VwGH 85/18/0011

VwGH85/18/001128.1.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerden des KS in B, vertreten durch Dr. Johann-Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien I, Liliengasse 1, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien, 1. vom 22. Juli 1984, Zl. MA 70-X/St 9/84/Str., 2. vom 19. Juni 1984, Zl. MA 70-X/St 12/84/Str., 3. vom 19. Juni 1984, Zl. MA 70- X/St 19/84/Str., betreffend die Zurückweisung von Berufungen in Verwaltungsstrafverfahren nach dem Kraftfahrgesetz 1967, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §22 Abs1;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §21 Abs2;
ZustG §4;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von dreimal S 8.600,--, somit insgesamt S 25.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, vom 24. Februar 1983 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt, ohne im Besitze einer gültigen Lenkerberechtigung zu sein. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1 "StVO" (sic !) begangen; gemäß § 134 des Kraftfahrgesetzes 1967 wurde eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde unter der Anschrift Wien 2, X-platz 4/2/6, am 1. März 1983 hinterlegt, welcher Hinterlegung eine Aufforderung vom 28. Februar 1983, am 1. März 1983 anwesend zu sein, vorangegangen war.

2. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt vom 14. Mai 1982 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 schuldig erkannt und zu einer Geld- und Ersatzarreststrafe verurteilt. Das Straferkenntnis wurde unter der zu 1) genannten Anschrift am 19. Mai 1982 hinterlegt, eine Aufforderung vom 18. Mai 1982, am 19. Mai 1982 anwesend zu sein, war vorangegangen.

3. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Lepoldstadt, vom 11. April 1983 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 schuldig erkannt und zu einer Geld- und Ersatzarreststrafe verurteilt. Das Straferkenntnis wurde an der zu 1) genannten Anschrift am 18. April 1983 hinterlegt, dem war eine Aufforderung vom 15. April 1983, am 18. April 1983 anwesend zu sein, vorangegangen.

Mangels Zahlung der Geldstrafen in allen drei genannten Verwaltungsstrafverfahren setzte die genannte Behörde im Februar 1984 die Ersatzarreststrafen gegen den Beschwerdeführer in Vollzug; im Zusammenhang damit wurde am 3. Februar 1984 vor dem Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen. Diese Niederschrift lautete:

"Auf die Frage, wo ich wohne gebe ich an, ich bin seit ewigen Zeiten in Wien 2., X-platz 4/6 wh., das heißt, seit meiner Geburt. In Wien 10., S-str. 89/3/20 bin ich nur hie und da bei meiner Bekannten RN zu Besuch. Nunmehr gebe ich an, von 10 Mal nächtige ich 8 Mal bei meiner Bekannten N. Gemeldet bin ich dort nicht. Ich habe aber noch ein Geschäftslokal in B, W-str. 6. Dort schlafe ich aber sicherlich nie. Bei Frau N nächtige ich seit ca. 1 Jahr derart häufig, wie oben angeführt. Kennen tue ich sie allerdings seit etwa 3 Jahren. In der Wohnung in Wien 2., bin ich aber jede Woche mindestens 1 Mal, manchmal auch öfters. Im Schnitt bin ich aber jedenfalls 5 bis 5 Mal im Monat dort. In der Zeit vor 2 Jahren war ich aber häufig in Wien 2., aufhältig. Mein Führerschein, ursprünglich befristet bis April 1982 wurde mir in Nov. 1982 neu ausgestellt, und zwar befristet bis November 1984. Auch im Führerscheinakt scheint die Adresse 2., X-platz auf. Auf die Frage, warum ich mir die Post nie abgeholt habe, gebe ich an, ich war gedankenlos, ich werde die Strafen schon irgendwann einmal bezahlen. Ich habe geglaubt, ich könnte die Strafen auf diese Art verzögern und dann alles auf einmal bezahlen."

Am 7. Februar 1984 brachte der nunmehr rechtsanwaltlich vertretene Beschwerdeführer in allen drei Verwaltungsstrafsachen je einen Schriftsatz ein. Die im wesentlichen gleichlautenden Schriftsätze behaupten, daß eine rechtswirksame Zustellung der erstinstanzlichen Straferkenntnisse nie erfolgt sei, weshalb die Straferkenntnisse nunmehr ordnungsgemäß zugestellt werden mögen, im übrigen mögen sie aufgehoben und der Vollzug der Ersatzarreststrafen sogleich abgebrochen werden.

In den oben zu 1) und 3) genannten Verwaltungsstrafsachen - in denen die umstrittenen Zustellungen in den zeitlichen Geltungsbereich des Zustellgesetzes fallen - wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer habe sich zur Zeit der Hinterlegung nicht am "Zustellort bzw. der Abgabestelle" aufgehalten, er sei auch dort nicht polizeilich gemeldet gewesen. Er habe von den Zustellvorgängen keine Kenntnis erlangt. Zur Zeit der Hinterlegungen habe sich der Beschwerdeführer vorwiegend bei RN in Wien 10, S-straße 89/3/20 aufgehalten und habe dort wiederholt genächtigt, ansonsten sei er beruflich als Handelsvertreter in Österreich unterwegs gewesen. Zum Beweis dieses Vorbringens berief sich der Beschwerdeführer auf die genannte RN, ferner auf WS, Wien 2., X-platz 4/2/6, ferner auf das Zustellorgan P des Postamtes 1020 Wien, und zwar auf letztere Person zum Beweise dafür, ob der Zusteller den Beschwerdeführer jemals in Wien 2., Xplatz 4/2/6 angetroffen habe.

In dem zu 2) genannten Strafverfahren, bei dem der Tag der Hinterlegung in den zeitlichen Geltungsbereich der Zustellungsbestimmungen des AVG 1950 fällt, wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer sei zur Zeit der Hinterlegung nicht an der Anschrift X-platz aufhältig gewesen, sondern habe bei der schon erwähnten RN gewohnt, sofern er nicht beruflich in Österreich unterwegs gewesen sei. Die Adresse X-platz sei zur Zeit der Hinterlegung nicht seine Wohnadresse gewesen; er habe diese Adresse einige Wochen vor Zustellung des Straferkenntnisses vorläufig aufgegeben. Zum Beweise dieses Vorbringens wurden die Zeugen RN und WS geführt.

In der letzterwähnten Strafsache wurde dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers auf seinen ausdrücklichen Wunsch eine Ausfertigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses am 9. Februar 1984 übermittelt. Am 23. Februar 1984 brachte der Rechtsanwalt gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis Berufung ein, in der er sein Vorbringen über die rechtliche Unwirksamkeit der Hinterlegung am 19. Mai 1982 wiederholte und im übrigen die Höhe der verhängten Geldstrafe bekämpfte.

Der Landeshauptmann von Wien als Berufungsbehörde, dem die erwähnten Schriftsätze des Beschwerdeführers "als Berufung" vorgelegt wurden, stellte am 18. Mai 1984 folgende schriftliche Fragen an den Vertreter des Beschwerdeführers: In den Verwaltungsstrafsachen zu 1) und 3) möge der Tag der Rückkehr des Beschwerdeführers zur Abgabestelle bekanntgegeben werden, ferner möge die Abwesenheit von der Abgabestelle glaubhaft gemacht werden. In der zu 2) genannten Verwaltungsstrafsache möge die Ortsabwesenheit am Tage der Hinterlegung glaubhaft gemacht werden. Hierauf antwortete der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers mit gleichlautenden Schriftsätzen vom 6. Juni 1984, er beziehe sich auf seine früheren Anträge, jedenfalls beharre er auf der Vernehmung der drei von ihm geführten Zeugen.

In der zu 1) genannten Verwaltungsstrafsache erging unter dem Datum des 22. Juni 1984 der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien dahin, die als Antrag auf Aufhebung des nur in Scheinrechtskraft erwachsenen Straferkenntnisses vom 24. Februar 1983 formulierte Berufung werde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als verspätet zurückgewiesen. In der zu 3) genannten Verwaltungsstrafsache erging unter dem Datum des 19. Juni 1984 ein sinngemäß gleicher Bescheid des Landeshauptmannes. In der zu

2) genannten Verwaltungsstrafsache erging unter dem Datum des 19. Juni 1984 ein Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, nach dessen Spruchteil I die als Antrag auf Aufhebung des nur in Scheinrechtskraft erwachsenen Straferkenntnisses vom 14. Mai 1982 formulierte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als verspätet zurückgewiesen werde, während unter II die am 22. Februar 1984 eingebrachte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 6 des Zustellgesetzes als unzulässig zurückgewiesen werde.

Die Begründungen der in den Verwaltungsstrafverfahren zu 1) und 3) ergangenen Bescheide sind im wesentlichen gleichlautend, sie gehen dahin, daß die erstinstanzlichen Straferkenntnisse am 1. März 1983 bzw. am 18. April 1983 hinterlegt wurden, weshalb die Abholfristen am 2. März 1983 bzw. am 19. April 1983 begannen. Mit letzteren Tagen gelte gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz das Straferkenntnis als zugestellt. Ein Zustellmangel sei nicht hervorgekommen, es habe sich nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer wegen Abwesenheit von der Abgabestelle vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen habe können. Der anders lautenden Behauptung des Beschwerdeführers sei entgegenzuhalten, daß er ja am 3. Februar 1984 angegeben habe, seit "ewigen Zeiten" an der Zustelladresse zu wohnen. Seit zirka einem Jahr nächtige er zwar recht häufig bei einer Bekannten, jedoch suche er die Wohnung am X-platz mindestens einmal in der Woche auf. Die Post habe er nicht abgeholt, da er gedankenlos gewesen sei und geglaubt habe, er könne "die Strafe" auf diese Art "verzögern". Die Berufungsbehörde zweifle nicht an der Richtigkeit dieser Angaben und lege diese ihrer Entscheidung zugrunde. Daher habe es weiterer Beweise nicht bedurft. Der Beschwerdeführer habe nach eigenen Angaben sehr wohl die Zustellvorgänge wahrzunehmen vermocht. Die polizeiliche Meldung sei für die Tatsache der Ortsanwesenheit oder Ortsabwesenheit unentscheidend. Bedeutsam sei nur, ob der Beschwerdeführer die Zustellvorgänge wahrzunehmen vermochte, was zu bejahen sei. Die Rechtsmittelfrist sei vom ersten Tag der Abholfrist an gelaufen, weshalb die Berufung als verspätet zurückzuweisen gewesen sei.

Die Bescheidbegründung in dem zu 2) genannten Verwaltungsstrafverfahren stimmte, was den Punkt I des Bescheidspruches anlangt, mit der oben wiedergegebenen Begründung mit der Maßgabe überein, daß das Straferkenntnis am 19. Mai 1982 beim Postamt hinterlegt worden sei, somit sei eine Ersatzzustellung nach § 23 Abs. 4 AVG 1950 vorgelegen. Eine zustellungsrechtlich relevante Abwesenheit des Beschwerdeführers zur Zeit der Hinterlegung sei nicht gegeben gewesen, weshalb infolge Ablaufes der Rechtsmittelfrist die Berufung als verspätet zurückzuweisen gewesen sei. Hinsichtlich des Teiles II des Bescheidspruches wurde ausgeführt, die Übermittlung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses an den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers auf dessen ausdrückliches Ersuchen habe nur informativen Charakter gehabt. Erlassen sei das erstinstanzlicht Straferkenntnisses schon viel früher worden, nämlich durch die Hinterlegung am 19. Mai 1982. Daher stünde dem Beschwerdeführer kein "als zulässig zu erachtendes Berufungsrecht zu", weshalb die Berufung zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen die drei genannten Bescheide richten sich drei Beschwerden des Beschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat die drei Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:

Die Zustellvorgänge in dem zu 2) genannten Strafverfahren sind nach der Rechtslage vor dem 1. März 1983, somit nach dem AVG 1950 zu beurteilen. Wird bei angeordneter Zustellung zu eigenen Handen der Aufforderung, zur Annahme des Schriftstückes zu bestimmter Zeit in dem betreffenden Raum anwesend zu sein, nicht entsprochen, so ist nach § 23 Abs. 4 bis 6 leg. cit. vorzugehen. Voraussetzung für die Hinterlegung nach diesen Gesetzesstellen ist, daß der Empfänger in der Wohnung nicht angetroffen worden ist. Voraussetzung ist nach § 24 Abs. 3 AVG 1950 ferner, daß der Empfänger seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht nur vorübergehend verlassen hat, in welchem Fall nämlich nach § 23 Abs. 7 AVG 1950 vorzugehen ist. Der Ort der Zustellung ist nach § 22 Abs. 1 AVG 1950 unter anderem die Wohnung. Eine solche ist eine nach außen abgeschlossene Raumeinheit oder Raummehrheit, wo jemand seine ständige Unterkunft hat, also der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse. Es kommt darauf an, ob die Wohnung im Zeitpunkt der Zustellung tatsächlich bewohnt wird, nicht aber darauf, wo der Empfänger polizeilich gemeldet ist (Erkenntnisse von 5. Februar 1963, Zl. 1399/61; vom 16. Juni 1969, Slg. N. F. Nr. 7600/A).

Die Berufungsbehörde hat Feststellungen darüber, ob die betreffende Wohnung des Ebengesagten zur Zeit der strittigen Zustellung vom Beschwerdeführer tatsächlich bewohnt war, nicht getroffen, obwohl zu diesem Beweisthema Zeugen angeboten worden waren. Die Ansicht der belangten Behörde, schon aus der Niederschrift vom 3. Februar 1984 sei das tatsächliche Bewohnen der Wohnung zu ersehen, ist unrichtig. Bereits der dritte Satz dieser Niederschrift schränkt den Inhalt des ersten und zweiten Satzes wesentlich ein. Ob aus der weiteren Bekundung, der Beschwerdeführer sei in der Wohnung am X-platz jede Wochen mindestens einmal, manchmal auch öfters, jedenfalls fünf- bis sechsmal im Monat gewesen, der Schluß gezogen werden kann, der Beschwerdeführer bewohnte die Wohnung tatsächlich im Sinne eines Mittelpunktes seiner Lebensverhältnisse, hat die Berufungsbehörde nicht ausgeführt. Auf die allenfalls verwerfliche Absicht, sich Zustellungen und damit dem Strafvollzug zu entziehen, kommt es nicht an, solange das Vorhandensein einer Wohnung im Sinne des § 22 AVG 1950 nicht feststeht. Die Berufungsbehörde hat daher den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig belassen und durch die Ablehnung der Beweisanträge des Beschwerdeführers Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Auch der Spruchpunkt II des Berufungsbescheides betreffend das Strafverfahren zu 2) erweist sich als mit diesem Verfahrensmangel behaftet. Sollte nämlich die Zustellung am 19. Mai 1982 rechtswidrig erfolgt sein, so stellt die "informative Übermittlung" des Straferkenntnisses an den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers die erste rechtsgültige Zustellung dar, weshalb die am 22. Februar 1984 eingebrachte Berufung nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen.

Die Zustellvorgänge in den zu 1) und 3) erwähnten Strafverfahren liegen nach dem 28. Februar 1983, sie sind somit nach dem Zustellgesetz BGBl. Nr. 200/1982 zu beurteilen. Die Zustellung zu eigenen Handen ist nach § 21 Abs. 2 leg. cit. an der Abgabenstelle durchzuführen. Nach erfolglosem zweiten Zustellversuch ist nach § 17 leg. cit. zu hinterlegen. Nach § 17 Abs. 1 leg. cit. ist Voraussetzung für die Hinterlegung unter anderem, daß die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Nach Abs. 3 dieses Paragraphen gelten hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hintelegte Sendung behoben werden konnte.

Abgabestelle ist nach § 4 leg. cit. der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist unter anderem die Wohnung. Es besteht kein Anlaß, den Begriff Wohnung anders als nach dem AVG 1950 (siehe oben) auszulegen.

Feststellungen darüber, daß der Beschwerdeführer unter der Anschrift X-platz zur Zeit der jeweiligen Hinterlegungen im hier maßgeblichen Sinn gewohnt hat, sind nicht getroffen worden. Hinsichtlich der Bedeutung der Niederschrift vom 3. Februar 1984 wird auf das hiezu schon oben Gesagte verwiesen. Auf die Frage der Berufungsbehörde an den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers, wann der Beschwerdeführer an die Abgabestelle zurückkehrte, hat der Befragte geantwortet, er beziehe sich auf sein bisheriges Vorbringen, insbesondere auf sein bisheriges Beweisanbot. Eine Feststellung dahin, der Beschwerdeführer sei innerhalb der Abholfrist an die Abgabestelle allenfalls zurückgekehrt, ist nicht getroffen worden. Die Berufungsbescheide in den zu 1) und 3) genannten Verwaltungsstrafverfahren erweisen sich daher als mit demselben Verfahrensmangel behaftet wie der Berufungsbescheid in dem zu 2) genannten Strafverfahren.

Die Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und b VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 Z. 1, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das bloß auf einem Additionsfehler beruhende Mehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am 28. Jänner 1985

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