VwGH 86/07/0250

VwGH86/07/025025.11.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsrat Dr. Müllner, über die Beschwerde der Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. Franz Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 42/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 19. August 1986, Zl. 410.919/06-I4/86, mitbeteiligte Partei: A-AG, B), betreffend wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
VwGG §34 Abs1;
WRG 1959 §105;
WRG 1959 §107 Abs2;
WRG 1959 §13 Abs3;
AVG §8;
VwGG §34 Abs1;
WRG 1959 §105;
WRG 1959 §107 Abs2;
WRG 1959 §13 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Landeshauptmann von Tirol erteilte mit Bescheid vom 28. Oktober 1985 der Antragstellerin (A-AG) die wasserrechtliche Bewilligung zur Ausnützung der Wasserkraft der X-bacher Ache im Teilstück ca. 250 m unterhalb der Wasserrückgabestelle des Oberliegers Kraftwerk GM bis zum Stauraum des Unterlieger-Kraftwerkes L-Unterstufe mit der Bezeichnung "Kraftwerk L-Oberstufe". Das Maß der Wasserbenutzung wurde mit maximal 2,2 m3 pro Sek., die an der Wasserfassung in die Entnahmestrecke der Xbacher Ache abzugebende Pflichtwassermenge mit 150 l/s "jahresdurchgängig" bestimmt.

Gegen diesen Bescheid hat die beschwerdeführende Gemeinde Berufung erhoben, in der sie im wesentlichen ausführte, sie sei zu der Verhandlung am 21. März 1985 nicht geladen worden, das Verfahren sei sohin mangelhaft. Die Pflichtwassermenge von 150 l/s sei absolut unzureichend, das bisherige Orts- und Landschaftsbild zu erhalten. Die Beschwerdeführerin sei durch den Wasserentzug in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beeinträchtigt, da die Gemeinde im Fremdenverkehr von der naturbelassenen Umgebung lebe, eine solche jedoch bei einer Restwassermenge von 150 l/s nicht mehr gegeben sei. Die dem erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen seien von ihren Fachgebieten her gesehen nicht geeignet gewesen, die von der Gemeinde vorgebrachten Einwendungen zu berücksichtigen. Das von der Gemeinde eingebrachte Privatgutachten sei von den Amtssachverständigen nicht entkräftet worden.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 19. August 1986 wurde in Punkt I des Spruches des Bescheides die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 AVG 1950 abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Einwendung hinsichtlich der Nichtladung zur Verhandlung vom 21. März 1985 sei im wasserrechtlichen Verfahren irrelevant, da diese Verhandlung nicht im Wasserrechtsverfahren, sondern im Naturschutzverfahren durchgeführt worden und daher dem angefochtenen Bescheid nicht zugrunde gelegen sei. Die Gemeinden hätten nach § 102 WRG 1959 im wasserrechtlichen Verfahren - sofern sie nicht als Grundeigentümer, Wasser- oder Fischereiberechtigte betroffen sind - nur hinsichtlich ihrer Trink- und Nutzwasserversorgungsinteressen (§§ 13 Abs. 3 und 31a Abs. 5 WRG 1959) Parteistellung. Die Einwendungen hinsichtlich der vorgeschriebenen Restwassermenge, der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Fremdenverkehrs stellten sohin keine im wasserrechtlichen Verfahren zu behandelnden subjektiven Rechte der Gemeinde dar, sondern von der Behörde zu beurteilende öffentliche Interessen. Die Behörde erster Instanz habe sich in der Begründung ihres Bescheides ausführlich mit Fragen des öffentlichen Interesses befaßt und für dessen Berücksichtigung auch zahlreiche Auflagen festgesetzt. Nach § 105 lit. m WRG 1959 liege insbesondere die Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer im öffentlichen Interesse. Die belangte Behörde habe vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen eine Stellungnahme dahingehend eingeholt, ob die vorgeschriebene Dotationswassermenge ausreiche, diese Interessen zu schützen. Dazu habe der Amtssachverständige ausgeführt, daß die bescheidmäßig festgesetzte Restwassermenge einen geeigneten Kompromiß zwischen energiewirtschaftlichen und ökologischen Zielsetzungen darstelle, wenn sichergestellt sei, daß keine Abwassereinleitungen der Beschwerdeführerin in die X-bacher Ache mehr erfolgen. Hiezu sei festzustellen, daß mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. Dezember 1985 der Regionalsammler X-R wasserrechtlich bewilligt worden sei und bis 30. November 1987 gebaut sein müsse. Bis zur Inbetriebnahme der Regionalkläranlage sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. Dezember 1985 die wasserrechtliche Bewilligung zu befristeten Einleitungen von mechanisch vorgereinigten Abwässern auch aus der beschwerdeführenden Gemeinde in den Inn erteilt worden. Da sohin sichergestellt sei, daß bis spätestens Betriebsbeginn des Kraftwerkes L-Oberstufe keine Abwässer der Beschwerdeführerin in die X-bacher Ache fließen, reiche die vorgeschriebene Restwassermenge in Wahrung ökologischer Interessen aus. Zusammenfassend sei sohin festzustellen, daß die Beschwerdeführerin keine Verletzung subjektiver, durch das Wasserrechtsgesetz 1959 geschützter Rechte vorgebracht hat und zum anderen die erstinstanzliche Behörde ihre Entscheidung nach sorgfältiger Abwägung öffentlicher Interessen getroffen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Streitgegenstand ist ein im Instanzenzug ergangener wasserrechtlicher Bescheid. Das Wasserrecht ist in Gesetzgebung Bundessache (Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG). Die Vollziehung erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung.

Die Verhandlung vom 21. März 1985 war eine im Rahmen des naturschutzbehördlichen Verfahrens für das vorliegende Projekt durchgeführte Verhandlung. Naturschutz ist Landessache in Gesetzgebung und Vollziehung (Art. 15 Abs. 1 B-VG). Ein wasserrechtliches Verfahren ist nicht schon deswegen mangelhaft, weil eine Partei dieses Verfahren in einem korrespondierenden naturschutzbehördlichen Verfahren nicht zur Verhandlung geladen worden ist.

Die Beschwerdeführerin hatte in der wasserrechtlichen Bewilligungsverhandlung vor dem Landeshauptmann Gelegenheit, ihre Einwendungen gegen das Vorhaben der Projektswerberin vorzubringen; sie hat davon Gebrauch gemacht. Eine Beeinträchtigung von Rechten im Sinne des § 12 Abs. 2 und des § 15 Abs. 1 WRG 1959 hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Zu prüfen war daher, ob und inwieweit die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren aus § 102 Abs. 1 lit. d WRG 1959 erfließenden Parteirechten verletzt worden ist, wobei - da das Vorhaben der Projektswerberin keine allgemeine Wassergefährdung im Sinne des § 31a WRG 1959 mit sich bringt und derartiges auch in der Beschwerde nicht behauptet wurde - diese Prüfung auf die Wahrung des Anspruches der Gemeinde nach § 13 Abs. 3 WRG 1959 zu beschränken war.

Nach dieser Gesetzesstelle dürfen das Maß und die Art der Wasserbenutzung keinesfalls so weit gehen, daß Gemeinden, Ortschaften oder einzelne Ansiedlungen das für die Abwendung von Feuersgefahren, für sonstige öffentliche Zwecke oder für Zwecke des Haus- und Wirtschaftsbedarfes ihrer Bewohner erforderliche Wasser entzogen wird.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß durch die von der Projektswerberin geplante Wasserbenutzung dem Gebiet Wasser überhaupt nicht "entzogen", sondern vielmehr nach Entnahme oder qualitative Veränderung wieder an die X-bacher Ache zurückgegeben wird, sodaß insgesamt kein gemäß § 13 Abs. 3 WRG 1959 erforderliches Wasser verlorengeht (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1979, Zl. 1119/78). Fraglich bleibt daher nur, ob die durch das Vorhaben der Projektswerberin herbeigeführte Verminderung der Wasserführung der X-bacher Ache zwischen dem Wehr und der Einmündung des Unterwasserkanals dazu führt, daß der Gemeinde das "für sonstige öffentliche Zwecke" gerade in diesem Bereich erforderliche Wasser entzogen wird.

Während die Beschwerdeführerin diese Frage bejaht und sich hiezu auf Gründe der Landschaftsästhetik sowie der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Fremdenverkehrs bezogen hat, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Standpunkt vertreten, daß sich diese Einwände der Gemeinde nicht auf den gemäß § 13 Abs. 3 WRG 1959 zu berücksichtigenden Wasserbedarf beziehen.

Diese Ansicht der belangten Behörde steht mit dem Gesetz in Einklang. Landschafts- und Naturschutz zählen nicht zu den Aufgaben, deren Besorgung den Gemeinden zusteht. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin betreffen daher nicht von ihr wahrzunehmende "öffentliche Zwecke", sondern öffentliche Interessen im Sinne des § 105 WRG 1959. Die Wahrung allenfalls einem Wasserbauvorhaben entgegenstehender öffentlicher Interessen nach dieser Gesetzesstelle ist jedoch ausschließlich der Wasserrechtsbehörde überantwortet (vgl. dazu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Oktober 1964, Zl. 473/64).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als nicht mit der von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtswidrigkeit belastet. Da dies der Inhalt der Beschwerde bereits erkennen ließ, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Bei Abweisung der Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle entfällt ein Kostenausspruch.

Wien, am 25. November 1986

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