VwGH 85/18/0323

VwGH85/18/032315.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 29. Mai 1985, Zl. MA 70-XI/M 37/85/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §5 Abs1 idF 1986/105;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §58 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §40 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §5 Abs1 idF 1986/105;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §58 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §40 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 12. März 1985 erkannte die Bundespolizeidirektion Wien - Bezirkspolizeikommissariat Wieden - den Beschwerdeführer für schuldig, er habe am 14. Februar 1985 (sicÜ) um 23.50 Uhr in Wien 4, Favoritenstraße, das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen W nn.nnn (sicÜ) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO wurde über den Beschuldigten eine Geldstrafe, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzarreststrafe verhängt.

Mit Bescheid vom 29. Mai 1985 bestätigte die Wiener Landesregierung auf Grund der gegen das Straferkenntnis rechtzeitig eingebrachten Berufung das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 62 Abs. 4 leg. cit. hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Berichtigung, daß die Tatumschreibung zu lauten habe: "Der

Beschuldigte... hat am 14. Februar 1984 um 23.50 Uhr, in Wien

4, Favoritenstraße, den Pkw W nn.nnn in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt." Gemäß § 19a VStG 1950 wurde dem Beschwerdeführer die erlittene Verwahrungshaft auf die Strafe angerechnet; weiters wurde ihm die Entrichtung eines Barauslagenersatzes vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Rüge dahin, im erstinstanzlichen Straferkenntnis stimmten weder das Jahr der Tat noch das Kennzeichen des PKWs, ist auf § 66 Abs. 4 AVG zu verweisen, wonach die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid in jeder Richtung abändern kann. Eine rechtzeitige Verfolgungshandlung liegt im Beschuldigten - Ladungsbescheid vom 3. April 1984, welcher zwar den Beschwerdeführer als Beschuldigten wegen dessen Wonsitzwechsel nicht erreichte, der aber durch Übergabe an die Post am 5. April 1984 (Poststempel) die "Sphäre der Behörde" im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnis vom 22. September 1980, Slg. NF Nr. 10.232/A) verlassen hatte. Dieser Bescheid enthält u.a. die richtige Tatzeit, aber eine unrichtige Kennzeichennummmer des PKWs, in dem das Delikt begangen wurde. Nun ist aber für die Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO die Kennzeichennummer des "Fahrzeuges" - mehr verlangt diese Gesetzesstelle nicht hinsichtlich des Fortbewegungsmittels des Lenkers - unentscheidend. Die Tatsache des Lenkens eines Fahrzeuges am Tatort zur Tatzeit wurde vom Beschwerdeführer nie bestritten.

Zum übrigen Beschwerdevorbringen ist folgendes zu sagen:

Die belangte Behörde gründet ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe zur Tatzeit am Tatort ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO gelenkt, im besonderen auf das Gutachten des Polizeiamtsarztes vom 15. Februar 1984.

Dieser Amtssachverständige hat anläßlich der seinem Gutachten zugrunde liegenden klinischen Untersuchung, nach der Durchführung einer Alkotestprobe, bei welcher der Markierungsring deutlich überschritten worden ist, eine Reihe von Alkoholisierungsmerkmalen, nämlich unsicheren Gang, unsichere Finger-Finger-Probe, deutliche Rötung der Bindehäute, träge Pupillenreaktion, deutlichen Geruch der Atemluft nach Alkohol und ein erregtes Benehmen festgestellt und daraus den Schluß gezogen, daß sich der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinde und fahruntüchtig sei. Der Beschwerdeführer hat in keiner Phase des Verfahrens, weder in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Verwaltungsstrafverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Richtigkeit dieses Gutachtens bezweifelt. Einem Amtsarzt ist auf Grund seiner wissenschaftlichen Studien und seiner Berufserfahrung die nötige Sachkenntnis zuzumuten, auf Grund der vorhandenen Symptome einwandfrei beurteilen zu können, ob eine untersuchte Person als fahrtüchtig anzusehen ist oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 1985, Zl. 84/03/0335). Der Beschwerdeführer hat im übrigen auch diese Fähigkeit des Amtsarztes im Verwaltungsstrafverfahren nie in Zweifel gezogen.

Gegen das erwähnte Gutachten des Polizeiamtsarztes vom 15. Februar 1984 bestehen deswegen keine Bedenken, weil es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 16. Dezember 1983, Zl. 83/02/0073 und die darin genannte weitere Judikatur) entspricht, daß die vom Amtsarzt festgestellte und vom Beschwerdeführer nicht bestrittene träge Pupillenreaktion schon allein die Annahme der Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO rechtfertigt. Gegen die Schlüssigkeit dieses Gutachtens, welches die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, bestehen daher keine Bedenken.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Oktober 1973, Slg. NF Nr. 8477/A, und die spätere Judikatur zu § 5 Abs. 1 StVO macht das Gesetz keinen Unterschied, ob die (eine Fahruntüchtigkeit bewirkende) Alkoholbeeinträchtigung durch einen Blutalkoholwert von mindestens 0,8 %o oder durch einen diese Konzentration nicht erreichenden Promillegehalt hervorgerufen worden ist. Der zweite Satz des § 5 Abs. 1 StVO wonach bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt gilt, beinhaltet nur die unwiderlegbare Rechtsvermutung, daß der Zustand einer Person bei einem Blutalkoholwert von 0,8 %o und darüber auf jeden Fall als beeinträchtigt gilt. Eine Person, die ihr Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand lenkt, macht sich daher der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO unabhängig davon schuldig, ob ihr Blutalkoholgehalt 0,8 %o erreicht hat oder nicht.

Im Hinblick auf diese Rechtslage ist es somit nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Blutalkoholgehalt des Beschwerdeführers zur Zeit der Tat tatsächlich die

0,8 %o-Grenze bereits überschritten hatte. Entscheidend ist lediglich, ob letzterer sich zu diesem Zeitpunkt in einem die Fahruntüchtigkeit bewirkenden durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat, wovon die belangte Behörde aber schon auf Grund des oben angeführten schlüssigen Gutachtens ausgehen durfte. Es bedurfte daher keiner Berechnung oder Nachrechnung des Blutalkoholgehaltes. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer ohne triftigen Grund von der ihm angebotenen Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholwertes Abstand genommen hat. Wie die belangte Behörde zutreffend im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, muß der Beschuldigte eine durch die Ablehnung der Blutabnahme als Beweismittel bedingte Verschlechterung seiner Stellung im Beweisverfahren in Kauf nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1961, Slg. N.F. Nr. 5670/A).

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, die Behauptung, er habe gegenüber dem Amtsarzt angegeben, keine Medikamente zu sich genommen zu haben, sei durch den Akteninhalt nicht gedeckt, ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, daß gerade dieses sein Vorbringen aktenwidrig ist. So ist aus dem Gutachten des Amtsarztes vom 15. Februar 1984 ersichtlich, daß der Beschwerdeführer im Rahmen der klinischen Untersuchung angegeben hatte, keine Medikamente oder sonstige "Mittel" zu sich genommen zu haben.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er sei von allem Anfang an auch nicht der Meinung gewesen, irgendwelche "Medikamente" im chemischen Sinn zu sich genommen zu haben, da ja auf dem Beipacktext der Nerventropfen "Passedan" gestanden sei, daß die Beruhigungstropfen völlig unschädlich und in unbeschränkter Menge eingenommen werden könnten. Damit meint der Beschwerdeführer offenbar, ihm sei die Wirkung der Beruhigungstropfen unbekannt gewesen und aus dem Beipacktext zu diesen Tropfen sei kein Hinweis auf Alkoholgehalt bzw. auf Alkoholschädlichkeit gegeben gewesen.

Die belangte Behörde hat entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers schon deshalb keine Verfahrensvorschriften verletzt, weil sie seiner Behauptung, ihm sei die Wirkung der Beruhigungstropfen unbekannt gewesen, ohnehin Glauben geschenkt hat. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid unter anderem festgestellt, sollte das vom Beschwerdeführer angeblich eingenommene Medikament tatsächlich seine Fahrtauglichkeit negativ beeinflußt haben, hätte er dies jedenfalls zu verantworten, weil diesfalls anzunehmen sei, daß er sich nicht eben entsprechend über die allfälligen Nebenwirkungen dieses Präparates hat aufklären lassen, wozu Ärzte, Apotheker bzw. der Beipackzettel in der Lage wären. Diesen Ausführungen der belangten Behörde kann der Verwaltungsgerichtshof durchaus beipflichten. Selbst wenn der Beipacktext keine Hinweis auf die Alkoholhältigkeit oder auf die verstärkende Wirkung des Medikamentes bei Alkoholkonsum beinhaltet, so entspricht es durchaus den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß ein Beruhigungsmittel - wie schon der Name sagt - beruhigend wirkt und in nicht unerheblichem Maße die Fahrtüchtigkeit negativ beeinflußt. Ein Kraftfahrer, der ein Beruhigungsmittel zu sich nimmt, muß die diesem Produkt innewohnende Wirkung entsprechend berücksichtigen und danach seine Fahrfähigkeit beurteilen, im Zweifelsfall aber von der Lenkung eines Kraftfahrzeuges Abstand nehmen. Dazu ist dem Beschwerdeführer auch entgegenzuhalten, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf ankommt, ob die festgestellte Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrzeuglenkers allein durch den Konsum von Alkohol hervorgerufen wurde oder auf auf andere Komponenten (wie z.B. die Einnahme von Medikamenten, Ermüdungszustände usw.) zurückzuführen ist (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1988, Zl. 88/18/0188). Selbst wenn die Fahruntüchtigkeit sohin nicht allein durch die Alkoholmenge, sondern überwiegend durch solche andere Umstände verursacht wurde, ist der Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO gegeben.

Im Lichte des oben Gesagten erübrigt sich daher eine Einvernahme der Zeugin Hedwig M., welche vom Beschwerdeführer zum Beweis dafür geführt worden ist, daß diese die Beruhigungstropfen eingekauft habe. Mit dem Hinweis des Beschwerdeführers darauf, er habe vom Alkoholgehalt bzw. der Alkoholschädlichkeit des Beruhigungsmittels nichts gewußt, ist für den Beschwerdeführer somit nichts zu gewinnen, zumal (auch nach seinen eigenen Angaben) feststeht, daß er vor der Tat eine nicht bloß unerhebliche Menge Alkohol zu sich genommen hat, und daß der Alkohol jedenfalls Mitursache der Fahruntüchtigkeit gewesen ist.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl Nr 206.

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