VwGH 85/13/0180

VwGH85/13/01804.2.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat Dr. Papierer über die Beschwerde der CP in W, vertreten durch Dr. Fritz Leon, Rechtsanwalt in Wien I, Reichsratsstraße 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. September 1985, GA 5‑2194/1/85, betreffend Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfen, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §27 Abs1
EStG 1972 §41 Abs3
FamLAG 1967 §5 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1985130180.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.600,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezog als Anspruchsberechtigte für ihren am 8. Dezember 1964 geborenen Sohn M bis Juli 1984 Familienbeihilfe einschließlich des Erhöhungsbetrages für erheblich behinderte Kinder. Anläßlich einer Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches wurde festgestellt, daß das genannte Kind im Dezember 1982 das 18. Lebensjahr vollendet und neben einer Waisenpension auch noch Einkünfte aus Kapitalvermögen hatte. Hierauf forderte das Finanzamt mit Bescheid die für die Zeit vom 1. Jänner 1983 bis 31. Juli 1984 bezogenen Familienbeihilfenbeträge zurück.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Sohn M 1983 „neben der außer Betracht bleibenden Waisenrente“ nur Einkünfte aus Kapitalvermögen bezogen habe, die nach Abzug des gemäß § 3 Z. 31 EStG 1972 steuerfrei zu verbleibenden Betrages sowie von Spesen und Depotgebühren S 56.037,‑ ‑ betragen würden. Davon sei jedoch „gemäß § 41 Abs. 3 EStG ein steuerfreier Betrag in der Höhe von S 10.000,‑ ‑ abzuziehen, so daß die einkommensteuerpflichtigen Bezüge insgesamt S 46.037,‑ ‑ betragen und sohin deutlich unter dem Jahresrichtbetrag von S 50.076,‑ ‑ liegen“. Daneben sei aber auch in Betracht zu ziehen, daß die Kapitalerträge nicht in einem monatlichen Betrag in der Höhe eines Zwölftels der Jahreseinkünfte zugeflossen seien. Das Finanzamt hätte daher seiner Entscheidung eine Aufstellung der depotführenden Banken über das zeit- und betragsmäßige Zufließen der Erträge zugrunde legen müssen, um zu einem sachlich richtigen Ergebnis zu gelangen.

Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt dieses Rechtsmittel ab. Innerhalb offener Frist beantragte die Beschwerdeführerin hierauf die Vorlage desselben an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung ab und führte begründend aus:

Unbestritten sei, daß, da sowohl die nach § 3 Z. 31 EStG 1972 als einkommensteuerfrei zu behandelnden Zinsen als auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 5 Abs. 1 lit. a und c FLAG 1967 „bei der Einkunftsermittlung außer Betracht zu bleiben haben“, zur Beurteilung, ob familienbeihilfenschädliche Einkünfte von M bezogen worden seien oder nicht, nur die Einkünfte aus Kapitalvermögen in der nicht in Streit stehenden Höhe S 56.037,‑ ‑ betrage, verblieben. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, daß von diesem Betrage noch die gemäß § 41 Abs. 3 EStG 1972 bei der Veranlagung zu berücksichtigenden S 10.000,‑ ‑ abzuziehen seien, vermöge sich die belangte Behörde nicht anzuschließen; handle es sich dabei doch um einen Freibetrag, nicht aber darum, daß „die Einkünfte bis zu diesem Betrag von der Einkommensteuer befreit“ seien.

Wenn die Beschwerdeführerin ferner die Ansicht vertrete, daß die vorgenommene „Ermittlung des Jahresdurchschnittes“ im Gesetz keine Deckung finde, müsse ihr entgegengehalten werden, „daß die von ihr vertretene Ansicht einer Aushöhlung des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 gleichkäme“. Vor allem bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb sei eine monatweise Gewinnermittlung praktisch nicht durchführbar, „weswegen nur der jährliche Gewinn durch zwölf geteilt werden kann (soferne die Tätigkeit des Kindes das ganze Jahr hindurch gedauert hat), um in vernünftiger Weise beurteilen zu können, ob die maßgebliche Einkunftsgrenze überschritten wurde“. Dies gelte auch für die im Streitfall in Rede stehenden Einkünfte aus Kapitalvermögen. Da aber das Kind M „im streitgegenständlichen Zeitraum Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1972 in der Höhe von monatlich S 4.670,‑ ‑ (dieser Betrag kann auch für das Kalenderjahr 1984 angenommen werden) bezogen hat“ und diese Einkünfte betragsmäßig die für den Rückforderungszeitraum maßgeblichen monatlichen Richtsätze (für 1983 S 4.173,‑ ‑, für 1984 S 4.370,‑ ‑) überstiegen, sei die Berufung abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und selbst Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 EStG 1972 in einem S 2.500,‑ ‑ monatlich übersteigenden Betrag beziehen. Bei einem erheblich behinderten Kind erhöht sich dieser Betrag auf die Höhe des Richtsatzes gemäß § 293 Abs. 1 lit. a, bb im Zusammenhang mit Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955. Bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes bleiben außer Betracht:

a) die durch Gesetz als einkommensteuerfrei erklärten Bezüge,

b) Entschädigungen aus einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse,

d) Bezüge, die ein in Schulausbildung befindliches Kind aus einer ausschließlich während der Schulferien ausgeübten Beschäftigung bezieht.

Es ist unbestritten, daß der erheblich behinderte Sohn der Beschwerdeführerin im Streitzeitraum sein 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte, daß er ‑ wie sich auch aus dem im Verwaltungsakt befindlichen betreffenden Einkommensteuerbescheid ergibt ‑ 1983 Einkünfte sowohl aus nichtselbständiger Arbeit wie auch aus Kapitalvermögen bezog, im Sinne des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 jedoch nur die Einkünfte der letztgenannten Einkunftsart zu beachten waren, daß diese Einkünfte nach Abzug der Werbungskosten und nach dem Ausscheiden der in ihnen enthaltenen gemäß § 3 Z. 31 EStG 1972 steuerfreien Teile die Höhe von S 56.037,-- erreichten sowie daß die im Streitfall gemäß § 5 Abs. 1 FLAG 1967 anzuwendenden Richtsätze für 1983 S 4.173,‑ ‑ und für 1984 S 4.370,‑ ‑ betrugen.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, daß die Einkünfte aus Kapitalvermögen bei Ermittlung ihrer Höhe im Sinne des § 5 Abs. 1 FLAG 1967, jedenfalls noch um den Freibetrag gemäß § 41 Abs. 3 EStG 1972 (S 10.000,‑ ‑) zu vermindern wären; denn „bei der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe“ sei „nur jener Betrag als Einkünfte des Kindes heranzuziehen, der sich unter Berücksichtigung der steuerfreien Beträge gemäß § 41 EStG ergibt“. Dieser Ansicht vermag sich der Gerichtshof nicht anzuschließen; denn aus dem in § 5 Abs. 1 FLAG 1967 enthaltenen Hinweis auf § 2 Abs. 3 EStG 1972 ergibt sich, daß die Höhe der Einkünfte ausschließlich nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1972 zu ermitteln ist. „Einkünfte“ im Sinne des EStG 1972 aber sind der Gewinn (bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb) bzw. der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (bei allen anderen Einkunftsarten). Der, lediglich für den Fall der Einkommensteuerveranlagung bei Vorliegen des in § 41 Abs. 3 EStG 1972 normierten Tatbestandes anzuwendende Freibetrag stellt aber weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten dar und findet daher bei den nach § 5 Abs. 1 FLAG 1967 maßgebenden Einkünften eines Kindes keine ' Berücksichtigung (vgl. Burkert‑Hackl‑Wohlmann‑Reinold, Kommentar zum Familienlastenausgleich, Kommentar zu § 5, Punkt 2, und Zatlasch‑Simon, Das Beihilfenrecht, 2. Auflage, Seite 25). Demgemäß ist aber im Streitfall davon auszugehen, daß der Sohn der Beschwerdeführerin, Markus, 1983 im Sinne der letztzitierten Gesetzesbestimmung maßgebende Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von S 56.037,‑ ‑ bezogen hat.

Der Gerichtshof teilt auch die Auffassung der belangten Behörde, daß, wenn ein Kind Einkünfte aus Kapitalvermögen bezieht, die in den einzelnen Monaten eines bestimmten Ermittlungszeitraumes (Kalenderjahr) den nach § 5 Abs. 1 FLAG 1967 maßgebenden Betrag nicht erreichen, in anderen aber übersteigen, zur Ermittlung der monatlichen Einkünfte, die während dieses Zeitraumes insgesamt bezogenen Einkünfte gleichmäßig auf die Monate aufzuteilen sind, während welcher die Grundlage für die Erzielung der betreffenden Einkünfte aus Kapitalvermögen bestanden hat. Dies deshalb, weil, wie die belangte Behörde sinngemäß richtig erkannte, nur diese Fiktion von Einkünften in monatlich gleicher Höhe ‑ welche im übrigen im Zusammenhang mit den Bestimmungen des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 auch bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb Anwendung findet (vgl. Zatlasch‑Simon a.a.O., Seite 26, Grone‑Obenbigler, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, Seite 22) ‑ jede willkürliche Lenkung von anspruchsbegründeten und anspruchsvernichtenden Voraussetzungen, etwa durch Anschaffung von Wertpapieren, von welchen meist jährlich nur in einem Monat «Zinsen anfallen, ausschließen.

Die belangte Behörde hat sich daher insoferne keiner Rechtswidrigkeit schuldig gemacht, als sie die M 1983 unbestrittenermaßen zugeflossenen Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von S 56.037,‑ ‑ für die Beurteilung der im Sinne des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 maßgebenden Frage auf die zwölf Monate dieses Ermittlungszeitraumes gleichmäßig aufteilte und auf dieser Basis zu dem Ergebnis gelangte, daß das Kind M 1983 monatlich Einkünfte bezogen hat, die betragsmäßig die Höhe der monatlichen Richtsätze gemäß § 293 Abs. 1 lit. a, bb im Zusammenhang mit Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 159/1955, überstiegen. Mit Recht durfte sie auf Grund dieser Tatsache zu der Auffassung gelangen, daß die Beschwerdeführerin 1983 für ihren Sohn M Familienbeihilfenbeträge zu Unrecht bezogen hat.

Der Beschwerdeführerin ist allerdings beizustimmen, wenn sie insofern eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt, als dieser „der Beschwerdeführerin den Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Juli 1984 abspricht“; denn ohne daß die belangte Behörde dies in Abrede stellen würde, weist die Beschwerdeführerin darauf hin, daß eine Einkommensteuerveranlagung des M für 1984 und eine Ermittlung seiner Einkünfte für diesen Zeitraum noch nicht stattgefunden hat, die Höhe dieser Einkünfte, die ja im Sinne des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 entscheidend ist, überhaupt noch nicht bekannt war. Diesbezüglich bedarf es einer Ergänzung des Sachverhaltes. Der bloße, nicht näher begründete Hinweis im angefochtenen Bescheid, daß die fiktiven monatlichen Einkünfte des Kindes M auch 1984 mit S 4.670,‑ ‑ „angenommen werden“ könnten, stellt sich als nicht ausreichend dar. Nur im Hinblick darauf war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 4. Februar 1987

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