VwGH 85/18/0028

VwGH85/18/002822.2.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführer Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde des GP in W, vertreten durch Dr. Dietrich Hafner, Rechtsanwalt in Waidhofen a.d. Ybbs, Hoher Markt 13, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. September 1984, Zl. I/7-St-P84144, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §64 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
VStG §22 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985180028.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Waidhofen a.d. Ybbs vom 11. Juli 1984 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw 1. am 24. März 1984 um ca. 10.00 Uhr von Waidhofen a.d. Ybbs auf der B 121 nach Amstetten und 2. am 24. März 1984 um ca. 11.20 Uhr von Amstetten auf der B 1 in Richtung Blindenmarkt bis in das Gemeindegebiet von St. Georgen am Ybbsfeld jeweils in einer durch den Genuß von Alkohol verursachten körperlichen und geistigen Verfassung gelenkt, in der er nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken des Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen. Er habe dadurch zu Z. 1 und zu Z. 2 jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 erster Satz der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; gemäß § 99 Abs. 1 lit. a leg. cit. wurde unter Berücksichtigung des § 22 VStG 1950 zu 1. und 2. je eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe je sieben Tage) verhängt.

Der Beschwerdeführer bekämpfte dieses Straferkenntnis nur hinsichtlich der Z. 2 mit Berufung. Er begründete dies wie folgt:

Es sei richtig, daß er am 24. März 1984 in Amstetten gewesen sei, um bei der Firma M einige Besorgung zu machen. Da er aber nicht sicher gewesen sei, ob die Ersatzteilabteilung geöffnet sei, habe er zuerst seinen Freund CH zur Erkundigung hineingeschickt. Während dieser Zeit habe er in seinem Fahrzeug gewartet, wobei er sogar den Motor habe laufen lassen. Er sei daher der Meinung, daß keine Fahrtunterbrechung vorgelegen sei. Er habe daher nur eine einzige Verwaltungsübertretung begangen. Er ersuche daher "um Einstellung des Punktes 2 des Straferkenntnisses".

Mit Bescheid vom 6. September 1984 gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis bezüglich der Z. 2 mit der Maßgabe, daß der Schuldspruch zu Z. 2 wie folgt neu gefaßt wurde:

"Der Beschuldigte ... hat am 24. März 1984 um ca. 11.20 Uhr

den Pkw mit dem behördlichen Kennzeichen ... von Amstetten weg auf

der Bundesstraße B 1 in Richtung Blindenmarkt bis in das Gemeindegebiet von St. Georgen am Ybbsfeld in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl. Nr. 159, begangen."

In der Begründung wurde nach Darstellung des Ganges des Verwaltungsstrafverfahrens ausgeführt, in der Berufung bleibe unbestritten, daß der Beschwerdeführer um ca. 11.20 Uhr des Tages der Tat den Pkw von Amstetten weg auf der Bundesstraße B 1 in Richtung Blindenmarkt bis in das Gemeindegebiet von St. Georgen am Ybbsfeld in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Nur wenn mehrere Tathandlungen zu einem fortgesetzten Delikt zusammenträten, sei nicht von verschiedenen selbständigen Taten, sondern von einer einzigen Tat zu sprechen. Für die Annahme eines fortgesetzten Deliktes sei die Gleichartigkeit der Begehungsform mehrerer gesetzwidriger Einzelhandlungen, Gleichartigkeit der Schuldform, Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände und der zeitliche und örtliche Zusammenhang erforderlich. Auch wenn dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei im Fahrzeug geblieben und habe sogar dessen Motor laufen lassen, gefolgt werde, könne für ihn dadurch nichts gewonnen werden. Nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers vom 18. April 1984 sei nämlich davon auszugehen, daß der Aufenthalt in Amstetten ca. eine halbe Stunde gedauert habe und daß der Beschwerdeführer anschließend den Pkw wieder auf der Bundesstraße B 1 in Richtung Blindenmarkt gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe somit nach halbstündiger Wartezeit in Amstetten neuerlich den Pkw gelenkt. Zwischen dem Lenken um ca. 10.00 Uhr und dem nach einer ca. halbstündigen Fahrtunterbrechung um ca. 11.20 Uhr bestehe kein zeitlicher Zusammenhang. Der neue Fahrtantritt habe die Fassung eines neuerlichen Vorsatzes erfordert. Die beiden Fahrten seien daher als rechtlich selbständige Tathandlungen anzusehen und damit nicht als fortgesetztes Delikt zu werten. Darüber hinaus kämen fortgesetzte Delikte nur im Bereich der Vorsatzdelinquenz in Betracht, sodaß fahrlässige Begehung für die Annahme eines fortgesetzten Deliktes ausscheide. Die Abänderung des Spruches des Straferkenntnisses im angefochtenen Teil habe der Anpassung an den diesbezüglichen Tatbestand gedient. Verletzte Verwaltungsvorschrift sei allein § 5 Abs. 1 StVO.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, es lägen zwei Fahrten vor, die in keinem zeitlichen Zusammenhang stünden. Der Beschwerdeführer führt dazu aus, sein halbstündiger Aufenthalt in Amstetten habe selbstverständlich den Weg quer durch Amstetten zum und vom Gebäude der Firma M eingeschlossen. Die tatsächliche Aufenthaltsdauer vor diesem Gebäude habe lediglich fünf bis zehn Minuten betragen. Daß er mit einem derartigen langen "Wartenmüssen" nicht gerechnet habe, sei schon aus der Tatsache deutlich, daß er den Motor seines Fahrzeuges laufen gelassen habe, um die Rückkunft seines Freundes zu erwarten, mit dem er beabsichtigt habe weiterzufahren. Der Beschwerdeführer macht damit geltend, es liege ein fortgesetztes Delikt vor.

Nach § 22 Abs. 1 VwGG 1950 sind die Strafen u.a. dann nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat. Insoweit mehrere Tathandlungen zu einem fortgesetzten Delikt zusammentreten, ist nicht von verschiedenen selbständigen Taten, sondern von einer einzigen Tat zu sprechen. Unter einem fortgesetzten Delikt sind eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines (noch erkennbaren) zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten, zu verstehen (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1980, Slg. N.F. Nr. 10.138/A, und die dort angeführte weitere Judikatur). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 28. September 1979, Zl. 2714/77, ausgesprochen, daß eine Person, die in durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand ein Fahrzeug lenkt und unfallsbedingt bloß zwei bis drei Minuten anhält und sodann weiterfährt, nicht zwei Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO, sondern ein fortgesetztes Delikt nach § 5 Abs. 1 leg. cit. zu verantworten hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner im Erkenntnis vom 22. November 1984, Zl. 84/02/0190, dargelegt, daß der Lenker eines Fahrzeuges, der ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Lenkerberechtigung ein Fahrzeug lenkt, von einem Straßenaufsichtsorgan zur Fahrzeugkontrolle angehalten wird und nach Beendigung der Amtshandlung, die etwa zehn Minuten dauert, seine Fahrt fortsetzt, nur eine Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG 1967 begeht, weil das unbefugte Lenken vor und nach der Amtshandlung als ein fortgesetztes Delikt gewertet werden muß.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist die belangte Behörde wegen der von ihr (auf Grund von Angaben des Beschwerdeführers) angenommenen Unterbrechung der Fahrt in Amstetten für die Dauer einer halben Stunde davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe einen neuen Entschluß zum Antritt der Fahrt fassen müssen, weshalb ihrer Auffassung nach kein fortgesetzes Delikt vorgelegen sei.

Die belangte Behörde übersieht damit, daß es im Sinne des zitierten Erkenntnisses eines verstärkten Senates wesentlich auf das Gesamtkonzept - somit auf den einheitlichen Tatvorsatz - des Täters ankommt. Im Beschwerdefall ist daher entscheidend, ob der Beschwerdeführer zunächst lediglich die Absicht hatte, nach Amstetten zu fahren und erst dort den Entschluß für eine weitere Fahrt faßte, oder ob sein ursprünglicher Entschluß auf eine über Amstetten hinausreichende (Rück)Fahrt gerichtet war. Eine Fahrtunterbrechung, mag diese nun - wie in den ebenfalls zitierten Erkenntnissen - etwa zwei bis drei Minuten oder zehn Minuten oder - wie im vorliegenden Fall - möglicherweise eine halbe Stunde gedauert haben, ist für sich allein noch nicht geeignet, eine Unterbrechung des einheitlichen Tatvorsatzes des Täters zu bewirken. Die belangte Behörde hat es in Verkennung dieser Rechtslage unterlassen, nähere Ermittlungen über das ursprünglich vom Beschwerdeführer beabsichtigte Ziel seiner Fahrt anzustellen. Bei der Prüfung der Frage, ob ein einheitlicher Tatvorsatz des Beschwerdeführers für eine über Amstetten hinausreichende (Rück)Fahrt vorgelegen ist, kommt es jedoch nicht nur auf die Behauptungen des Beschwerdeführers an, sondern hat die Behörde auch die begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Im Beschwerdefall bestehen gewichtige Anhaltspunkte, nämlich Laufenlassen des Motors und Sitzenbleiben im Auto, dafür, daß der einheitliche Tatvorsatz für eine über Amstetten hinausreichende (Rück)Fahrt nicht unterbrochen gewesen sein dürfte.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 22. Februar 1985

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte