Normen
EStG 1972 §41 Abs1
EStG 1972 §47
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1985140010.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 9.960 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die GmbH, deren Stammkapital zu 51 % von der Gebietskörperschaft gehalten wird, bestellte in ihrer außerordentlichen Generalversammlung vom 28. November 1974 den Beschwerdeführer, der nicht an ihrem Stammkapital beteiligt ist, neben einer anderen Person zum Geschäftsführer für kaufmännische Belange. Der Beschwerdeführer wurde für seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH von der Gebietskörperschaft unter Aufrechterhaltung seines öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses „abgeordnet“, bezog jedoch weiterhin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der Gebietskörperschaft, die ihm von deren Besoldungsstelle angewiesen wurden. Zwischen dem Beschwerdeführer und der GmbH wurde kein formeller Dienstvertrag abgeschlossen.
Am 23. März 1978 übersandte die Gebietskörperschaft folgendes Schreiben an die GmbH:
„Es wird mitgeteilt, daß die Landesregierung in ihrer Sitzung vom 20. März 1978 den Beschluß gefaßt hat, daß Herr Dr. PR (d.i. der Beschwerdeführer) zur Dienstleistung bei der GmbH nur insoferne abgeordnet wird, als dies zur Besorgung der ihm bei dieser Gesellschaft zugeordneten Aufgaben erforderlich ist. Im übrigen ist Herr Landesregierungsrat Dr. PR bei der Rechtsabteilung 10 des Amtes der Landesregierung einzusetzen.
Die GmbH hat dem Land die Bezüge Dr. PR pauschaliert mit 25 % zu refundieren, wobei zum Jahresende etwaige bedeutende Abweichungen nachträglich zwischen dem Land und der GmbH abzurechnen sind. Des weiteren hat die GmbH die Herrn Dr. PR derzeit gezahlte Reisepauschale einschließlich Mehrleistungsvergütung in der Höhe von derzeit S 8.819,‑ ‑ dem Land zu refundieren.“
In ihrer ordentlichen Generalversammlung vom 22. Juni 1978 faßte die GmbH den Beschluß, dem Beschwerdeführer eine Bilanzprämie von 63.000 S zuzuerkennen, worauf der Beschwerdeführer der GmbH diesen Betrag zuzüglich 18 % Umsatzsteuer in Rechnung stellte.
In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1978 wies der Beschwerdeführer ‑ neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die ihm von der Besoldungsstelle der Gebietskörperschaft angewiesen worden waren ‑ den der GmbH (brutto) in Rechnung gestellten Betrag unter Abzug von Betriebsausgaben als Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus.
Das Finanzamt ordnete die aus der Bilanzprämie bezogenen Einkünfte den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu und veranlagte den Beschwerdeführer dementsprechend zur Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer, wobei es zur Begründung auf die Bestimmungen des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG verwies.
In der gegen den Einkommen- und Gewerbesteuerbescheid erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, mangels einer Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr könnten die in der Bilanzprämie bestehenden Einkünfte nur unter die sonstigen Einkünfte im Sinn des § 29 EStG subsumiert werden.
Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung zu § 23 leg. cit. als unbegründet ab.
Dem hielt der Beschwerdeführer im Vorlageantrag entgegen, er trete für die GmbH nach außen hin nicht selbständig, sondern lediglich als deren Geschäftsführer auf. Es sei ihm, weil er nach wie vor Beamter der Gebietskörperschaft sei, auch verboten, in irgendeiner Weise selbständig tätig zu werden. Er habe die Geschäftsführung der GmbH nur über Wunsch und Auftrag der Gebietskörperschaft übernommen, weswegen seine Bezüge nach wie vor von deren Besoldungsstelle angewiesen würden. Wenn überhaupt, so könne die Bilanzprämie nur unter die sonstigen Einkünfte subsumiert werden.
Im Zug einer über Anordnung der belangten Behörde gemäß § 151 BAO durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurden Feststellungen zur Anzahl der Anwesenheitstage des Beschwerdeführers bei der Gebietskörperschaft bzw. der GmbH, zu den damit verbundenen Reisebewegungen und Reiseaufwendungen sowie zu den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Sonderausgaben getroffen.
Die belangte Behörde vertrat im nunmehr angefochtenen Bescheid, der wegen des irrtümlich nicht gewährten Arbeitnehmerabsetzbetrages später gemäß § 293 BAO berichtigt wurde, die Ansicht, die dem Beschwerdeführer in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH ausbezahlte Bilanzprämie stelle einen von dritter Seite gewährten und daher nicht durch Lohnsteuerabzug, sondern im Weg der Veranlagung zu erfassenden Vorteil aus dem Dienstverhältnis zur Gebietskörperschaft dar. Sie stellte daher fest, daß der Beschwerdeführer nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen habe, änderte jedoch den Einkommensteuerbescheid zum Nachteil des Beschwerdeführers insofern ab, als sie die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung hinsichtlich der Reisewegvergütungen, der Werbungskosten sowie der Sonderausgaben berücksichtigte und hob den Gewerbesteuerbescheid ersatzlos auf.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der sodann zunächst an ihn erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 24. November 1984, B 36/84‑7, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer in seinem gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erstatteten Schriftsatz sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer stellt zwar außer Streit, daß die Bilanzprämie den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen ist, und er somit im Jahr 1978 nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat, erachtet sich aber in seinem Recht auf „gesetzesmäßige Anwendung der Bestimmungen des EStG 1972, insbesondere durch die Nichtanwendung bzw. nicht richtige Anwendung der §§ 18, 26 und 86 Abs. 3 EStG 1972 verletzt“. Er hält ferner fest, daß sein Arbeitgeber, die Gebietskörperschaft, für die Lohnsteuer im Haftungsweg heranzuziehen gewesen wäre.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im gegenständlichen Fall gehen beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, daß zwischen der Gebietskörperschaft und der GmbH ein sogenannter Arbeitnehmergestellungsvertrag vorliegt und dem Beschwerdeführer nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zugeflossen sind.
Bei einem Arbeitnehmergestellungsvertrag besteht in der Regel nur ein Dienstverhältnis gegenüber demjenigen, der den Arbeitnehmer zur Verfügung stellt (Arbeitgeber), nicht jedoch ‑ mangels Auszahlung von (steuerpflichtigem) Arbeitslohn ‑ zwischen dem Arbeitnehmer und demjenigen, gegenüber dem die Arbeitsleistung erbracht wird.
Im Beschwerdefall spricht aber die Aktenlage dafür, daß der Beschwerdeführer auch gegenüber der GmbH, an deren Stammkapital er nicht beteiligt ist, in einem weiteren Dienstverhältnis stand. Wurde doch der Beschwerdeführer gegenüber der GmbH in einer Weise tätig, in der üblicherweise nicht am Stammkapital einer Gesellschaft beteiligte Geschäftsführer dieser gegenüber tätig werden, somit in weisungsgebundener Eingliederung in das Unternehmen nach Art eines Dienstverhältnisses. (Das Vorliegen eines Werkvertrages wurde nie behauptet.) Der Beschwerdeführer schuldete der GmbH gemäß § 47 Abs. 3 als Geschäftsführer seine Arbeitskraft, weil er in Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung der GmbH stand bzw. deren Weisungen zu befolgen hatte. Daran vermag im gegenständlichen Fall auch der Umstand nichts zu ändern, daß zwischen der GmbH und dem Beschwerdeführer weder ein formeller Dienstvertrag abgeschlossen wurde, noch laufende Bezüge unmittelbar über die Besoldungsstelle der Gebietskörperschaft als Zahl- und Verrechnungsstelle ausbezahlt wurden.
Bei der gegebenen Sachlage war die GmbH als (zweiter) Arbeitgeber des Beschwerdeführers im Sinn des § 47 Abs. 1 EStG anzusehen und wäre somit gemäß §§ 78 und 79 EStG in Verbindung mit § 81 leg. cit. verpflichtet gewesen, von der von ihr und nicht von dritter Seite ausbezahlten Bilanzprämie Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.
Der Beschwerdeführer hätte gemäß § 41 Abs. 1 EStG nur dann zur Einkommensteuer veranlagt werden dürfen, wenn die Einkünfte, von denen ein Steuerabzug (vom Arbeitslohn) nicht vorzunehmen ist, mehr als 10.000 S betragen haben. Auf den Umstand, daß ein Lohnsteuerabzug zu Unrecht nicht vorgenommen wurde, kommt es bei der Anwendung dieser Bestimmung nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. März 1964, Zl. 1739/63). Die Veranlagung zur Einkommensteuer auf Grund des § 41 Abs. 1 EStG war daher rechtswidrig. Andere Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes, auf Grund derer eine Veranlagung erfolgen hätte können, sind ersichtlich nicht anwendbar.
Die vom Beschwerdeführer vertretene Ansicht, die Gebietskörperschaft wäre verpflichtet gewesen, für den ihm von der GmbH ausbezahlten Betrag Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen, erweist sich zwar als unrichtig, würde jedoch im Ergebnis ebenfalls dazu führen, daß eine Veranlagung zur Einkommensteuer rechtswidrig wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf die nur im Fall einer Veranlagung relevanten sonstigen Beschwerdepunkte einzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war (vgl. § 28 Abs. 5 VwGG), die sonstigen Beschwerdebeilagen für die Rechtsverfolgung vor dem Verwaltungsgerichtshof entbehrlich waren und für die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichtenden Stempelgebühren kein Ersatz zugesprochen werden konnte.
Hinsichtlich des nicht in der Amtlichen Sammlung enthaltenen zitierten hg. Erkenntnisses wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Wien, am 27. Oktober 1987
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