöpfend angegeben sei, was ihm zur Last gelegt werde, die Gelegenheit eingeräumt worden, am 23. Jänner 1986 selbst (persönlich) zur Einvernahme zu kommen. Statt dessen sei sein Rechtsvertreter allein erschienen, der nach Kenntnis des Akteninhaltes lediglich die Erklärung abgegeben habe, innerhalb von drei Wochen direkt der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz eine schriftliche Stellungnahme zu übermitteln.

Von einer Verletzung des Parteiengehörs könne daher keine Rede sein.

Außerdem hätte der Beschwerdeführer auch noch später jederzeit während der Parteienstunden ohne behördliche Aufforderung von sich aus, eben initiativ, zwecks weiterer Aussage in dieser Verwaltungsstrafangelegenheit zur Behörde kommen können, von der eine solche natürlich entgegengenommen worden wäre, soferne der Beschwerdeführer Entlastungsbeweise für sein behauptetes mangelndes Verschulden vorgebracht hätte.

Die Lohnunterlagen über die bezahlten Gelegenheitsarbeiter, die zwar - wie vorhin dargelegt - für sich allein noch keinen Entlastungsbeweis erbrächten, hätte der Beschwerdeführer auch ohne Anforderung durch die Behörde dieser vorlegen können. Es gebe nämlich keine gesetzliche Bestimmung, die einem Beschuldigten verbiete, sobald er von dem eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren Kenntnis habe, von sich aus zur Behörde zu kommen, um eine Aussage zu machen und der Behörde persönlich oder auf schriftlichem Wege Beweismittel zu übermitteln. Sein diesbezügliches Vorbringen sei daher unverständlich.

Was den vom Beschwerdeführer beantragten, von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz nicht durchgeführten Ortsaugenschein anlange, hätte dieser zu seiner Entlastung nichts beigetragen, da für das Strafverfahren der zur Tatzeit (6. November 1985) festgestellte Sachverhalt und nicht ein anderer Zeitpunkt - wie z.B. der Tag eines Ortsaugenscheines - maßgebend sei, weil sonst ein anderes (neues) Tatbestandsmerkmal (nämlich eine andere Tatzeit) vorläge, wodurch es sich nicht mehr um dieselbe Strafsache handelte. Die Feststellungen bei einem allfällig vorgenommenen Ortsaugenschein wären daher für dieses Strafverfahren ohne Bedeutung gewesen.

Aus den dargelegten Gründen habe deshalb der Berufung ein Erfolg versagt bleiben müssen.

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses sei in Entsprechung des § 44 a lit. a VStG 1950 durch Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat dahin gehend abzuändern gewesen, daß nunmehr sämtliche Tatbestandsmerkmale der durch die Tat verletzten Vorschrift (Bescheidauflage) enthalten seien, wozu die Berufungsbehörde berechtigt sei, weil auch schon vorher die Tat so weit umschrieben gewesen sei, daß kein Zweifel darüber bestehen habe können, wofür der Beschwerdeführer bestraft worden sei, und daß die Möglichkeit ausgeschlossen gewesen sei, daß der Beschwerdeführer etwa wegen derselben Unterlassung nochmals zur Verantwortung gezogen werden könnte.

Der Rechtsmittelbescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich der Beschwerdeführer nach seinem ganzen Vorbringen in dem Recht verletzt erachtet, bei der gegebenen Rechts- und Sachlage nicht wegen der ihm zur Last gelegten Übertretung bestraft zu werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 137 Abs. 1 WRG 1959 ist unter anderem die Nichteinhaltung der in Bescheiden der Wasserrechtsbehörden getroffenen Anordnungen als Verwaltungsübertretung zu bestrafen. Die im vorliegenden Fall maßgebende Anordnung, deren Nichteinhaltung dem Beschwerdeführer vorgeworfen wurde, ist in der Sachverhaltsdarstellung im Wortlaut wiedergegeben worden.

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, es sei zu Unrecht der Bericht eines Umweltschutzorganes vom 23. Jänner 1986 unbeachtet geblieben, auf den der Beschwerdeführer bereits in der Berufung verwiesen habe, weil jener die bedeutsame Feststellung enthalte, daß im Jahr 1985 das um die betreffende Deponie liegende Gebiet gereinigt worden sei und es darüber hinaus dritte Personen gebe, die Säcke mit Unrat ablagerten. Dieser Bericht decke sich augenfällig mit der Rechtfertigung des Beschwerdeführers, wonach er im Jahr 1985 nachweislich eine Anzahl von Gelegenheitsarbeitern beschäftigt habe, die mit der laufenden Entfernung allfälliger Müllverwehungen betraut gewesen seien, Arbeiten, für die der Beschwerdeführer die schon erwähnte Summe an Fremdlöhnen aufgewendet habe, wobei die Vorlage der Lohnunterlagen im Verwaltungsstrafverfahren angeboten worden sei. Man könne dem Beschwerdeführer daher eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht rechtens nicht anlasten. Dazu komme, daß die Unterlassung nur auf einen einzigen Tag - den 6. November 1985 - bezogen worden sei, wobei die Verwehungen, nach dem Bericht über die Wahrnehmungen an jenem Tag, auf die offenbar zeitlich unmittelbar vorangehenden stürmischen Wetterverhältnisse zurückgingen.

Der Einwand führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg, wie nachstehende Überlegungen zeigen: Die Auflage 20.) des Bescheides vom 30. Juli 1973 enthält keine Zeitbestimmung für die Durchführung der unter den angegebenen Umständen erforderlichen Maßnahmen. Auf das Zeitmoment kann indes nicht verzichtet werden. Denn die Auflage ließe sich andernfalls nicht durchsetzen, und es kann daher nicht Sinn dieser Vorschreibung gewesen sein, dem Verpflichteten die Einsammlung bzw. Entfernung verwehter Müllbestandteile in zeitlicher Hinsicht völlig freizustellen. Es ist also davon auszugehen (vgl. § 59 Abs. 2 AVG 1950), daß die Anordnung auf eine Einsammlung bzw. Entfernung des Materials in einer nach den jeweils gegebenen Umständen angemessenen Frist gerichtet war. Um dem Verpflichteten eine Unterlassung der bezeichneten Art anzulasten, hätte es demnach einer Klarstellung dahin bedurft, ob zwischen dem Anlaßfall - der Verwehung von Müllbestandteilen über den Grundstücksbereich hinaus (mit der Frage, wann diese genauer stattfand, hat sich die Behörde nicht befaßt) - und dem Zeitpunkt, in bezug auf den das Fehlen von Beseitigungsmaßnahmen festgestellt wurde (im vorliegenden Fall: der 6. November 1985), bereits jene Frist verstrichen war, innerhalb welcher der Anordnung hätte nachgekommen werden müssen. Aus dem Bericht über die Überprüfung der Deponie am 6. November 1985 geht insofern lediglich hervor, daß die Verwehungen "offensichtlich auf Grund des herrschenden Wetters" erfolgt seien, was zumindest nicht ausschließt (sondern sogar nahezulegen scheint), daß diese zeitlich unmittelbar vor der Beobachtung stattgefunden hätten. In der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist hierüber sachverhaltsmäßig allerdings hinausgegangen worden, indem dort einerseits davon die Rede ist, die Nichteinhaltung der Auflage sei der Wasserrechtsbehörde "durch oftmalige Vorbeifahrten bekannt" - eine auch zeitlich unbestimmte Angabe, für die sich eine Grundlage diesbezüglicher Ermittlungen in den Akten nicht findet -, und andererseits behauptet wird, ein Verstoß gegen die Vorschreibung sei noch am 23. Jänner 1986 festgestellt worden, eine Bemerkung, welche die Tatzeit nicht berührt. Die belangte Behörde hat sich jedoch die beiden eben angeführten Argumente (zu Recht) selbst nicht zu eigen gemacht.

Damit ist aber im Beschwerdefall schon die Erfüllung jener tatbestandsmäßigen Voraussetzungen - nämlich der Verstoß gegen die wiederholt genannte Bescheidauflage -, nicht erwiesen, welche die Grundlage einer Bestrafung wegen einer Übertretung nach § 137 Abs. 1 WRG 1959 gebildet hätte. Daß dem Beschwerdeführer vorgeworfen worden wäre (und auf Grund der Auflage hätte vorgeworfen werden dürfen), er habe die Vorsichtsmaßnahmen zur "Verhinderung der Verwehungen" unterlassen, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint, geht gleichermaßen an der Rechts- wie an der Aktenlage vorbei. Auf die in der Beschwerde erörterte Verschuldensfrage war unter diesen Umständen nicht mehr einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 10. Oktober 1989

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