VwGH 84/14/0090

VwGH84/14/00908.4.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Tobola, über die Beschwerde des LW in S, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 2. Mai 1984, Zl. B 216‑4/83, betreffend Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind GW ab 1. Februar 1983, zu Recht erkannt:

Normen

FamLAG 1967 §5 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1984140090.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer begehrte im Verwaltungsverfahren die Weitergewährung der Familienbeihilfe für seinen am 26. Jänner 1965 geborenen Sohn G, wobei er zur Begründung ausführte, dieser sei bei der M Forstdirektion voraussichtlich bis November 1984 als Jägerlehrling tätig, wofür er eine Lehrlingsentschädigung von rund S 3.400,-- monatlich beziehe.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit der Begründung ab, der Sohn beziehe „beihilfenschädigende“ Einkünfte von über S 2.500,-- monatlich, wobei die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe gemäß § 5 Abs. 1 lit. b FLAG nicht gegeben seien.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, zwischen seinem Sohn und der M Forstverwaltung bestehe sehr wohl ein Lehrverhältnis. Das Finanzamt vertrete jedoch offensichtlich im Gegensatz zu den Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1969, Zl. 697/1969, die Ansicht, daß dieses Lehrverhältnis nicht gesetzlich anerkannt sei. Die Steiermärkische Landesregierung habe jedoch mit Verordnung LGBl. Nr. 14/1957 die Satzungen der Steirischen Landesjägerschaft in Kraft gesetzt. Im § 2 Abs. 2 dieser Verordnung werde der Landesjägerschaft die Aufgabe übertragen, u.a. die Aus- und Fortbildung der Berufsjäger wahrzunehmen. Weiters sei die Prüfung und Ausbildung der Berufsjäger im Berufsjäger-Prüfungsgesetz, LGBl. Nr. 35/1954, und in weiterer Folge durch die Verordnung LGBl. Nr. 5/1955, in der Fassung LGBl. Nr. 50/1972, geregelt. In Erfüllung der Verordnungen der Steiermärkischen Landesregierung habe die Steirische Landesjägerschaft die Ausbildungsordnung für die Berufsausbildung des hauptberuflichen Jagdschutzpersonals, veröffentlicht in der Grazer Zeitung, Amtsblatt für das Land Steiermark, Stück 35 vom 28. August 1964, erlassen. In dieser Ausbildungsordnung seien detaillierte Regelungen über die Ausbildung der Jägerlehrlinge enthalten. Es könne daher keinem Zweifel unterliegen, daß das Lehrverhältnis seines Sohnes ein gesetzlich anerkanntes im Sinne der Bestimmungen des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG sei.

Das Finanzamt wies die Berufung mittels Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab, wobei es zur Begründung ausführte, obwohl über das Lehrverhältnis ein Lehr- bzw. Ausbildungsvertrag abgeschlossen worden sei, könne dieses nicht als gesetzlich anerkanntes Lehrverhältnis angesehen werden, weil ein solches nur dann als gesetzlich anerkannt gelte, wenn es durch ein eigenes Berufsausbildungsgesetz (Bundes- oder Landesgesetz) geregelt sei. Die Jägerlehre sei jedoch in keiner der einschlägigen Rechtsvorschriften über die Berufsausbildung genannt. Auch aus dem Kollektivvertrag für land- und forstwirtschaftliche Angestellte (Gutsangestellte), nach dessen Richtlinien der Sohn entlohnt werde, gehe hervor, daß Jagdpraktikanten (Jagdlehrlinge) nicht als Lehrlinge, sondern als Angestellte in betrieblicher Ausbildung angesehen würden.

Der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wodurch die Berufung als unerledigt galt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. Mai 1984 wies die belangte Behörde die Berufung unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 5 Abs. 1 FLAG endgültig als unbegründet ab. Zur Begründung führte sie aus, unter einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis sei ein nach innerstaatlichen Rechtsnormen geregeltes Lehrverhältnis zu verstehen. Darunter fielen die im Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, geregelten Lehrverhältnisse, die im Land- und Forstarbeiter‑Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 280/1980, geregelten Lehrverhältnisse sowie die Lehrverhältnisse in der Land- und Forstwirtschaft, die in jenen Landesgesetzen geregelt seien, welche in Ausführung des land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes ergangen seien. Das Steiermärkische Landesgesetz LGBl. Nr. 35/1954 in Verbindung mit der Verordnung LGBl. Nr. 5/1955 fordere als Voraussetzung zur Ablegung der Berufsjägerprüfung nur die Österreichische Staatsbürgerschaft, die Vollendung des 18. Lebensjahres, die für öffentliche Sicherheitsorgane geforderte Eignung und eine mindestens zweijährige hauptberufliche Verwendung im Jagddienst. Eine besondere gesetzliche Regelung hinsichtlich eines Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses sei nicht getroffen. Die Landesjägerschaft stelle zwar eine Körperschaft öffentlichen Rechts dar, es komme ihr jedoch keine gesetzgeberische Funktion zu. Das auf Grund der in der Grazer Zeitung, Amtsblatt für das Land Steiermark Stück 35, am 28. August 1964 verlautbarten Ausbildungsordnung der Steirischen Landesjägerschaft für die Berufsausbildung des hauptberuflichen Jagdschutzpersonals abgeschlossene Lehrverhältnis könne daher nicht als ein gesetzlich anerkanntes Lehrverhältnis im Sinne der Bestimmungen des Familienlastenausgleiches angesehen werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Bezug der Familienbeihilfe verletzt, weil die belangte Behörde das Bestehen eines gesetzlich anerkannten Lehrverhältnisses zwischen seinem Sohn und der M Forstverwaltung verneint hat.

Der Bundesminister für Familie, Jugend und Konsumentenschutz legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der diese die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes verneint und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 FLAG in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und selbst Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in einem S 2.500,-- monatlich übersteigenden Betrag beziehen. Gemäß § 5 Abs. 1 lit. b leg. cit. bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes Entschädigungen aus einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis außer Betracht.

Streit besteht vorliegendenfalls ausschließlich darüber, was als „gesetzlich anerkanntes“ Lehrverhältnis anzusehen ist. Der Beschwerdeführer stützt die von ihm vertretene Rechtsansicht auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1962, Zl. 439/60, und vom 17. Oktober 1969, Zl. 697/69. Dieser Hinweis des Beschwerdeführers ist jedoch nicht zielführend. Im erstgenannten Erkenntnis wird über die Sozialversicherungspflicht eines in einem Ausbildung jedoch nicht in einem Lehrverhältnis stehenden Dienstnehmers zu einem Ziviltechniker abgesprochen. Abgesehen davon, daß die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z. 2 ASVG anders gestaltet sind, als die des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG (nach § 4 Abs. 1 Z. 2 ASVG sind die in einem Lehrverhältnis stehenden Personen vollversichert), verneinte der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis das Bestehen eines Lehrverhältnisses im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen. Im zweitgenannten Erkenntnis wird die Frage gelöst, ob ein Lehrverhältnis im Ausland als „gesetzlich anerkannt“ zu beurteilen ist. Auch dies verneinte der Gerichtshof.

Die Bestimmung „gesetzlich anerkanntes Lehrverhältnis“ wurde erst mit dem Familienlastenausgleichsgesetz eingeführt. Im Vorläufer des Familienlastenausgleichsgesetzes, i. e. das Kinderbeihilfengesetz, lautete die ähnliche Bestimmung folgendermaßen: Die Kinderbeihilfe wird ... Personen gewährt, wenn das Kind nicht selbst Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - ausgenommen Lehrlingsentschädigung - in einem S 500,-- monatlich übersteigenden Betrag bezieht. Wie aus 549 und insbesondere 611 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XI. GP erkennbar ist, ist im § 5 der Regierungsvorlage zu einem Familienlastenausgleichsgesetz eine Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Lehrlingsentschädigung gegenüber dem Kinderbeihilfengesetz vom Gesetzgeber gewollt herbeigeführt worden. Es steht dem Gesetzgeber frei ‑ um eine leichtere Vollziehung zu gewährleisten -, eine einfache, an äußere Merkmale anknüpfende Regelung zu treffen, um der Behörde die Schwierigkeiten weitläufiger Beweisermittlungen zu ersparen und es ihr somit zu ermöglichen, unter Bezugnahme auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu entscheiden, ob ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht oder nicht. Als gesetzliches Lehrverhältnis im Sinne der Bestimmungen des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG kann aus diesem Grund nur ein nach den einschlägigen Rechtsvorschriften als Berufsausbildung anerkanntes Lehrverhältnis verstanden werden. So fallen die im Berufsausbildungsgesetz BGBl. Nr. 142/1969 (Lehrberufsliste siehe Verordnung BGBl. Nr. 268/1975), die im Land- und Forstarbeiter‑Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 280/1980, geregelten Lehrverhältnisse, die Lehrverhältnisse in der Land- und Forstwirtschaft, die in den Landesgesetzen geregelt sind, welche in Ausführung des land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes, BGBl. Nr. 177/1952, in der Fassung BGBl. Nr. 239/1965, ergangen sind, sowie die Ausbildung im Krankenpflegefachdienst, im medizinisch-technischen Dienst und im Sanitätshilfsdienst, BGBl. Nr. 102/1961, geregelten Lehrverhältnisse darunter (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 22. Oktober 1976, Zl. 2001/75, Slg. Nr. 5033/F, und vom 19. September 1984, Zl. 83/13/0105). Der Lehrberuf des Jägerlehrlings wird in keiner dieser Bestimmungen erwähnt.

Wie die belangte Behörde somit richtig erkannt hat, ist die Verlautbarung der Steirischen Landesjägerschaft hinsichtlich der Ausbildungsordnung für die Berufsausbildung des hauptberuflichen Jagdschutzpersonals in der Grazer Zeitung, Amtsblatt für das Land Steiermark Stück 35 vom 28. August 1964 nicht als einschlägige Rechtsvorschrift im Sinne eines gesetzlich anerkannten Lehrverhältnisses anzusehen, weshalb die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere deren Art. III Abs.2.

Hinsichtlich des zitierten nichtveröffentlichten hg. Erkenntnisses wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Wien, am 8. April 1986

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