VwGH 85/14/0093

VwGH85/14/009329.10.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Forster, über die Beschwerde der S Lederfabrik Gesellschaft mbH & Co Kommanditgesellschaft in F, vertreten durch Dr. Guido Held , Rechtsanwalt in Graz, Joanneumring 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 25. März 1985, Zl. 103-3/85, betreffend Aufhebung von Bescheiden des Finanzamtes Feldbach über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1982 und 1983 gemäß § 299 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
BAO §299 Abs1 litc;
BAO §299 Abs2;
BAO §299;
EStG 1972 §23 Z2;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §6 Z5;
EStG 1972 §7 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985140093.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Laut Gesellschaftsvertrag aus 1982 wurde von der Komplementär-GmbH der Beschwerdeführerin eine Fixkapitaleinlage von S 500.000,--

und von dem einzigen Kommanditisten eine "Hafteinlage" von S 10 Mio übernommen. In Anrechnung auf letztere sowie die Vermögensbeteiligung des Kommanditisten in gleicher Höhe brachte dieser laut dem erwähnten Vertrag das "Nutzungsrecht" an Teilen in seinem Eigentum stehender Liegenschaften ein, welches "in Ansehung des Erwerbspreises für eine 10-jährige Nutzungsdauer" mit S 5,2 Mio bewertet wurde, während die restliche "Hafteinlage" in Bargeld zu erbringen ist. Der Betriebsgewinn / verlust wird nach Berücksichtigung der Geschäftsführerentschädigung sowie der Risikoentschädigung der Komplementär-GmbH dieser mit 5 % und dem Kommanditisten mit 95 % gutgebracht. In der Eröffnungsbilanz der Beschwerdeführerin wurde das ihr vorn Kommanditisten in Anrechnung auf seine Einlage eingeräumte Nutzungsrecht an seinen Liegenschaften mit S 5,2 Mio aktiviert. Im Jahresabschluß 1982 und 1983 wurde hievon von der Beschwerdeführerin jeweils ein Zehntel, also 520.000 S, gewinnmindernd abgesetzt. Die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für diese beiden Jahre durch das Finanzamt erfolgte insoweit erklärungsgemäß. Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde die Bescheide des Finanzamtes jedoch gemäß § 299 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 BAO mit der Begründung auf, im Eigentum des Kommanditisten stehende, dem Betriebe der Gesellschaft dienende Wirtschaftsgüter seien notwendiges Betriebsvermögen der Gesellschaft, das jedoch infolge der zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse als Sonderbetriebsvermögen in einer Ergänzungsbilanz für den betreffenden Gesellschafter zum Ausweis gelange. Im Falle der Einbringung eines Nutzungsrechtes an einem Wirtschaftsgut müsse das zu nutzende Wirtschaftsgut bilanziert werden und nicht das Nutzungsrecht. Dies habe zur Folge, daß bei Einbringung eines Nutzungsrechtes an einem unbebauten Grundstück AfA nicht zulässig sei bzw. im Falle der Einbringung des Nutzungsrechtes an einem bebauten Grundstück AfA nur vom Gebäude - entsprechend der Nutzungsdauer desselben - zulässig sei. Aber auch die Bewertung habe sich an dem zur Nutzung eingebrachten Wirtschaftsgut zu orientieren. Es seien nämlich gemäß § 6 Z. 8 EStG 1972 die von den Gesellschaftern bei der Gesellschaftsgründung (in das Gesamteigentum oder nur zur Nutzung) eingebrachten Wirtschaftsgüter höchstens mit den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten, wobei die Anschaffungs- oder Herstellungskosten abnutzbarer Anlagegüter und die AfA, die auf die Zeit vor der Einbringung in den Betrieb entfällt, zu kürzen seien. Da das Finanzamt, ausgehend von der unrichtigen Auffassung, daß ein Wirtschaftsgut "Nutzungsrecht" ertragssteuerlich anzuerkennen sei, die nach dem Gesagten erforderlichen Ermittlungen unterlassen habe, seien dessen Bescheide inhaltlich rechtswidrig. Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei daher mit Bescheidaufhebung vorzugehen gewesen.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid, wie der Gesamtheit der Beschwerdeausführungen entnehmbar ist, in ihrem Recht auf Bestand der Bescheide des Finanzamtes verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Frage, wer wirtschaftlicher Eigentümer einer Liegenschaft ist, die einem Dritten zur betrieblichen Nutzung überlassen wurde, sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen; sie gehen nämlich am Wesentlichen des Beschwerdefalles vorbei:

1.1. Von der belangten Behörde wurden die Bescheide des Finanzamtes gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Bei Anwendung besagter Vorschriften durch die Oberbehörde sind von dieser in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes die Bescheide der Unterbehörde nach dem Stande der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erlassung zu überprüfen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1981, Zlen 747, 749/79, Slg. N. F. Nr. 5567/F).

Es kommt daher für die Beurteilung der Frage, ob das Finanzamt seine Ermittlungspflichten gemäß § 115 Abs. 1 BAO verletzt hat, darauf an, welcher Sachverhalt sich dem Finanzamt im Zeitpunkt der Erlassung seiner Bescheide auf Grund der abgegebenen Erklärungen und der ihnen beigeschlossenen Unterlagen dargeboten hat. Nicht entscheidend für die Prüfung der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unter dem Gesichtspunkt des § 299 Abs. 1 lit. c BAO ist daher jener Sachverhalt, der erst später durch Erklärungen der Beschwerdeführerin der Abgabenbehörde erster Instanz dahingehend vorgetragen wurde, die Liegenschaften seien notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmers (Spaltledererzeugung) des Kommanditisten, bei der Nutzungsüberlassung an die Beschwerdeführerin handle es sich um einen Bestandvertrag mit einem Zins von jährlich S 520.000,--, welcher bei der Beschwerdeführerin eine Betriebsausgabe und im Einzelunternehmen des Kommanditisten eine Einnahme darstelle.

1.2. Geht man von dem Sachverhalt aus, welcher dem Finanzamt anläßlich der aufgehobenen Feststellungsbescheide durch Vorlage des Gesellschaftsvertrages sowie der Rechnungsabschlüsse für 1982 und 1983 von der Beschwerdeführerin offengelegt worden war, so war eine Absetzung für Abnutzung im Ausmaß eines Zehntels des im Gesellschaftsvertrag angenommenen Wertes des Nutzungsrechtes an den Teilen der Liegenschaft des Kommanditisten der Beschwerdeführerin einkommensteuerrechtlich nicht zulässig. Das Recht zur Nutzung von Anteilen der Liegenschaft wurde von ersterem nämlich in Anrechnung auf seine Einlage in die Gesellschaft eingebracht. Danach bot sich kein Anhaltspunkt für die Annahme, die Überlassung der Nutzung von Liegenschaftsteilen durch den Kommanditisten an die Gesellschaft solle im Rahmen einer Leistungsbeziehung erfolgen, wie sie zwischen fremden, voneinander unabhängigen Dritten abgewickelt wird, wofür der Kommanditist jährliche Zinszahlungen in der Höhe von S 520.000,-- erhalte. Die Gesellschaft sollte, folgt man dem Gesellschaftsvertrag, die Nutzung von Liegenschaftsanteilen des Kommanditisten nämlich als Sacheinlage erhalten, die zwischen den Gesellschaftern auch entsprechend bewertet worden war. Die Einräumung der Nutzung erfolgte daher im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Beziehungen. Auf Grund dieser bestehen zwar Verpflichtungen zwischen den Gesellschaftern, nicht aber Forderungen oder Schulden zwischen Gesellschaft (Beschwerdeführerin) und ihren Gesellschaftern. Die Wirtschaftsgüter, welche der Gesellschaft auf Grund solcher gesellschaftsvertraglicher Beziehungen zur Verfügung stehen, sind daher die im Eigentum des Kommanditisten verbleibenden Teile von Liegenschaften, nicht aber eine Forderung der KG gegenüber dem Kommanditisten auf Duldung der Nutzung von Teilen seiner Liegenschaft, also ein Nutzungsrecht. Wirtschaftsgüter, die nicht im zivilrechtlichen Gesamthandeigentum der Mitunternehmerschaft, sondern im Eigentum eines Mitunternehmers stehen, aber der Gesellschaft zur Nutzung überlassen sind, gehören zum sogenannten Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers. Zu dessen Sonderbetriebsausgaben zählen die Absetzung für Abnutzung, soweit eine solche Art des Wirtschaftsgutes in Betracht kommt.

Das Finanzamt hätte daher auf Grund des ihm von der Beschwerdeführerin offengelegten Sachverhaltes gemäß § 115 Abs. 1 BAO die AfA von allfälligen Gebäuden auf den von der Beschwerdeführerin genutzten Liegenschaftsanteilen zu ermitteln gehabt, um sie sodann im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte als Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten zu berücksichtigen, während die AfA im Ausmaß von 10 v. H. des mit S 5,2 Mio geschätzten Nutzungsrechtes aus der Ertragsberechnung der Beschwerdeführerin auszuscheiden gewesen wäre.

In der Unterlassung dieser erforderlichen Ermittlungen hat die belangte Behörde daher zutreffenderweise eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt, welche sie zur Aufhebung der Bescheide des Finanzamtes gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO berechtigte. Für die Bescheidbehebung nach § 299 Abs. 1 lit. c BAO ist nämlich maßgeblich, ob bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können und nicht, ob ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden müssen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1985, Zl. 84/14/0074).

2. Weiters macht die Beschwerdeführerin der belangten Behörde den Vorwurf, diese habe es unterlassen, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 115 Abs. 1 BAO zu ermitteln, sie habe "die Abführung eines einwandfreien Verfahrens aus der Sicht der ordnungsgemäß erfüllten Begründungspflicht unterlassen, sodaß zur Klärung der Sachverhaltsfrage das Recht auf das Parteiengehör gemäß § 115 Abs. 2 BAO verletzt wurde".

2.1. Zwar muß vor Erlassung eines Aufhebungsbescheides gemäß § 299 Abs. 2 BAO der Sachverhalt, aus dem sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts des aufzuhebenden Bescheides ergibt, einwandfrei geklärt sein; es müssen daher alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Aufhebung in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt und in der Begründung des Aufhebungsbescheides festgestellt werden, wobei in dem der Aufhebung vorausgehenden Verfahren die Verpflichtung zur Gewährung des Parteiengehörs dann besteht, wenn ein neuer Sachverhalt angenommen oder neue Beweise aufgenommen wurden (vgl. etwa zuletzt die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1985, Zl. 84/13/0091, und vom 5. Juni 1985, Zl. 84/13/0255).

Im vorliegenden Fall wurde die Aufhebung der Bescheide des Finanzamtes jedoch nicht nur auf § 299 Abs. 2 BAO, sondern auch auf § 299 Abs. 1 lit. c BAO gestützt. Wird ein Bescheid aus mehreren Gründen durch die Oberbehörde aufgehoben, so ist der Aufhebungsbescheid nicht rechtswidrig, wenn er sich nur in einem Aufhebungsgrund als berechtigt erweist (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1982, Zl. 82/14/0036, und vom 18. Oktober 1984, Zl. 83/15/0049). Die auf § 299 Abs. 1 lit. c BAO gestützte Aufhebung der Bescheide des Finanzamtes entsprach jedoch, wie bereits oben dargelegt, dem Gesetz. Den Ausführungen in der Beschwerde läßt sich nicht entnehmen, welcher im Rahmen dieses Aufhebungsgrundes wesentliche Sachverhalt infolge Verletzung des Parteiengehörs unerörtert geblieben sein soll. Die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt daher ebenfalls nicht vor.

2.2. Es bedarf somit nicht mehr der Erörterung der Frage, ob die belangte Behörde ihren Bescheid auch auf § 299 Abs. 2 BAO stützen durfte oder ob es hiezu noch weiterer Ermittlungen und Feststellungen bedurft hätte.

3. Da die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid somit in ihren Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen .

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 29. Oktober 1985

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