VwGH 85/18/0061

VwGH85/18/00615.6.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Renner, über die Beschwerde des HP in P, vertreten durch Dr. Heinz Schuster, Rechtsanwalt in Hainburg/Donau, Ungarstraße 9/3/1, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 26. April 1982, Zl. VI/2-969-1982, betreffend Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.645,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 6. Mai 1979 gegen 21.00 Uhr seinen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw, Marke Peugeot 404 vor dem Hause Siedlung 21 in E. zurückgeschoben und hiebei den vorschriftsmäßig neben der Straße abgestellten Pkw Marke Fiat 124 angefahren und diesen beschädigt und es anschließend unterlassen, 1. diesen Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub der nächsten Gendarmeriedienststelle zu melden und 2. durch Entfernen von der Unfallsstelle an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach 1. § 4 Abs. 5 und 2.

§ 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 begangen, weswegen über ihn 1. gemäß § 99 Abs. 3 lit. b leg. cit. eine Geldstrafe von S 2.000,--, bzw. eine Ersatzarreststrafe von 4 Tagen und 2. gemäß § 99 Abs. 2 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von S 500,-- bzw. eine Ersatzarreststrafe von 18 Stunden verhängt und er verpflichtet gemäß § 64 Abs. 1 VStG 1950 zu einem Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren von 1. S 200,-- und 2. S 50,-- werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. § 4 Abs. 5 StVO 1960 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der 10. StVO-Novelle normiert, daß die im Absatz 1 leg. cit. genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen haben. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Absatz 1 leg. cit. genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Identität nachgewiesen haben. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. Juli 1984, Zl. 82/02/0072, veröffentlicht in der Amtlichen Sammlung Slg. N.F. Nr. 11495/A, zum Ausdruck gebracht hat, ist für die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 als objektives Tatbestandsmerkmal der Eintritt eines Schadens, in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen vom Eintritt eines derartigen Schadens Voraussetzung. Der Tatbestand ist schon dann erfüllt, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte.

Zur Klärung der Frage, ob der Beschwerdeführer mit dem von ihm gelenkten Pkw Marke Peugeot 404 die Beschädigungen am Pkw des Unfallsgegners G Marke Fiat 124 verursacht haben kann, holte die belangte Behörde ein Amtssachverständigengutachten ein. Im Gutachten vom 30. Juni 1981 führte der Amtssachverständige unter anderem aus, auf Grund des festgestellten und aus der Aktenlage ersichtlichen leichten Schadens am Fahrzeug des Beschwerdeführers, nämlich Sprung im Hecklichtcellone und Farbstreifen am unteren Teil desselben, sei es unmöglich, daß ein Schaden am Fahrzeug Marke Fiat 124 im Ausmaß von S 10.000,-- entstanden sein könne. Ein Schaden im genannten Ausmaß hätte ohne Zweifel auch am Schädigerfahrzeug einen wesentlich größeren Schadensumfang zur Folge gehabt, welcher vom Schädiger im Zeitpunkt der Kollision unbedingt hätte bemerkt werden müssen.

Auf Grund der zu diesem Gutachten vorgebrachten Stellungnahmen des Beschwerdeführers und weiterer Zeugenaussagen hinsichtlich des entstandenen Schadens veranlaßte die belangte Behörde die Erstellung eines neuerlichen Sachverständigengutachtens.

Auf Grund der Aktenlage und eines Telefongespräches mit dem Zeugen St. kam der zweite Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 29. Dezember 1981 im wesentlichen zum Schluß, die Beschädigungen am Fiat 124 gemäß Rechnung der Reparaturwerkstätte Autohaus K. seien zweifelsohne vom Pkw des Beschwerdeführers verursacht worden, auch wenn an diesem Pkw keine Beschädigungen, abgesehen von den Bruchstücken in der Heckleuchte und den roten Farbstreifen auf dieser feststellbar gewesen seien. Diese Spuren an der Heckleuchte bewiesen jedenfalls die Berührung der beiden Fahrzeuge. Diese Berührung sei mit der linken hinteren Ecke des Pkws des Beschwerdeführers Peugeot 404 am rechten vorderen Kotflügel und zwar seitlich vorne am anderen Pkw erfolgt. Auf Grund der Bauweise der beiden Fahrzeuge sei es sehr wohl möglich, daß am Fiat 124 ein Schaden in der Höhe von S 6.171,-

- entstanden sei, ohne daß am Gegenfahrzeug merklicher Schaden entstanden sei, da Fahrzeuge der Type Peugeot 404 hinten besonders markant ausgebildete Ecken mit relativ hoher Festigkeit und Steifigkeit besäßen, während ein vorderer Kotflügel seitlich fast keine Steifigkeit besäße und daher leicht deformiert werden könne.

Nun hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Jänner 1950, Zl. 2077/49, veröffentlicht in der Amtlichen Sammlung Slg. N.F. 1213/A zum Ausdruck gebracht, daß die Behörde verpflichtet ist, in ihrer Entscheidung die Erwägungen, von denen sie sich bei der Würdigung einander widersprechender Sachverständigengutachten leiten ließ, zu begründen. In einem solchen Falle ist es der Behörde selbstverständlich gestattet, sich dem einen oder anderen Gutachten anzuschließen. Sie hat aber die Gedankengänge aufzuzeigen, die sie veranlaßt haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert beizumessen als dem anderen (siehe hiezu hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1959, Zlen. 1946/57, 2139/57 und 256/58, sowie Erkenntnis vom 18. Mai 1977, Zl. 2378/76).

In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde aber lediglich fest, der Umstand, daß die Kollision stattgefunden habe, ergebe sich in erster Linie aus der Zeugenaussage des Zeugen Th. Ansonsten sei durch die beiden kraftfahrzeugtechnischen Gutachten, insbesondere durch jenes vom 29. Dezember 1981 erwiesen, daß der Beschwerdeführer den Anprall zur Tatzeit bei gehöriger Aufmerksamkeit bemerken hätte müssen. Mit keinem Wort erläuterte die belangte Behörde, welche Motive und Erwägungen dafür ausschlaggebend waren, daß sie offenbar das Gutachten, welches für die Verursachung der Beschädigung am Pkw des Unfallsgegners durch den Pkw des Beschwerdeführers spricht, jenem Gutachten vorgezogen hat, welches zu einem völlig gegensätzlichen Schluß dahingehend kommt, es sei unmöglich, daß durch den Pkw des Beschwerdeführers ein Schaden am Pkw des Unfallsgegners in der Höhe von S 10.000,-- entstanden sei. In diesem Zusammenhang hat es die belangte Behörde unterlassen, nähere Feststellungen darüber zu treffen, welche Schäden am Pkw Marke Fiat 124 tatsächlich vorgelegen sind.

Dadurch sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht in die Lage versetzt, nachprüfend zu kontrollieren, aus welchen Gründen die belangte Behörde offenbar nur das den Beschwerdeführer belastende Gutachten im Zuge ihrer Beweiswürdigung berücksichtigt hat. Durch die geschilderte Vorgangsweise hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem im Spruche anders lautenden Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid erwies sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Auf Grund der bereits eingetretenen absoluten Verjährung (Vollstreckungsverjährung) darf von der belangten Behörde kein Ersatzbescheid mehr erlassen werden. Es kann daher dahingestellt bleiben, inwiefern hinsichtlich der Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 der angefochtene Bescheid weiters mit einer, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Inhaltes in der Richtung belastet sein könnte, daß hinsichtlich der vorhin erwähnten Verwaltungsübertretung Verfolgungsverjährung eingetreten sein könnte.

Auf Grund der bereits eingetretenen absoluten Verjährung (Vollstreckungsverjährung) erübrigte es sich, auch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 5. Juni 1987

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte