VwGH 85/18/0197

VwGH85/18/019731.5.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schieferer über die Beschwerde des EP in A, vertreten durch Dr. Karl Polak, Rechtsanwalt in Linz‑Urfahr, Ferihumerstraße 11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. Oktober 1983, Zl. VerkR‑21‑412/1‑1983‑II/Kp, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §5 Abs9

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985180197.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Auferlegung eines Barauslagenersatzes von S 2.389,20 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.435,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr‑Umgebung erkannte den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 26. April 1983 schuldig, am 6. März 1983 um 22.15 Uhr einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand auf der Aschacher Bundesstraße von Pesenbach nach Oberlandshaag gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen zu haben. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 13.000,‑ ‑ (Ersatzarreststrafe 480 Stunden) verhängt und ihm gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 ein Kostenersatz von S 1.300,‑ ‑ sowie gemäß § 64 Abs. 3 VStG 1950 in Verbindung mit § 5 Abs. 9 StVO 1960 der Ersatz von Barauslagen in der Höhe von S 2.389,20 auferlegt.

Zur Begründung führte die Bezirkshauptmannschaft aus, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Übertretung sei durch die Erhebungen des Gendarmeriepostenkommandos Feldkirch/D., das ärztliche Gutachten des Dr. HW sowie den chemischen Befund der Bundesstaatlich Bakteriologisch-Serologischen Untersuchungsanstalt Linz vom 7. März 1983, welcher einen Alkoholgehalt von 0,86 %o zum Zeitpunkt der Blutabnahme ergeben habe, erwiesen. Die Tatzeit sei um ca. 22.15 Uhr gewesen und die Blutabnahme um ca. 23.40 Uhr erfolgt.

Die vom Beschwerdeführer gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 24 VStG 1950 ab und bestätigte das Straferkenntnis sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch der verhängten Strafe. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung vorgebracht, er habe nach ausgiebigem Essen in der letzten halben Stunde vor der Tat einen halben Liter Most und kurz vor Fahrtantritt zwei große Stamperl getrunken, welche zum Unfallszeitpunkt noch nicht resorbiert gewesen seien. Diese Angaben des Beschwerdeführers seien durch zwei Zeugen im wesentlichen bestätigt worden. Es sei daraufhin das Gutachten eines medizinischen Amtssachverständigen eingeholt worden, welches folgendes Ergebnis gezeitigt habe:

„ ...... Laut Zeugin AK hatte der Berufungswerber nur 2 kleine Stamperl Schnaps konsumiert. Unter dieser Voraussetzung hätte die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit noch 0,84 %o betragen. Allerdings, wenn man auch vom konsumierten letzten halben Liter Most ein Viertel als noch nicht resorbiert betrachtet, käme man unter die 0,8 %o‑Grenze.

Unabhängig von diesen Berechnungen ist jedoch festzuhalten, daß hier eindeutig Sturztrunkbedingungen vorliegen. Die negative Wirkung des rasch getrunkenen hochprozentigen Alkohols trat daher sehr rasch ein, der klinische Trunkenheitsgrad war wesentlich höher, als er der momentanen Blutalkoholkonzentration entsprach. Nach neueren Untersuchungen ist bekannt, daß nach Sturztrunk bereits innerhalb von 10 Minuten ca. die Hälfte der gesamten Menge des als Sturztrunk genossenen-Alkohols resorbiert und im Blut nachweisbar ist. Da der Berufungswerber auf eine ausgiebige Jause hinweist, wurde im gegenständlichen Fall zugunsten des Obgenannten nur ein Drittel des Sturztrunkes als resorbiert betrachtet.

Herr P war nach do. Ansicht zur Tatzeit mit Sicherheit durch Alkoholeinwirkung fahruntüchtig. Dies läßt sich aus dem Ergebnis der Blutuntersuchung, des klinischen Befundes und der angegebenen konsumierten Alkoholmenge ohne Zweifel ableiten.“

Der vom Beschwerdeführer behauptete „Sturztrunk“ kurz vor Fahrtantritt könne sich zwar unter Umständen (z.B. durch ausgiebige vorangegangene Nahrungsaufnahme, die jedoch im vorliegenden Fall zufolge der Zeugenaussagen sicher schon mehr als eineinhalb Stunden zurückgelegen sei) auf den Blutalkoholgehalt erst nach einer gewissen Zeit auswirken. Die schädliche Wirkung des Alkohols auf die Fahrtüchtigkeit trete jedoch sofort, also bereits in der sogenannten Anflutungsphase ein. Dieses Phänomen sei medizinisch allgemein gültig nachgewiesen. Der medizinische Amtssachverständige habe einleuchtend, logisch schlüssig und auch den allgemein-medizinischen Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechend begründet, daß sich der „Sturztrunk“ beim Beschwerdeführer selbst unter den für ihn günstigsten Voraussetzungen durch den infolge des genossenen hochprozentigen Alkohols raschen Anstieg des klinischen Trunkenheitsgrades eindeutig negativ auf die Fahrtüchtigkeit ausgewirkt habe. Dazu habe sich der Beschwerdeführer trotz gebotener Gelegenheit nicht geäußert. Die Berufungsbehörde gelange daher zu dem Ergebnis, daß der Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt der Tat infolge der kurz vor Fahrtantritt rasch getrunkenen Alkoholmenge nicht mehr in der Lage gewesen sei, sein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken dieses Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen, mithin also ohne Rücksicht auf die Höhe des damals tatsächlich vorhandenen Blutalkoholes fahruntauglich gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Bfr. versucht, seine Beschwerde auf das Ergebnis des gerichtlichen Strafverfahrens 23 EHv 93/83 des Landesgerichtes Linz zu stützen, ist darauf nicht näher einzugehen, weil dieses Vorbringen gegen das gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot verstößt.

Im übrigen meint der Beschwerdeführer, der Amtssachverständige habe sich mit seinen Argumenten nicht erschöpfend wissenschaftlich auseinandergesetzt und nicht ausreichend begründet, warum er von einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers zur Tatzeit mit Sicherheit ausging, obwohl er selbst zur Tatzeit einen Blutalkoholgehalt von nur 0,7 %o angenommen habe. Auch die Feststellung, es seien „eindeutige Sturztrunkbedingungen vorgelegen“ sei unrichtig und nicht schlüssig begründet. Gerade der herangezogene klinische Befund lasse keine Schlußfolgerung auf eine Fahrtuntüchtigkeit zum Zeitpunkt der Tat zu, da selbst zum Zeitpunkt der Untersuchung lediglich eine leichte Alkoholisierung festgestellt worden sei, obwohl der Unfall um 22.00 Uhr, die klinische Untersuchung jedoch erst am 23.25 Uhr, die Blutabnahme erst um 23.40 Uhr stattgefunden habe. Im übrigen hätte es auch im Verwaltungsstrafverfahren der Durchführung eines Ortsaugenscheines sowie eines technischen Sachverständigengutachtens bedurft, um Rückschlüsse von der Fahrweise auf die behauptete Alkoholbeeinträchtigung ziehen zu können.

Zunächst ist aus diesem Vorbringen nicht ersichtlich, mit welchen Argumenten sich nach Meinung des Beschwerdeführers der Amtssachverständige hätte auseinandersetzen sollen. Denn im Verwaltungsstrafverfahren hat sich der Beschwerdeführer auf die bloße Behauptung des „Sturztrunkes“ beschränkt.

Im übrigen vermag der Verwaltungsgerichtshof das Gutachten des Amtssachverständigen nicht als unschlüssig zu erkennen. Im Hinblick auf die Ausführungen in diesem Gutachten zu den Auswirkungen eines „Sturztrunkes“ ist nicht ersichtlich, worin der vom Beschwerdeführer behauptete Widerspruch zu den Ergebnissen der klinischen Untersuchung gelegen sein soll. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, steht die Ansicht, daß die schädlichen Wirkungen des Alkohols: auf die Fahrtüchtigkeit unabhängig vom Grad der Alkoholresorption sofort, also bereits in der Anflutungsphase eintreten, mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft im Einklang (siehe dazu Jarosch‑Müller‑Pigler, Alkohol und Recht, S. 88 unten und z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1982, Zl. 81/03/0012).

Gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken, noch in Betrieb nehmen. Bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber gilt der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt. Unter dem Begriff „durch Alkohol beeinträchtigter Zustand“ ist zu verstehen.,“ daß sich der Fahrzeuglenker in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug nicht zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften nicht zu befolgen vermag. Eine auf die Einwirkung durch Alkohol zurückzuführende Fahruntüchtigkeit stellt - ohne Rücksicht auf die Höhe des Alkoholspiegels ‑ eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 dar (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Oktober 1973, Slg. Nr. 8477/A).

Da im vorliegenden Fall die belangte Behörde, gestützt auf ein unbedenkliches Sachverständigengutachten, zu Recht die Feststellung getroffen hat, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Tat infolge Einwirkung durch Alkohol in einem beeinträchtigten Zustand sich befunden hat, ist damit das Tatbild der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 erfüllt. Es bedurfte unter diesen Umständen keiner Feststellungen darüber, ob auch die Fahrweise des Beschwerdeführers Rückschlüsse auf die Fahruntüchtigkeit zugelassen hat. In der Unterlassung eines Lokalaugenscheines und der Beiziehung eines technischen Sachverständigen vermag der Verwaltungsgerichtshof daher einen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründenden Verfahrensverstoß nicht zu erblicken.

Der Beschwerdeführer bekämpft schließlich auch die Höhe des ihm auferlegten Barauslagenersatzes. In diesem Umfang erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig, weil sich die Höhe dieses Betrages mangels jeglichen sachlichen Substrates sowohl in den Verwaltungsstrafakten als auch im angefochtenen Bescheid der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes entzieht.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit darin dem Beschwerdeführer der Ersatz der Barauslagen auferlegt worden ist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren auf Zuspruch eines Ersatzes für Porti war abzuweisen, weil der für den Schriftsatzaufwand vorgesehene Ersatzbetrag ein pauschalierter ist. Stempelgebührenersatz war nur im erforderlichen Ausmaß für die mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 29 VwGG nur zweifach einzubringende Beschwerde und die Beilage der nur drei Bogen umfassenden Fotokopie des angefochtenen Bescheides zuzuerkennen.

Wien, am 31. Mai 1985

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte