VwGH 85/04/0221

VwGH85/04/022114.1.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Egger, über die Beschwerde der HS in P, vertreten durch Dr. Karl Trindorfer, Rechtsanwalt in Enns, Hauptplatz 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. Oktober 1985, Zl. Ge -26616/3 -1985/Kut/Kai, betreffend Feststellungsbescheid nach der Wirtschaftstreuhänder - Berufsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §3 litb;
B-VG Art102 Abs1;
B-VG Art103 Abs4;
WTBO §42 Abs1 litd;
WTBO §46 Abs2;
WTKG §2 Abs4 litf;
AVG §3 litb;
B-VG Art102 Abs1;
B-VG Art103 Abs4;
WTBO §42 Abs1 litd;
WTBO §46 Abs2;
WTKG §2 Abs4 litf;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit der vorgelegten Bescheidkopie stellte die Kammer der Wirtschaftstreuhänder mit Bescheid vom 10. Juli 1985 fest, daß gemäß § 42 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 46 Abs. 1 und 59 Abs. 8 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung die Berufsbefugnis des JS zur Ausübung des Buchsachverständigengewerbes, beschränkt auf die Anlage, Führung und Überwachung von Büchern und Buchhaltungen aller Art sowie die Berechtigung der Beschwerdeführerin zum Witwenfortbetrieb dieser Befugnis mit Wirkung vom 21. Juni 1985 erloschen seien.

Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Oberösterreich als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 aus dem Grunde des § 46 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung keine Folge und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin fechte den erstbehördlichen Bescheid im wesentlichen mit dem Vorbringen an, daß sich ihr Sohn, Dr. JS, bemühe, in nächster Zeit die Steuerprüfung abzulegen. Seine Klausurarbeit sei jedoch beim Frühjahrstermin negativ beurteilt worden, sodaß er erst im Herbst 1985 erneut zur Prüfung antreten könne. Ihr Sohn sei als Übernehmer der Kanzlei vorgesehen. Die Beschwerdeführerin habe abschließend ersucht, die im Gesetz vorgesehene Frist von fünf Jahren um sechs Monaten zu verlängern und den erstbehördlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben. Nach der Aktenlage sei unbestritten, daß JS seit 29. Juli 1949 zur Ausübung des Buchsachverständigengewerbes, beschränkt auf die Anlage, Führung und Überwachung von Büchern und Buchhaltungen aller Art befugt gewesen sei. Auf diese Tätigkeit sei ab dem Inkrafttreten der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, also ab 1. September 1955, die Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung sinngemäß anzuwenden. JS sei am 21. Juni 1980 verstorben. Auf Antrag der Beschwerdeführerin habe die Kammer der Wirtschaftstreuhänder mit Bescheid vom 22. Juli 1980, Ge-677/80, HZ als Kanzleiverweser bestellt. Von dem ihnen zustehenden Verwertungsrecht gemäß § 45 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung hätten weder die Witwe - die Beschwerdeführerin -, noch deren Sohn innerhalb der letzten fünf Jahre Gebrauch gemacht. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder habe daher mit Recht festgestellt, daß die Befugnis des JS zur Ausübung des Buchsachverständigengewerbes, beschränkt auf die Anlage, Führung und Überwachung von Büchern und Buchhaltungen aller Art mit Wirkung vom 21. Juni 1985 erloschen seien. Eine Verlängerung der Frist zur Fortführung des Witwenfortbetriebes um weitere sechs Monate sei nicht möglich, weil es sich hiebei um eine gesetzlich festgelegte Frist handle, die nicht verlängert werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, laut deren zum "Beschwerdepunkt" erstatteten Vorbringen sich die Beschwerdeführerin "in dem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung durch die sachlich zuständige Behörde" als verletzt erachtet. Als Beschwerdegrund wird "Unzuständigkeit der belangten Behörde" geltend gemacht. Hiezu wird vorgebracht, der Landeshauptmann von Oberösterreich habe bei Erlassung des angefochtenen Bescheides eine ihm nicht zukommende Kompetenz in Anspruch genommen. Jede Zuständigkeit eines staatlichen Organes müsse im Sinne des Art. 18 Abs. 1 B-VG gesetzlich festgelegt und geregelt sein. Die hier in Betracht kommende gesetzliche Regelung müsse sich daher aus dem Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz ergeben. In diesem Gesetz sei im § 1 Abs. 2 festgelegt, daß die Kammer der Wirtschaftstreuhänder eine Körperschaft öffentlichen Rechtes sei. Weiters seien die Organe der Kammer und die ihnen gesetzlich zukommenden Funktionen geregelt. Im § 27 sei die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie normiert. Eine Regelung eines Rechtsmittelzuges vom Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zum Landeshauptmann sei im Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz nicht enthalten. Die Funktion als Aufsichtsbehörde schließe aber nicht zwingend ein, daß diese Behörde auch Rechtsmittelinstanz sei. Ein solcher Rechtsmittelzug von einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes an ein staatliches Organ widerspreche hier auch dem Prinzip der Selbstverwaltung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder sei ähnlich aufgebaut wie die Rechtsanwaltskammern, die gleichfalls Körperschaften des öffentlichen Rechts seien. Auch bei den Rechtsanwaltskammern bestehe in gewissen Punkten eine Kompetenz des Bundesministers für Justiz, so z.B. im § 22 Abs. 1 und im § 27 Abs. 5 der Rechtsanwaltsordnung, ohne daß daraus eine sachliche Kompetenz des Bundesministers für Justiz als Rechtsmittelinstanz gegen Entscheidungen und Beschlüsse eines Ausschusses einer Rechtsanwaltskammer abgeleitet werden könnten. Der angefochtene Bescheid sei daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behaftet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hiezu erwogen:

Nach der Anordnung des § 1 Abs. 2 des Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetzes, BGBl. Nr. 20/1948, ist die Kammer der Wirtschaftstreuhänder (Kammer) eine Körperschaft öffentlichen Rechtes.

§ 2 Abs. 1 Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 126/1955 lautet wie folgt:

"(1) die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat einen selbständigen und einen übertragenen Wirkungsbereich. Im selbständigen Wirkungsbereich hat die Kammer die Aufgabe:

a) Die gemeinsamen Interessen der in ihr zusammengeschlossenen Wirtschaftstreuhänder und die Würde des Berufes zu wahren;

b) Wünsche und Vorschläge über alle Angelegenheiten, die den Beruf der Wirtschaftstreuhänder betreffen, in Beratung zu nehmen;

c) ihre Wahrnehmungen und Vorschläge über die Bedürfnisse des Berufsstandes und der Wirtschaft auf allen Gebieten des Aufgabenbereiches der Wirtschaftstreuhänder den Behörden und gesetzgebenden Körperschaften zur Kenntnis zu bringen;

d) die berufliche Weiterbildung ihrer Mitglieder zu fördern und für eine entsprechende Heranbildung des beruflichen Nachwuchses Sorge zu tragen;

e) gemeinsame wirtschaftliche Einrichtungen und solche, die der Wohlfahrt, Unterstützung und Altersfürsorge ihrer Mitglieder und deren Hinterbliebenen dienen, zu errichten, zu betreiben oder zu fördern;

f) für die disziplinäre Überwachung der Berufsangehörigen und Berufsanwärter unter Beachtung der in dieser Hinsicht erlassenen gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen:"

Nach Abs. 4 lit. f Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz obliegt der Kammer im übertragenen Wirkungsbereich die Besorgung sonstiger Angelegenheiten, die der Kammer durch Gesetz übertragen werden.

Im § 27 Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 126/1955 wird, u. a. die Aufsicht der Kammer durch das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie normiert.

Gemäß § 58 Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung BGBl. Nr. 125/1955 gelten für das behördliche Verfahren u. a. vor den Organen der Kammer der Wirtschaftstreuhänder in den Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes mit Ausnahme der Ehrengerichtsbarkeit die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950.

Nach der Anordnung des § 2 Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz weist sohin der Wirkungsbereich der Kammer der Wirtschaftstreuhänder in ihrer Eigenschaft als Selbstverwaltungskörper neben dem im Abs. 1 lit. a bis f angeführten Agenden des selbständigen Wirkungsbereiches, auch solche des übertragenen Wirkungsbereiches im Sinne des Abs. 4 lit. a bis f dieser Gesetzesstelle auf. Unter § 2 Abs. 4 lit. f Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz fallen u. a auch als Agenden des vom Bund übertragenen Wirkungsbereiches die von der Kammer wahrzunehmenden Aufgaben im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Frage des Erlöschens der Befugnis zur Ausübung des Wirtschaftstreuhänderberufes aus dem Grunde der §§ 42 Abs. 1 lit. d und 46 Abs. 2 Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 352/1982 (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1963, Zl. 408/62, u. a. ferner nach VfSlg. 4401).

Mangels Normierung eines Instanzenzuges im gegebenen Zusammenhang steht aber - wie sich aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen des Art. 102 Abs. 1 und des Art. 103 Abs. 4 B-VG ergibt - gegen Bescheide der Kammern der Wirtschaftstreuhänder die Berufung an den - nach dem Berufssitz des jeweiligen Wirtschaftstreuhänders örtlich zuständigen (§ 3 lit. b AVG 1950) - Landeshauptmann zu (vgl. hiezu sinngemäß die entsprechenden Darlegungen im VfS1g. Nr. 2500).

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick darauf hatte auch eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu unterbleiben.

Wien, am 14. Jänner 1986

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