Normen
AVG §42 Abs1
BauO NÖ 1976 §118 Abs9
BauO NÖ 1976 §99 Abs4
BauRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985050138.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. April 1984 wurde dem Erstmitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung zum Neubau einer Wohnhausanlage mit insgesamt 19 Wohneinheiten auf den Grundstücken Nr. 260/1, 260/2 und 279/1, EZ. 1071 des Grundbuches über die Kat. Gem. X, unter Vorschreibung verschiedener Auflagen erteilt. Die privatrechtlichen Einwendungen des Beschwerdeführers "betreffend Entwertung seiner Liegenschaft durch den Neubau" wurden gemäß § 99 Abs. 4 der NÖ Bauordnung auf den Zivilrechtsweg verwiesen und seine öffentlich-rechtliche Einwendung "wegen zu dichter und zu hoher Verbauung, Widerspruch des Bauvorhabens mit der umliegenden Bebauung und zur Landschaft" unter Berufung auf § 98 Abs. 1 leg. cit. als unbegründet abgewiesen.
Die dagegen eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem auf dem Sitzungsbeschluß vom 27. Juni 1984 beruhenden Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 1. Oktober 1984 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen. In der Begründung ihres Bescheides stellte die Berufungsbehörde zu den vom Beschwerdeführer befürchteten bzw. geltend gemachten Immissionen bezüglich der Abfuhr der Niederschlagswässer auf dem Bauplatz und deren Beseitigung durch Versickerung auf eigenem Grund fest, daß durch die projektierten Neubauten an der Größe des Grundstückes und an der Menge der Niederschläge nichts geändert werde. Die auf dem bisher unverbauten Grundstück anfallenden Niederschlagswässer seien ohne irgendwelche technischen Maßnahmen und ohne Feststellung oder Geltendmachung von Immissionen auf die Nachbargrundstücke versickert. Eine Änderung trete nur insoweit auf, als das auf den Dachflächen anfallende Niederschlagswasser, da es nicht an Ort und Stelle versickern könne, sowohl für die Objekte als auch für den eigenen Bauplatz sowie für die Nachbargrundstücke schadlos abgeführt werden müsse. Dafür seien für jedes Ablaufrohr, auf dem Grundstück verteilt, entsprechende Sickerschächte vorgesehen. Damit sei eine schadlose Abfuhr der auf den Dachflächen anfallenden Niederschlagswässer sowohl für den Bauplatz als auch für die angrenzenden Liegenschaften gegeben. Hinsichtlich der Einwendungen betreffend das Orts- und Landschaftsbild werde auf die positive Beurteilung durch das NÖ Gebietsbauamt in seinem Gutachten vom 21. März 1984 hingewiesen. Im Zusammenhang mit der geltend gemachten Nichtbeachtung der im Entwurfstadium befindlichen Bebauungspläne werde ausgeführt, daß ein Bauvorhaben nur nach dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan und den geltenden Bebauungsvorschriften beurteilt und bewilligt werden könne, da der in Ausarbeitung befindliche Bebauungsplan in keiner Hinsicht rechtswirksam angewendet werden könne und eine Bausperre nicht verfügt worden sei.
Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 26. Juni 1985 wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen diesen Berufungsbescheid gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.
Die Aufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung damit, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus Vorschriften über den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte erwachsen, weshalb durch das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers keine subjektivöffentlichen Anrainerrechte geltend gemacht worden seien. Bei der Erledigung dieses Vorbringens habe daher auch kein Verfahrensrecht des Beschwerdeführers wirksam verletzt werden können. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Versickerung der Niederschlagswässer und der behaupteten Gefährdung seines Grundstückes könne die Aufsichtsbehörde schon deshalb nicht nähertreten, weil es der Beschwerdeführer erstmals in seiner Stellungnahme vom 9. April 1984, d. h. nach dem Ende der Bauverhandlung, vorgebracht habe. Da in der Ladung zur Bauverhandlung ordnungsgemäß auf die Folgen des § 42 AVG 1950 hingewiesen worden sei, sei dieser Einspruch schon auf Grund seiner Ausgeschlossenheit vom weiteren Bauverfahren unbeachtlich (sogenannte Präklusionsfolge). Überdies erscheine er fachlich völlig unbegründet und im Widerspruch zur Lebenserfahrung. Der durch Bauarbeiten im Zuge eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens verursachte Lärm sei in der NÖ Bauordnung 1976 nicht als Gegenstand der Auseinandersetzung im Baubewilligungsverfahren vorgesehen. Daher habe ein Recht auf Abwehr eines solchen auch durch die bekämpfte Berufungsentscheidung nicht verletzt werden können. Ferner begründete die belangte Behörde in diesem Zusammenhang, warum durch das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten weder die zulässige Bebauungshöhe noch die festgelegte Bebauungsdichte überschritten werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Mit dem am Tage vor Beginn der gegenständlichen Bauverhandlung, und sohin im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG 1950 rechtzeitig, bei der Behörde eingelangten Schriftsatz vom 23. Februar 1984 hat der Beschwerdeführer gegen das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten nachstehende Einwendungen erhoben:
"Durch die Gestalt des aufzuführenden Bauwerkes und deren Beschaffenheit sowie auf Grund der Größe des Bauplatzes ist auszuführen, daß entsprechend den örtlichen Gegebenheiten durch den in der Natur gegebenen ansteigenden Hang eine Bauhöhe erreicht wird, die auf Grund des gegebenen Orts- und Landschaftsbildes überhöht erscheint.
Weiters wird ausgeführt, daß sich auf Grund der Größe des Bauplatzes eine entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zu große Bebauungsdichte ergibt, die nicht nur das Landschaftsbild verunstaltet, sondern auch mit den festgesetzten Maßstäben über die Bebauungsdichte unter Berücksichtigung des gegenständlichen Ortsbildes nicht in Einklang zu bringen ist.
Auf Grund der architektonischen Ansicht der Baulichkeiten muß ausgeführt werden, daß diese auf Grund der vorgelegten Pläne nicht in das Orts- und Landschaftsbild einzuordnen sind, zumal unmittelbar im Anschluß an das zu verbauende Grundstück Weingärten und eine damit verbundene Grünzone vorliegen.
Überdies erachtet sich der Einschreiter in seinen subjektivöffentlichen Rechten verletzt, zumal durch einen noch nicht abschätzbaren Zeitraum für die Bautätigkeit und der unmittelbaren Nähe eine nahezu unzumutbare Lärmbelästigung und Belastung für den Einschreiter gegeben ist. Durch die aufgeführten Baulichkeiten wird das Nachbargrundstück des Einschreiters derart entwertet, daß eine Verwertbarkeit des Grundstückes voraussichtlich ausgeschlossen erscheint."
Anläßlich der Bauverhandlung hat der Beschwerdeführer entsprechend der bei dieser Gelegenheit aufgenommenen Niederschrift "eine schriftliche Einwendung bezüglich des Bauvorhabens" abgegeben, aber keine zusätzlichen Einwendungen vorgebracht. Sein Beschwerdevorbringen, er habe im Zuge der Bauverhandlung Immissionseinflüsse behauptet, ist daher nur insoweit zutreffend, als er eine Lärmbelästigung für die Dauer der Bautätigkeit geltend gemacht hat, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, daß auch in bezug auf die befürchteten Einwirkungen durch Niederschlagswässer eine rechtzeitige Einwendung vorliegt. Die belangte Behörde hat daher zutreffend die Auffassung vertreten, daß der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht präkludiert ist, weshalb auf den in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmangel im Hinblick auf die auch vom Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Präklusion nicht einzugehen war (vgl. in diesem Zusammenhang u. a. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1964, Slg. N. F. Nr. 6246/A).
Unter Bezugnahme auf die zum Gegenstand seiner schriftlichen Einwendungen gemachte Behauptung, sein Grundstück werde durch das gegenständliche Bauvorhaben derart entwertet, daß dessen Verwertbarkeit ausgeschlossen erscheine, verweist der Beschwerdeführer auf das von ihm während des Verwaltungsverfahrens vorgelegte Privatgutachten, in welchem diese Auffassung bestätigt und ausgesprochen werde, daß das Bauvorhaben das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtige, und macht geltend, daß die Behörde keinen entsprechenden Vergleichsversuch unternommen habe.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, weil das Unterbleiben eines Ausgleichsversuches im Sinne des § 99 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 kein subjektivöffentliches Recht des Beschwerdeführers verletzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1977, Zl. 2246/76). Im übrigen ist die auch nach Ansicht des Beschwerdeführers als privatrechtlich zu qualifizierende Einwendung bezüglich der behaupteten Entwertung seiner Liegenschaft, wie schon in der Sachverhaltsdarstellung dieses Erkenntnisses ausgeführt worden ist, ohnedies ausdrücklich gemäß § 99 Abs. 4 leg. cit. auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden.
Schließlich releviert der Beschwerdeführer, daß seine Einwendungen gegen die Bebauungsweise und Bebauungshöhe in Verbindung mit den Vorschriften über den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes unter dem Gesichtspunkt einer völligen Entwertung seiner Liegenschaft zu berücksichtigen gewesen seien. "Dies schon deshalb, weil subjektiv öffentlich-rechtliche Ansprüche im Sinne des § 118 Abs. 9 NÖ Bauordnung mit der Behauptung der Verletzung der Bestimmungen über das Orts- und Landschaftsbild geltend gemacht werden, zumal die Beeinträchtigung des Eigentumsrechtes ein Recht darstellt, welches von den Bestimmungen des § 118 Abs. 9 NÖ Bauordnung umfaßt ist".
Zufolge § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1976 genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Subjektiv-öffentliche Rechte werden zufolge Abs. 9 dieser Gesetzesstelle durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über 1. den Brandschutz; 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung; 4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Unter dem Gesichtspunkt dieser Regelungen sind daher nur subjektiv-öffentliche Rechte von Bedeutung, sodaß die vom Beschwerdeführer befürchtete, durch die Errichtung des Bauvorhabens des Erstmitbeteiligten bedingte Entwertung seiner Liegenschaft und die daraus seiner Meinung nach resultierende "Beeinträchtigung des Eigentumsrechtes" im baurechtlichen Verfahren irrelevant ist. Die in diesem Zusammenhang zufolge Z. 4 der wiedergegebenen Bestimmung zu erörternde Frage der Bebauungsweise und Bebauungshöhe wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides behandelt, wobei die belangte Behörde zusammenfassend davon ausgegangen ist, daß durch das gegenständliche Bauvorhaben weder die zulässige Bebauungshöhe noch die festgelegte Bebauungsdichte überschritten werden. Der Beschwerdeführer ist dieser Auffassung nicht entgegengetreten, und auch der Gerichtshof hat keinen Grund zu der Annahme, daß durch die in Rede stehende Baubewilligung subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden sind.
Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Wien, am 3. Dezember 1985
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