VwGH 85/06/0046

VwGH85/06/004618.4.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder und Dr. Würth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerden 1. des A in B und 2. der C Handels- und Produktionsgesellschaft m.b.H. & Co KG in D, beide vertreten durch E, Rechtsanwalt, gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung vom 31. Jänner 1985, beide unter der Za. Ve-550-1145/1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. F in G, 2. Gemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §431
BauO Tir 1978 §30
BauRallg implizit

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985060046.X00

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den Beschwerden ergibt sich in Verbindung mit den vorgelegten angefochtenen Bescheiden nachstehender Sachverhalt: Der Erstmitbeteiligte beantragte mit Eingabe vom 31. August 1984 die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Nr. 1418/5, KG X. Der zur Bauverhandlung geladene Erstbeschwerdeführer erklärte als „außerbücherlicher Miteigentümer“ der Grundstücke Nr. 2356/1 und 1401 (Kraftwerk), daß er sein Recht auf Benützung des gesamten Bauplatzes geltend mache. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde zur Bauverhandlung nicht geladen. Mit Bescheid vom 15. Oktober 1984 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung unter einer Reihe von Auflagen; weiters wurde ausgesprochen, daß über die Einwendungen des Erstbeschwerdeführers mangels Parteistellung nicht abgesprochen werde; dieser sei nämlich nicht Eigentümer der angrenzenden Grundstücke, grundbücherlicher Eigentümer sei (nach wie vor) die Firma vertreten durch den Masseverwalter. Mangels (grund-bücherlichen) Eigentumsrechts des Erstbeschwerdeführers habe dieser keine Stellung als Nachbar im Sinne der TBO.

In der dagegen erhobenen Berufung des Erstbeschwerdeführers wurde ausgeführt, daß er „außerbücherlicher Eigentümer“ der genannten Grundstücke sei, was ausreiche, um ihm die Parteistellung im Rahmen des Bauverfahrens zu erteilen. Die Übergabe und Übernahme der Liegenschaft im Besitz, Genuß, Wag und Gefahr durch den Erstbeschwerdeführer sei bereits erfolgt, nachdem dieser vom Masseverwalter das Miteigentum an den Liegenschaften käuflich erworben habe.

Auch die Zweitbeschwerdeführerin erhob Berufung gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung, daß sie zur Bauverhandlung nicht geladen worden sei, obwohl sie „außerbücherliche Eigentümerin“ des Kraftwerks, bestehend aus einer Reihe von Grundparzellen (darunter auch die schon vom Erstbeschwerdeführer genannten), sei. Da die formellen Abwicklungen betreffend Durchführung des Kaufvertrages äußerst schwierig seien, habe die Übergabe und Übernahme bereits mit 1. August 1983 stattgefunden, sodaß zumindest seit diesem Zeitpunkt alle Rechte und Pflichten auf die Zweitbeschwerdeführerin übergegangen seien.

Beide Berufungen wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde am 19.November 1984 als unbegründet ab.

Die dagegen erhobenen Vorstellungen der beiden Beschwerdeführer wies die belangte Behörde mit den im wesentlichen den gleichen Inhalt aufweisenden angefochtenen Bescheiden ab. Begründend führte sie aus, daß nach § 30 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung (TBO) nur das Eigentum oder das dem Eigentum gleichzusetzende Baurecht an der Nachbarliegenschaft die Rechtsstellung einer Partei des Baubewilligungsverfahrens verleihe. Da die Beschwerdeführer gar nicht in Abrede gestellt hätten, daß die mit dem Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma abgeschlossenen Kaufverträge noch nicht verbüchert worden sei, seien sie auch nicht als Eigentümer anzusehen; dies richte sich nämlich ausschließlich nach den Bestimmungen des Zivilrechtes und gemäß § 431 ABGB könne die Erwerbung, Übertragung, Beschränkung und Aufhebung bücherlicher Rechte nur durch Eintragung im Grundbuch bewirkt werden. Von diesem Eintragungsgrundsatz bestünden zwar Ausnahmen (z.B. Erwerb des Erben durch Einantwortung, Erwerb des Erstehers bei der Zwangsversteigerung durch Zuschlag, Erwerb bei der Enteignung durch Erlag der Entschädigungssumme, Erwerb durch Ersitzung nach Ablauf der Ersitzungszeit), doch gehöre die Übergabe eines Grundstückes auf Grund Kaufvertrages in den außerbücherlichen Besitz nicht zu diesen Ausnahmen. Durch die Übergabe seien die Beschwerdeführer nur Naturalbesitzer, nicht aber Eigentümer geworden.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Beide Beschwerdeführer fühlen sich nach ihren Ausführungen in dem Recht verletzt, daß ihnen als Nachbarn Parteistellung zukomme. Wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, die beiden Beschwerden zu verbinden, und hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat erwogen:

Die Ausführungen der Beschwerdeführer gehen an der eindeutigen Rechtslage vorbei. Gemäß § 30 TBO sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Verbauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Mangels einer besonderen Regelung, was die Tiroler Bauordnung unter „Eigentümer“ versteht, ist die Beurteilung ausschließlich auf die Normen des Zivilrechts abzustellen. Wie schon die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, bedarf es gemäß § 431 ABGB - abgesehen von einzelnen, hier nicht in Betracht kommenden gesetzlichen Ausnahmen, wie etwa Einantwortung oder Enteignung - zur Übertragung des Eigentums an verbücherten Sachen der, Einverleibung im Grundbuch. Die tatsächliche physische Übergabe der Liegenschaft, auf die die Beschwerdeführer besonderen Wert legen, ist sachenrechtlich bedeutungslos (vgl. Spielbüchler in Rummel, Kommentar zum ABGB, Rdz 11 zu § 431). § 30 TBO ist daher zwar nicht auf bücherliche Eigentümer zu beschränken, sondern umfaßt auch außerbücherliches Eigentum. Die Beschwerdeführer sind jedoch nach ihrem Vorbringen weder bücherliche noch außerbücherliche Eigentümer, sondern lediglich durch die Publizianische Klage geschützte Ersitzungsbesitzer. Soweit die Beschwerdeführer mit Gutglaubensschutz und ähnlichem argumentieren, verwechseln sie Folgen der Doppelveräußerung und des Anspruches des Ersitzungsbesitzers gegen den bösgläubigen Eigentumserwerber. mit der Frage des Erwerbes des Eigentums. Die „zahlreichen Entscheidungen zu § 431 ABGB“ sprechen daher auch lediglich aus, daß der vertragliche außerbücherliche Erwerber (nicht Eigentümer) seine Rechte übertragen und sie auch gegenüber jedem Rechtsnachfolger des ursprünglichen Veräußerers geltend machen könne, der nicht im Vertrauen auf das Grundbuch erworben habe (vgl. etwa die unter Nr. 7 zu § 431 ABGB in MGA31 zitierten Entscheidungen). Die Frage der Durchsetzbarkeit obligatorischer Ansprüche auf Erwerb des Eigentums hat jedoch mit der Frage, wann dingliches Eigentum erworben wurde, nichts zu tun. Der außerbücherliche Erwerb der Beschwerdeführer kann daher dem Eigentum im Sinne des § 30 TBO nicht gleichgestellt werden (vgl. zuletzt etwa auch das hg. Erkenntnis vom 18. September 1984, Zl. 83/05/0163, Baurechts Slg. Nr. 298, zur Oberösterreichischen Bauordnung).

Nicht ganz verständlich ist der Hinweis auf die „einschlägige Übung der Baubehörden“, wonach der Nachweis des Bauwerbers ausreiche, daß er „außerbücherlicher Eigentümer“ sei, indem er einen rechtsgültigen Kaufvertrag vorlege. Abgesehen davon, daß Verwaltungsübungen Rechtsvorschriften nicht ändern könnten, übersehen die Beschwerdeführer offensichtlich, daß der Bauwerber gemäß § 27 Abs. 2 lit. b TBO nicht Eigentümer des zu bebauenden Grundstückes sein muß, es vielmehr genügt, eine Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen; ob in einzelnen Erklärungen eines Kaufvertrages eine derartige Zustimmung zu erblicken ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden.

Da schon der Inhalt der Beschwerden erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorlag, waren sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 18. April 1985

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