VwGH 86/01/0031

VwGH86/01/003125.11.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde der MB in K, vertreten durch Dr. Heinz Walther, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Alter Platz 23/I, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 18. Dezember 1985, Zl. Präs-6493/2/85, betreffend Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37
AVG §45 Abs1
AVG §45 Abs2
StbG 1985 §10 Abs3
StbG 1985 §27
StbG 1985 §28 Abs1 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986010031.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 27. August 1985 ersuchte die Beschwerdeführerin um die Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbes des Schweizer Bürgerrechtes. Begründet wurde dies damit, daß durch die Änderung des Schweizerischen Bürgerrechtsgesetzes vom 14. Dezember 1984, welches mit 1. Juli 1985 in Kraft getreten sei, Kinder aus Ehen von Ausländern mit Schweizerinnen, die das Bürgerrecht durch Abstammung erworben hätten, bis zum 30. Juni 1988 die Anerkennung als Schweizer Bürger beantragen könnten, sofern sie nach dem 31. Dezember 1952 geboren worden seien. Da die Mutter der Beschwerdeführerin, eine gebürtige Schweizerin und eine geborene S, durch Heirat auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitze, bestünde für die Beschwerdeführerin die Möglichkeit, Schweizer Bürger zu werden und damit eine Doppelbürgerschaft zu erhalten. Als gebürtige Klagenfurterin wolle die Beschwerdeführerin jedoch auf keinen Fall die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren, weshalb sie um die Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft ersuche.

Durch die belangte Behörde zur näheren Präzisierung der Anspruchsvoraussetzungen aufgefordert, brachte die Beschwerdeführerin vor, daß sie im 21. Lebensjahr stünde und hoffe, Leistungen, die materielle oder ideelle Werte größeren Ausmaßes für die Republik Österreich ergäben, noch erbringen zu können. Sie befinde sich derzeit im 5. Semester der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, wo sie die Meisterklasse für Gestaltungslehre besuche. Nach Abschluß des neun Semester umfassenden Studiums beabsichtige sie, an einer allgemeinbildenden Höheren Schule zu unterrichten; im Rahmen ihrer Ausbildung habe sie schon bisher einmal in der Woche unterrichtet. Außerdem habe sie bereits dreimal die Internationale Sommerakademie für bildende Kunst in Salzburg besucht. Durch Erlangung des Schweizer Bürgerrechtes hätte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit, auch in der Schweiz Erfahrungen zu sammeln, um sie später in ihrem Heimatland Österreich nützen zu können.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Ansuchen gemäß §§ 28 und 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311/1985, keine Folge. Zur Begründung führte sie aus, daß nach allgemeiner Lehre unter außerordentlichen Leistungen des Staatsbürgers nur solche verstanden würden, die für die Republik Österreich materielle oder ideelle Werte größeren Ausmaßes ergäben bzw. zur Hebung des Ansehens Österreichs im Ausland wesentlich beitrügen. Wie aus der maßgebenden Bestimmung des § 28 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 hervorgehe, seien die Beibehaltungsvoraussetzungen unter anderem erst erfüllt, wenn vom Beibehaltungswerber außerordentliche und im Interesse der Republik liegende Leistungen noch zu erwarten seien oder wenn ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund, der mit dem Interesse Österreichs einen Konnex bilde, vorläge. Nur solche Leistungen erfüllten die gesetzlichen Voraussetzungen, die weit überdurchschnittlich seien und an deren Zustandekommen ein hervorragendes staatliches Interesse gegeben sei. Auf Grund der Darstellung der etwa in der Mitte ihrer Berufsausbildung stehenden Antragstellerin könnten nach den bisherigen Grundsätzen weder bereits erbrachte noch zu erwartende außerordentliche Leistungen im Interesse Österreichs erkannt werden. Gleichfalls könne auch nicht das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen und mit dem Interesse der Republik verknüpften Grundes bejaht werden, ein solcher sei auch gar nicht behauptet worden. Die Anerkennung der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente müßte dazu führen, daß jedem in akademischer Ausbildung befindlichen Staatsbürger in einem gleichgelagerten Fall die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt werden müßte; dies würde jedoch dem Wortlaut und dem Sinn des § 28 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 widersprechen. Der von der Behörde anzulegende strenge Maßstab finde auch in der Ansicht der Bundesregierung seine Stütze, wonach Fälle von Doppelbürgerschaften möglichst vermieden werden sollten, da sie oft die Gefahr zwischenstaatlicher Konflikte und auch die Kollision von staatsbürgerlichen Pflichten der Betroffenen mit sich brächten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in ihrem Recht auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft und auf Durchführung eines dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz entsprechenden Ermittlungsverfahrens verletzt. Im wesentlichen wird dazu vorgebracht, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei der Beschwerdeführerin entgegen des § 37 AVG 1950 nicht bekanntgegeben worden, weshalb sie keine Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen gehabt habe. Außerdem sei der von der Behörde angenommene Sachverhalt insofern ergänzungsbedürftig geblieben, als zwei von der Beschwerdeführerin angebotene Zeugen (GH und LM) hätten bestätigen können, daß von ihr noch außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet der bildnerischen Erziehung zu erwarten seien. Auch die gegenüber der Beschwerdeführerin unterlassene Aufforderung zur Vorlage von selbstgeschaffenen Arbeiten sei als Verfahrensmangel zu werten. Bei ihrer Aufnahmsprüfung hätte die Beschwerdeführerin schon 40 Arbeiten vorzulegen gehabt. Die Gefahr zwischenstaatlicher Konflikte und der Kollision staatsbürgerlicher Pflichten sei im Verhältnis zur Schweiz zu vernachlässigen.

Des weiteren sei einer ihrer Vorfahren Dr. phil. A, Herzog K, Bürger von Zürich und Österreich (1890 - 1950) gewesen. Im Jahre 1925 habe der Stadtrat von Zürich auf Grund eines ausführlichen Gutachtens von Dr. EM das Bürgerrecht der Angehörigen der Familie S, die alle Inhaber von Schweizer Pässen wären, bestätigt; einige Familienmitglieder besäßen daneben allerdings auch die österreichische Staatsbürgerschaft.

Abgesehen davon müßte auch auf Grund der besonderen Bindung der Beschwerdeführerin an Österreich, ihrer Geburt im Inland, ihrer Ausbildung in einem Mangelberuf und ihrer völligen Anpassung an die österreichischen Verhältnisse in Sprache und Lebensart das Vorliegen des für die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft geforderten Tatbestandsmerkmales des "besonders berücksichtigungswürdigen Grundes" im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 angenommen werden.

In einer Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde macht die Beschwerdeführerin verfassungsrechtliche Bedenken in bezug auf § 26 Z. 1 und § 27 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz geltend, weist darauf hin, daß verschiedene internationale Übereinkommen miteinander in Widerspruch stünden und regt schließlich die Einleitung eines Verfahrens gemäß Art. 140 B-VG an.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, ist einem Staatsbürger für den Fall des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit (§ 27) die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft zu bewilligen, wenn

1. sie wegen der von ihm bereits erbrachten oder von ihm noch zu erwartenden Leistungen oder aus einem besonders berücksichtigungswürdigen Grunde im Interesse der Republik liegt;

2. der fremde Staat, dessen Staatsangehörigkeit er anstrebt, der Beibehaltung zustimmt, sofern eine solche Zustimmung in zwischenstaatlichen Verträgen vorgesehen ist, und

3. die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 4 sowie 6 und 8 sinngemäß erfüllt sind.

Was zunächst den Einwand der Beschwerdeführerin anlangt, es sei ihr rechtliches Gehör dadurch verletzt worden, daß ihr die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens entgegen § 37 AVG 1950 nicht bekanntgegeben worden seien, ist der Beschwerde entgegenzuhalten, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, wenn es die Behörde zwar unterläßt, den ermittelten Sachverhalt der Partei zur Stellungnahme vorzuhalten, aber die eigenen Angaben der Partei die wesentliche Entscheidungsgrundlage bilden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1976, Zl. 1505/75, Slg. N.F. Nr. 9109/A u.a.).

Hinsichtlich der behaupteten Ergänzungsbedürftigkeit des Ermittlungsverfahrens ist die Beschwerdeführerin darauf zu verweisen, daß die von ihr erstmals in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde genannten Zeugen, sowie die Tatsachenbehauptung, daß sie bereits für ihre Aufnahmsprüfung an der Hochschule für Angewandte Kunst 40 Arbeiten habe vorlegen müssen, sowie der Umstand betreffend die Persönlichkeit des Dr. phil. AS im Verwaltungsgerichtshofverfahren unzulässige Neuerungen darstellen, die gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtlich sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1949, Slg. N.F. Nr. 789/A uva.)

Was des weiteren die von § 28 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz zunächst erforderlichen, bereits erbrachten oder zu erwartenden Leistungen der Beschwerdeführerin anlangt, so vermag auch die Beschwerde nicht darzutun, worin diese besonderen Leistungen im einzelnen bestehen sollten bzw. hat es die Beschwerdeführerin unterlassen, im Verfahren vor der belangten Behörde Umstände darzutun, die von ihr die Erbringung derartiger Leistungen erwarten ließen. Es wäre Sache der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde gewesen, dies zu tun; der Umstand, daß sie dies im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, muß ihr selbst zum Nachteil gereichen.

Insofern die Beschwerde das Ziel anstrebt, daß im vorliegenden Fall besondere Gründe angenommen werden könnten, die die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft durch die Beschwerdeführerin als im Interesse der Republik gelegen erscheinen ließen, ist darauf hinzuweisen, daß nach der von der Beschwerde selbst zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das bereits oben zitierte Erkenntnis Slg. N.F. Nr. 9109/A) es dabei darauf ankommt, daß dieser besondere Grund eine nicht jedermann treffende rechtliche oder sittliche Verpflichtung bedeutet. Die Beschwerdeführerin hat gegenüber der belangten Behörde außer ihrem ausdrücklich formulierten Wunsch auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft lediglich vorgebracht, sie hoffe, Leistungen, die materielle oder ideelle Werte größeren Ausmaßes für die Republik Österreich ergeben könnten, noch erbringen zu können. Umstände hingegen, die als besondere Gründe dafür, daß eine Beibehaltung der Staatsbürgerschaft durch die Beschwerdeführerin im Interesse der Republik gelegen sein könnten, hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan. In diesem Zusammenhang ist dem Argument der Beschwerde, es lägen besondere Gründe im Sinne des § 10 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz vor, weil die Beschwerdeführerin eine besondere Bindung an Österreich habe, im Inland geboren sei, einen Mangelberuf ausübe und völlig an die österreichische Sprache, Lebensart und die österreichischen Verhältnisse angepaßt sei, zu entgegnen, daß zwar § 10 Abs. 3 leg. cit. ebenfalls von besonders berücksichtigungswürdigen Gründen spricht, daß es dort hingegen im Zusammenhang mit der Frage der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht darauf ankommt, daß die Verleihung im besonderen Interesse der Republik gelegen sein muß; der hier anzuwendende § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. verlangt demgegenüber aber ausdrücklich, daß die besonderen Umstände, die für die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft eines Beibehaltungswerbers sprechen im Interesse der Republik gelegen sein müssen. Dies kann aber angesichts der von der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde vorgetragenen Argumente nicht gesehen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die von der Beschwerde behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erkennen.

Was zuletzt die weitwendigen verfassungsrechtlichen Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Replik auf die Gegenschrift der belangten Behörde betrifft, so gehen diese einerseits an den hier anstehenden Fragen des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz vorbei und andererseits hegt der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 16. März 1977, B 38/76, Slg. Nr. 8006) keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 27 Staatsbürgerschaftsgesetz.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 25. November 1987

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